Erika Bezdíčková
„Mein Geburtsort ist Žilina (Silein) in Südwesten der Slowakei. Hier bin ich im Jahre 1931 geboren; mein Vater war Arzt, meine Mutter unterrichtete in unserem Geschäft mit Schreibmaschinen Stenografie und Maschinenschreiben. Wir waren eine bürgerliche Familie, haben viel Sport und Touristik betrieben. Meine Eltern interessierten sich für klassische Musik und Oper, sehr früh habe ich das Lesen gelernt. Da wir zuhause nicht nur slowakisch, sondern auch deutsch und ungarisch gesprochen haben, konnte ich in diesen Sprachen auch viele Bücher lesen, was meine Eltern kräftig unterstützten. Wir haben uns immer zur jüdischen Konfession bekannt, waren aber nicht sehr fromm. In die Synagoge gingen wir immer zu den Hohen Feiertagen. Im Jahre 1938 hat die Slowakei ihre Autonomie verkündet, ein Jahr später wurde sie ein enger Verbündeter des Dritten Reiches mit faschistischer Prägung. Die Nürnberger Gesetze waren in der Slowakei noch strenger als in Deutschland. Damit fing auch unsere Verfolgung an, unsere Kalvarie. Wir mussten unsere große Wohnung räumen und lebten dann gemeinsam mit einer anderen Familie in einem ganz schäbigen Haus unter ganz schlechten Bedingungen. Ich besuchte die jüdische Grundschule. Wir mussten alle den gelben Stern tragen. Die wertvollsten Sachen wurden uns genommen.
Das erste Mal wurde ich mit meinen Eltern im Jahre 1943 verhaftet, nachher für eine kurze Zeit freigelassen, danach hat man uns ins Gefängnis in Ilava, nachher in das Ghetto Sereď und letztlich in das KZ Auschwitz deportiert, wo meine Eltern umgebracht wurden. Ich war danach in weiteren Konzentrationslagern – Ravensbrück, Oranienburg-Sachsenhausen und Genshagen. Von der Roten Armee wurde ich im Mai 1945 auf dem Todesmarsch in Mecklenburg befreit.“
Frau Erika Bezdíčková war zu Kriegsende gerade erst 14 Jahre alt und hatte bereits vier Konzentrationslager der Nazis durchlitten und überlebt. Nach der Befreiung erlebte sie, dass bis auf ihre Schwester ihre gesamte Familie im Konzentrationslager ermordet wurde. Dieses Trauma ist bis zum heutigen Tag bei ihr, vor allem in den Morgenstunden aktiv. Frau Erika Bezdíčková arbeitete nach dem Zweiten Weltkrieg als Redakteurin im Tschechoslowakischen Rundfunk in Prag, nachher als Leiterin des Pressezentrums für ausländische Journalisten der Messe Brünn. Nach der Besatzung durch die sowjetische Armee in der Tschechoslowakei im Jahre 1968 musste sie ihren Posten verlassen. Sie war tätig als Free Lance Dolmetscherin. Als freie Mitarbeiterin der Leipziger Buchmesse hatte sie diese in Tschechien vertreten und ist noch heute in diesem Bereich tätig. Frau Bezdíčková hat drei Kinder und sechs Enkelkinder. Sie hat, als Zeitzeugin und Überlebende des ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz, an dem in tschechischer Sprache gedrehten Dokumentarfilm von Olga Sommerová, der im Tschechischen Fernsehen im Mai 2008 unter dem Titel „Sieben Lichter“ gesendet wurde, teilgenommen.
Erika Bezdíčková ist Ehrenpräsidentin von IPS-WIEN – INSTITUT FÜR PSYCHO – SOZIALE FRAGEN zur Erforschung, Aufarbeitung und Prävention sexuellen Kindesmissbrauchs (http://www.ips-wien.at).