Marianne Pollak
Marianne Pollak, geb. Springer, stammte aus einem kleinbürgerlichen Elternhaus. Sie wuchs sehr behütet auf, war wissbegierig und hätte gern die Mittelschule besucht. Dafür fehlten allerdings die finanziellen Mittel. Nach der Bürgerschule wurde sie Sprachlehrerin für Englisch und Französisch. Mit 19 lernte sie den 17jährigen Oscar Pollak kennen, der aus einer wohlhabenden bürgerlichen Familie stammte. Er machte sie mit sozialistischen Ideen vertraut und nahm sie zu politischen Veranstaltungen mit. Oscar und Marianne verlobten sich heimlich, als Oscar vor Beginn des Ersten Weltkrieges zum Militärdienst einrücken musste. Die beiden heirateten im November 1915.
1914 wurde Marianne Pollak Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und engagierte sich bei den Kinderfreunden. Nach dem Krieg lebten die Pollaks in einer kleinen Wohnung im sechsten Wiener Gemeindebezirk. Trotz Hunger und Armut hatten sie große Hoffnungen in die junge Republik.
1923 wurden die Pollaks von Friedrich Adler nach London berufen, um in der neu gegründeten Sozialistischen Arbeiterinternationale mitzuarbeiten. 1926 kehrten sie nach Wien zurück. Marianne Pollak wurde Mitarbeiterin der im März 1927 gegründeten Tageszeitung Das kleine Blatt. Die Pollaks fanden eine Wohnung in einem kleinen Haus in Hietzing. Sonntagnachmittags war ihr Wohnzimmer Treffpunkt für politische Diskussionen. 1933 wurde Marianne Pollak Vorstandsmitglied der „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“.
In den Mittagsstunden des 12. Februar wurde die AZ-Redaktion im Vorwärts-Haus an der Wienzeile von Polizei und Heimwehr besetzt. Oscar Pollak, Chefredakteur der Arbeiter-Zeitung und Marianne konnten durch die Hintertür des Parteihauses entkommen. Parteifunktionäre wurden wahllos verhaftet, Parteilokale von der Polizei gesperrt. Oscar Pollak gehörte zu den aktivsten Mitgliedern und Begründern der Revolutionären Sozialisten. Marianne war ebenfalls im Untergrund aktiv. Sie war „Briefträgerin“ ihres Mannes, stellte Kontakte her und organisierte Pakete für die politischen Gefangenen. Beide mussten damit rechnen, jeden Moment verhaftet zu werden. Sie auch nur für eine Nacht aufzunehmen, war für die Quartiergeber gefährlich. Sie entschlossen sich, nach Zürich zu gehen. Doch schon nach kurzer Zeit kehrten sie, im Vertrauen auf die österreichische Schlamperei auch im Faschismus, getrennt zurück. Mit Hilfe Käthe Leichters fanden sie Unterschlupf in einer Villa in Perchtoldsdorf. 1936 wurden beide nach Brüssel, in das Büro der SAI berufen. 1938 übersiedelte das Büro der Internationale und mit ihm das Ehepaar Pollak nach Paris. Sie waren entschlossen, so lange wie möglich in Paris zu bleiben, ohne den Deutschen in die Hände zu fallen. Sie gehörten zu den letzten EmigrantInnen, die nach Südfrankreich, Montauban, abreisten. Der Einmarsch Hitlers im Frühjahr 1940 zwang sie, Frankreich zu verlassen. Auf der Flucht vor der Gestapo gelangten sie unter Mühen und Gefahren über Spanien nach Portugal.
Mit Hilfe des internationalen Sekretärs der Labour Party, William Gillies, gelangten die Pollaks in den Besitz eines englischen Visums. Am 7. Oktober 1940 kamen sie schließlich in London an. Während Oscar Pollak als Mitbegründer des London Bureau der österreichischen Sozialisten äußerst aktiv war, beklagte Marianne ihre „häusliche Vermauerung“. Als Gegenleistung für ihre Unterkunft bei dem Sozialisten und Journalisten H. N. Brailsford führte sie seinen Haushalt.
Am 18. September 1945 kehrte Oscar Pollak nach Wien zurück und übernahm wieder die Position des Chefredakteurs der Arbeiter-Zeitung. Marianne Pollak folgte wenige Wochen später. Am 25. November 1945 kandidierte sie für den Nationalrat und zog als Abgeordnete ins Parlament ein. Außerdem übernahm sie die Leitung der neu gegründeten Wochenzeitschrift Die Frau. Zu den dominanten Themen in der Frau gehörten zunächst die unmittelbaren Probleme der Nachkriegszeit und die allgemeine gesellschaftliche „Verrohung“ nach elf Jahren Faschismus.
Das politisches Engagement Marianne Pollaks in den folgenden Jahren galt dem modernen Familienrecht, der Entlastung berufstätiger Mütter, Jugend- und Familienpolitik, gleichen Aufstiegschancen für Frauen in Beruf und Politik. Themen, die auch Inhalt von großen Enqueten waren, deren Vorsitzende sie war. Anfang 1950 gehörte sie zu den Mitorganisatorinnen der Ausstellung „Die Frau und ihre Wohnung“ im Messepalast, die sich mit zeitgerechter, moderner Wohnkultur, pflegeleichten, funktionalen Möbeln, gesunder Küche und modernder Technik im Haushalt beschäftigte. Die Ausstellung war so erfolgreich, dass sie mit begleitenden Beratungen und Vorträgen zehn Jahre geöffnet blieb.
1961 räumte Oscar Pollak seinen Chefredakteurssessel. 1959 legte Marianne Pollak ihr Abgeordnetenmandat zurück. Auch sie nahm aus Altergründen Abschied vom Vorwärts-Haus an der Wienzeile. Unter ihrer Leitung war Die Frau zur meistgelesenen Frauenzeitschrift Österreichs geworden.
Oscar Pollak starb am 28. August 1963 an einem Herzanfall. Ohne ihren Lebensgefährten wolle und könne sie nicht leben, schreibt Marianne Pollak noch am selben Tag in einem Abschiedsbrief. Zwei Tage darauf setzte sie ihrem Leben selbst ein Ende.
Im November 1966 erhielt die Wohnhausanlage Ecke Pragerstraße, Dunantgasse in Floridsdorf den Namen „Marianne-und-Oscar-Pollak-Hof.
M.PO.I: Fotos
M.PO.I/1: Porträt M.P., Juli 1949
M.PO.I/2: M.P. als Rednerin bei der Veranstaltung „40 Jahre Frauenwahlrecht“, Februar 1959, Arbeiterheim Favoriten, Gartensaal
Portät von M.P., gezeichnet von Bil Spira. In: Das kleine Blatt, Nr. 61, 1.3.1932, S 14
M.PO.II: Briefe:
M.PO.II/1: M.P. an Rosa Jochmann, 12.12.1934, hs, 1 Bl..Beigelegt: Kurze Erläuterungen von Rosa Jochmann zu diesem Brief, 1 Bl
M.PO.II/2: M.P. an Rosa Jochmann, 18.7.1951, hs, 1.Bl.
M.PO.II/3: Kurzbriefe von M.P. an das Zentralsekretariat der SPÖ, 9.2.1949, 29.7.1956, 2 Bl.
M.PO.II/4: Rudolfine Muhr an den Parteivorstand der SPÖ, bzgl. der Übergabe der Chefredaktion der Zeitschrift Die Frau von M.P. an Bettina Hirsch. 3.1.1962, 1 Bl., Kopie
M.PO.III: Dokumente:
M.PO.III/1: Kandidatenliste der SPÖ, Wahlkreis IV für die Wahl in den Nationalrat, 1945 ?
M.PO.III/2: „Jugendprobleme.“ Vortrag von M.P. in der internationalen sozialistischen Sommerschule. Klagenfurt, 26.8.-2.9.1951. Manuskript, 13.Bl.
M.PO.III/3: „Diskussion zum Vortrag von M.P., Manuskript, 10 Bl.
M.PO.III/4: Zum Tod von Marianne und Oscar Pollak: Todesanzeigen, Zeitungsartikel, Würdigungen, Gedenkveranstaltungen
M.PO.IV: Werk / Veröffentlichungen:
In der Bibliothek Sammlung Exenberger:
Irrfahrten. Aus dem Tagebuch eines suchenden Mädels. Verlag „Vorwärts“, Wien 1929. Broschüre
Aber schaun’S Fräul’n Marie... Liebesgeschichte einer Hausgehilfin. Verlag der Wiener Volksbuchhandlung, Wien 1932. Broschüre
Eine Frau studiert den Sozialismus. Einband und Zeichnungen von Willy Spira. Hg. Parteivorstand der Deutschen sozialdem. Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik. Verlag Teplitz, o.J. Broschüre
Wir wollen den glücklichen Menschen. Schriftenreihe „Die Frau“ Nr.2, 1949. Verlag „Vorwärts“. Broschüre
Frauenmehrheit verpflichtet. Eine internationale Übersicht. Hg. vom Frauenzentralkomitee der SPÖ. Verlag der Wiener Volksbuchhandlung, Julius Deutsch & Co, 1954. Mit einer Widmung von Rosa Jochmann. Broschüre
Frauenschicksal und Frauenaufgaben unserer Zeit. Schriftenreihe „Die Frau“ Nr. 12, 1956. Verlag „Vorwärts“. Heft
Die Frauen wurden wach. Hg. vom Sozialistischen Frauenkomitee. Verlag „Vorwärts“ 1959. Broschüre
Beiträge in der Arbeiter-Zeitung
Eine Auswahl aus der von Herbert Exenberger zusammengestellten Liste: Anm.: Einige Beiträge sind mit M.P. gezeichnet.
Unter englischen Frauen. 30.12.1923
Bei den Frauen in den Elendsviertel. 20.1.1924
Von englischen Schulen und Schureformen. 23.5.1924
Geburtenbeschränkung in England. 1.1.1925
Londons Fürsorge. 1.2.1925
Das proletarische Kind. 2.3.1926
Gemeinschaftserziehung im Fuchsenfeldhof. 9.5.1926
Die Großküche. 30.5.1926
Wie unsere Kinder anfangen, Menschen zu werden. Die Forderung nach dem Pflichtkindergarten. 26.9.1926
Die elektischen Heinzelmännchen. 17.10.1926
Vom Reifrock zum Bubikopf. 9.11.1926
Gespenster. Erinnerungen an den k.k. Schulbuchverlag. 1.5.1927
Die tausend Teile des Telefons. 2.9.1927
Das Rendevouz der Verzweifelten. 18.2.1928, S 7
Barrikadenbräute. 11.3.1928
Das Heim von heute. 25.4.1928
Das Kind als Familienerhalter. 28.7.1928
Die große Zeit in kleinen Rezepten. 11.11.1928, S 33
Das Weib in Hermelin. 25.12.1928
Drei Frauenschicksale unserer Tage. 3.2.1929
Zehn Jahre Frauenwahlrecht. 17.2.1929
Maria an der Maschine. 1.5.1929
Nur nicht verzichten. Das Recht auf gleiche Jugend für Mann und Weib. 10.3.1930
Die Vergiftung der Welt. 14.3.1930
Semi-Habsburg. Die jüdische Abstammung der Habsburger. 16.3.1930
Kennen Sie einen Herrn Fürsorgerin? 7.4.1930
Anstalts- oder Familienerziehung. 12.5.1930
Sarojini Naidu, die indische Nachtigal. 19.5.1930
150 Arbeiterinnen schreiben ein Buch. 11.8.1930
Baumeisterarbeit am kommenden Geschlecht. 1.5.1931, S 9
Wie ist die Frau Zeitungsleserin geworden? 22.2.1932
Das goldene Wiener Herz – ist rot! 10.3.1932
Die Frau in Sowjetußland. 6.11.1932
Am Grabmal der unbekannten Frau. 11.12.1932
Unter den Dächern von Paris. 3.9.1933
Die Internationale der sozialistischen Frauen. 3.9.1933
Was bringt Hitler den Frauen? 26.9.1933
Nach 1945
Brief aus London. 14.10.1945
Der Engländer und sein Alltag. 3.11.1945
„Ein neuer Frühling wird in die Heimat kommen …“ Aufbau rund um den Schutt. 6.12.1945
Jugend am Parteiwerk. 9.12.1945
Zur Frauenkonferenz. 13.12.1945
Das Fest einer großen Familie. 15.12.1945
Karl Renner erzählt und zweitausend Genossen hören zu. 16.12.1945
Zweierlei Österreich. 25.12.1945
Max Winter – der Sozialist des Herzens. 9.1.1946
„Jetzt kann ich Englisch.“ 12.1.1946
Und dann die Riesenversammlung! Frauentag im Roten Wien. 2.4.1946
Politische Fahrt in den Frühling. 14.4.1946
Schraubstock und Schreibtisch. 28.4.1946
Der Einspännerkutscher und der Achtzylinderchauffeur. 8.5.1946
Wiedersehen mit dem französischen Geist. Französische Bücher in Wien. 10.5.1946
Probleme der Emigration. 10.5.1946
Floridsdorf braucht ein Spital. 10.5.1946
Unsere Kinder rufen. 14.5.1946
Die Arbeiterkinderbewegung. 28.5.1946
Das sind die Arbeiter von Wien. 9.6.1946
Frauen in Amerika. 23.6.1946
Die Moral der Menschheit saß im Kerker. Leon Blums Buch „Mit menschlichem Maß“. 30.6.1946
Jugend, her deine Hand! 20.7.1946
Der Speiser. 20.7.1946
Zehn Jahre Weltkrieg (Dr. Anna Siemsen) 15.8.1946, 3 (AZ-Archiv)
Englischer Humor. („There is a time to laugh“. Von Mac Caul Smyth) 28.8.1946
Ist unsere Jugend demokratisch? 21.9.1946
Raimu, der Interpret Frankreichs. 29.9.1946
Familienfest in Floridsdorf. (Franz Bretschneider) 3.10.1946
J. B. Priestley, ein Repräsentant des neuen England. 13.10.1946
Regen, Wind – wir lachen drüber! Eröffnung des Schutzhauses auf dem Kohlreitberg. 29.10.1946
Der Paragraph 144. 22.11.1946
Ein Film von Finsternis und Licht. (La Symphonie pastorale) 28.11.1946
Traumland des Kindes. 3.12.1946
Sonnenland – auch im Winter! 18.12.1946
Jean Jaurès. 24.12.1946 (Beilage)
Wiener Wirklichkeit 1942/43. 1.1.1947 (Beilage)
Das Haus Österreich. (Ernst Lothar: „The Angel with the Trumpet“) 26.1.1947
Dem Andenken D. J. Bachs. 2.2.1947 (Beilage)
10 000 neue Mitglieder der Wiener Kinderfreunde. 25.2.1947
Eine Caprice (von Musset und Beaumarchais’ „Der Barbier von Sevilla“). 26.3.1947
Liebe Frau Doktor! 28.3.1947
Frauenschicksale zu Besuch. 6.4.1947 (Beilage)
Brief an einen Ausländer über eine Ausstellung. 5.6.1947
Sieg über Hollywood. 10.6.1947
Eine Großstadt besucht die andere. 12.6.1947
Gestern wurde die Bastille gestürmt … Kinder lesen Zeitung und lernen dabei Weltgeschichte. 29.6.1947 (Beilage)
Jugendweihe 1947. 1.7.1947
Der französische Parteitag. 21.8.1947
Frauenüberschuß. 27.8.1947
Wieder Mensch geworden! 26.9.1947
Jenseits des Kapitalismus. Paul Serings Buch, ein Beitrag zur sozialistischen Neuorientierung.
1.11.1947 (Beilage)
Warum lernen sie? (Teilnehmer an Vertrauensmännerschulen). 30.11.1947
Die Währungsreform und die Frauen. (Aus einem Radiovortrag). 9.12.1947
Es gibt keine Frauenprobleme! 25.1.1948 (Beilage)
Wird’s nicht doch langsam besser? (Aus einem Radiovortrag). 3.2.1948
Rede bei der Revolutionsfeier in Paris. 19.3.1948
Pariser Frühling 1948. 4.4.1948 (Beilage)
Begegnung mit Frauen. 11.4.1948 (Beilage)
„Versetzte“ Kinder. 23.5.1948
Mutter hat Urlaub, 15.8.1948 (Beilage)
Das aufsteigende Geschlecht. 20.3.1949
Die Anna, die Marie, die Wetti, die Poldi. 31.7.1949 (Beilage)
Frauenschicksale 1950. 26.3.1950 (Beilage)
Angeliki lächelt. Ein neuer Fall Helen Keller. 30.7.1950
Begegnung mit Frauen in Amerika. 12.11.1950 (Beilage)
Die Sterne sind Zeugen (Warschauer Getto) 10.12.1950 (Beilage)
Richtige Haushaltsführung. 25.1.1951 (Beilage)
Begegnung mit dem Fortschritt (Schweden). 1.6.1951 (Beilage)
Gleichberechtigung – was nun? 3.7.1951 (Beilage)
Gleichberechtigung der Frau heißt Vermenschlichung der Gesellschaft. 7.11.1952
Mutter und Kind – Sechs Bilder aus dem Buch des Lebens. 25.12.1953
Eiszeit des Herzens. 6.1.1954
Die ausradierte Seele. 25.7.1954
Der junge Léon Blum. 1.1.1955
Nur da nichts Neues. Die Dornenhecke der Vorurteile. 6.1.1956
Europäisch denken. 18.6.1958
Unser Bruder, der Flüchtling. 1.11.1958
Europas Ruf – Europas Kultur. 12.4.1959
Wir wollen keine Manager und keine Roboter erziehen. 1.1.1960
Unsere Mütter hatten es noch schwerer. 27.8.1960
M.PO.V: Literatur / Quellen:
Bettina Hirsch: Marianne. Ein Frauenleben an der Zeiten Wende. Biographie von Marianne Pollak. Verlag Pichlers Witwe & Sohn, Wien 1970
Fritz Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus. Teil 2. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 1989
Brigitte Lehmann: Marianne und Oscar Pollak. Die Geschichte zweier Leben. Dokumentation 1&2/2996, Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung, Wien
Nachlass „Marianne und Oscar Pollak“: Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung
Teilnachlass: DÖW
Weiteres Material
Oskar Marianne Pollak Fotoalbum 1929-1931
Bei Fragen kontaktieren Sie bitte Alexander Emanuely (emanuely[a]theodorkramer.at)