Klara Blum
Klara (Chaje) Blum
Chinesischer Name: Zhu Bailan.
Exil: 1934 SU, 1947 China. Nach H. Exenberger, DÖW u. Zohn + 3.5. 1971.
Vater: Josef B. (1850 - 1934), Großgrundbesitzer und langjähriger Landtagsabgeordneter in der Bukowina, nach 1918 Mitglied des jüdischen Nationalrates und Aktivist in der zionistischen Bewegung. Mutter: Cipre (1876 - 1937), geb. Kaner, in 1. Ehe verheiratete Maschler, stammte aus Stanislau (Ostgalizien); nach dem Tod ihres ersten Mannes Heirat mit dem 26 Jahre älteren J.Blum Aktiv in der zionistischen Frauenbewegung. Nach der Scheidung 1913 zog sie mit K.B. nach Wien, verdiente den Lebensunterhalt als Haushälterin. Armut, zahlreiche Quartierwechsel und Krankheit der Mutter kennzeichnen diese Jahre. 1933 zog Cipre Blum zu Verwandten nach Lemberg. K.B. studierte ab 1923 in Wien, besuchte Vorlesungen bei Alfred Adler - Studium vermutlich aus finanziellen Gründen abgebrochen. Tätigkeit als Journalistin. In den späten 1920er und frühen 1930er Jahren Kulturreferentin der Poale Zion in Wien. 1927 Lungenerkrankung, mehrere Monate zur Kur in Marienbad. 1929 Reise nach Palästina, wohin ihr Halbbruder Oskar Maschler emigriert war; ihre Bemühungen, in Palästina Fuß zu fassen, scheiterten. Schrieb für "Ostjüdische Zeitung" (Czernowitz), "Jüdische Rundschau" (Berlin), "Menorah" (Wien), "Wiener Morgenzeitung". Nach ihrer Rückkehr aus Palästina Mitglied der SDAP und ständige Mitarbeiterin der AZ - Beiträge zur Frauenemanzipation und zur sozialen Lage von Frauen ("Arbeiterinnenbewegung in Palästina"). Auch dramatische Versuche: "Die Nacht". 1930 mehrere Monate in Berlin.
1931 Reise nach Czernowitz. K.B. tritt für Einheitsfront mit der KPÖ ein, 1933 Austritt aus der SDAP. 1934 Literaturpreis der "Internationalen Vereinigung revolutionärer Schriftsteller" für das Gedicht "Ballade vom Gehorsam" und Einladung zu einer zweimonatigen Studienreise in die SU, wo sie bis 1945 im Exil lebt. Freundschaft mit Dora Wentscher, Gabriele Haenisch und Gregor Gog. Leidet unter Isolation und bedrohlicher politischer Bespitzelung. 1935 sowjetische Staatsbürgerschaft. Versuche, in die Deutsche Sektion des Sowjetischen Schriftstellerverbandes aufgenommen zu werden, sind erst 1938 erfolgreich, trotz lobender Empfehlungen von Johannes R. Becher und Georg Lukács. 1939 vorübergehend wegen Disziplinlosigkeit ausgeschlossen und zur Selbstkritik aufgefordert. Ende 1937 lernt sie den chinesischen Theaterregisseur und Journalisten Zhu Xiangcheng (1903 Shanghai- 1943 in einem Arbeitslager in Sibirien, 1989 rehabilitiert) kennen, der ein Aktivist der linken Theaterbewegung war. Mit anderen Gründer des "Xin Chou Theaters" (Shanghai), wo Dramen der Weltliteratur uraufgeführt wurden. Nach vier Monaten verschwindet Zhu spurlos. Die Suche nach ihrem Geliebten, die sie dann nach China führt, die Vorurteile gegen ihre Beziehung zu einem Chinesen im Milieu des Exils verarbeitet K.B. in "Der Hirte und die Weberin". Veröffentlichungen in "Internationale Literatur. Deutsche Blätter" (Moskau) und "Das Wort". Im Oktober 1941 Evakuierung nach Kasan, von dort flieht sie wegen der unerträglichen Verhältnissen nach Kuibyschew, wo mehr Kontaktmöglichkeiten zu staatlichen Literaturstellen möglich sind. Ihr Lyrikband "Donauballaden" wird zum Druck empfohlen. Im Frühjahr 1942 Mitunterzeichnerin des Appells an das deutsche Volk. Auf eigene Faust Rückkehr nach Moskau und Einsatz als Agitatorin und Übersetzerin (deutschsprachige Flugblätter, Gedichte für den Frontrundfunk) für die Rote Armee an der Front. Ende 1943 Rückkehr nach Moskau, wechselnde Unterkunft in billigen Hotelzimmern. Ihre jahrelangen Bemühungen um Ausreisegenehmigung nach China weiterhin erfolglos.
1945 ohne Mittel über Warschau, Prag, Budapest nach Bukarest; anschließend quer durch Europa nach Paris. Korrespondenz mit → J. Kalmer. 1947 mit Hilfe des jüdischen Hilfskomitees Shanghai nach China; Tätigkeit für den Verlag für fremdsprachige Literatur, Bejing (Peking). Ab 1952 Professorin für deutsche Sprache und Literatur an der Fudan-Universität (Nanjing). 1957 an der Zhongshan Hochschule in Kanton (Provinz Guangzhou). Chinesische Staatsbürgerin 1954. Beiträge in "Greifenalmanach", "Neue Deutsche Literatur" und chinesischen Zeitschriften. 1959 Reise in die DDR auf Einladung des Greifenverlages - allerdings kommt es zum Bruch mit dem Verleger Karl Dietz. Im gleichen Jahr Mitglied des Chinesischen Schriftstellerverbandes. Ab 1965 Mitarbeit an "Die Rote Fahne" (Wien, Organ der Marxistisch-Leninistischen Partei Ö.s). 1966-68 Teilnahme an der Kulturrevolution. Übersetzung von Gedichten Mao Zedongs. Beiträge in den Anthologien: "Aus dem Podium" (1938); "Und sie bewegt sich doch!" (1943). Gedichte in der Anthologie "Es klingt ein Ton wie geschliffener Stahl... Lieder und Gedichte aus dem Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939 (hg. von Susanne Christink, München, Wien: Hanser 1986, 165) und in "Deutsche Dichterinnen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Gedichte und Lebensläufe" (hg. von Gisela Brinker-Gabler, Frankfurt 1978). In China erschien als selbständige Publikation K.B.s nur eine Nachdichtung eines chinesischen Epos von Li Dji. NL: Universität Zhongshan (unveröffentlichte Manuskripte, Gedichte und der Roman "Schicksalsüberwinder").
Werke
Erst recht! Kiew: Staatsverlag der nationalen Minderheiten 1939. 79 S.
Die Antwort. (Gedichte.) Moskau: Meshdunarodnaja Kniga 1939. 71 S. DÖW 13.568
Wir entscheiden alles. (Gedichte.) Moskau: Verlag für fremdsprachige Literatur 1941.
Donauballaden. (Gedichte.) Moskau: Verlag für fremdsprachige Literatur 1942. 36 S. DÖW 15.276
Schlachtfeld und Erdball. (Gedichte, Nachdichtungen.) Moskau: Verlag für fremdsprachige Literatur 1944. 49 S.
Der Hirte und die Weberin. (Autobiographischer Roman.) Rudolstadt: Greifenverlag 1951. 296 S. ÖNB 817.104-B
Li Dji: Wang Gue und Li Hsiang-Hsiang. Volksepen. (Nachdichtung) 1954.
Das Lied von Hongkong. (Erzählungen.) Rudolstadt: Greifenverlag 1959.
Der weite Weg. (Gedichte.) Berlin: Volk und Welt 1960. 43 S. (Antwortet uns! 24).
Sekundärliteratur
Archiv. Handbuch der deutschsprachigen Emigration II, 123. Unter fremden Himmeln, 246. Killy: Literaturlexikon 2, 27.
Thomas Lange: Emigration nach China: Wie aus K.B. Dshu Bailan wurde. In: Exilforschung 3 (1985), 339-348.
Adrian Hsia: Zwei Enden des Himmels. Das bewegte Leben der jüdisch-chinesischen Schriftstellerin K.B. In: Die Zeit, 5.1. 1990.
Zhidong Yang: K.B. - Zhu Bailan (1904 - 1971). Leben und Werk einer österr.-chinesischen Schriftstellerin. Frankfurt u.a.: Peter Lang 1996. 245 S.
Gut angekommen - Moskau. Das Exil der Gabriele Stammberger 1932 - 1954. Erinnerungen und Dokumente. Aufgeschrieben von G. Stammberger und Michael Peschke. Berlin: BasisDruck 1999. 472 S. (Enthält zahlreiche Briefe von K.B. an G. (Haenisch -) Stammberger und Gregor Gog, 1941-45).
Aus: Siglinde Bolbecher/Konstantin Kaiser: Lexikon der Österreichischen Exilliteratur. Wien: Deuticke Verlag 1999, 95-97