Stefan Pollatschek
Stefan war der Sohn von Moritz Pollatschek, Journalist (Neues Wiener Tagblatt) und Julia Löwit. Er hatte zwei Schwestern, Fanny, geb. 1885, Helene, geb. 1893 und einen Bruder, Erwin, geb. 1888. Die Familie lebte im 9. Wiener Gemeindebezirk, Müllnergasse 13.
Stefan Pollatschek besuchte die Volksschule in Wien-Mariahilf und anschließend ein Wiener Gymnasium, wohl das Wasagymnasium, wo auch Erwin Pollatschek zur Schule ging. Von 1914 bis 1918 war er Offizier der Reserve in der österreichisch-ungarischen Armee. 1915 heiratete er Ilka Lion, die als höhere Tochter keinen Beruf gelernt hatte, aber um trotzdem etwas zum Familienbudget beizutragen, den ersten Bridgeclub in Wien gründete. Die beiden bekamen eine Tochter, Gerda (Hoffer). Pollatschek war Journalist und Schriftsteller, zehn Jahre lang arbeitete er als Kaufmann. Er veröffentlichte politische Glossen, Essays, Kurzgeschichten und Fortsetzungsromane in der Arbeiter-Zeitung, dem Neuen Tagebuch, Muskete und Glocke (Wien).
1930 erschien Pollatscheks Roman „Gericht“ in Fortsetzungen in der Arbeiterzeitung. Mit seinem Roman „Dr. Berghof ordiniert von 2-4“, der 1931 erschienen ist, zog er sich den Zorn bedeutender Wiener Ärzte zu. 1933 schloss er sich der „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“, in seiner Wiener Wohnung, 19. Bezirk, Strassergasse 13, fanden etliche (inoffizielle) Tagungen der Vereinigung statt. Zu seinem engsten Freundeskreis gehörten Viktor Matejaka, Ernst Waldinger und Elia Canettti, der wie Pollatschek in Grinzing (19. Bezirk) wohnte.
Ab März 1938 bemühte sich Stefan Pollatschek um ein Ausreisevisum, im Juni gelang es ihm, nach Prag zu flüchten. Im Jänner 1939 gelangte er mit Hilfe des Thomas-Mann-Committees nach England. Im selben Jahr erlitt Pollatschek, der schon länger Herzprobleme hatte, einen schweren Herzanfall. Nachdem er mit seiner Frau und seiner Tochter Gerda zunächst in London und dann in Manchester in Untermiete gelebt hatte, bezog die Familie schließlich ein Fischerhäuschen am Meer in Norfolk. Hier begann Stefan Pollatschek an seinem Buch „Dr.Ascher und seine Väter“ zu schreiben. Im Juni 1940 wurde er erst in der „Festung von Norwich“, dann auf der Isle of Man interniert. In der informellen „Volkshochschule“ des Internierungslagers hielt er Vorträge. Im Oktober 1940 wurde er aus der Internierung entlassen, seine Familie hatte die Küstenzone verlassen müssen und lebte mittlerweile in Baldock, Hertfordshire. Die Familie erhielt 30 Schilling pro Woche vom Czech Trust Fund.
Pollatschek musste zur Behandlung seiner Herzerkrankung nach London reisen. Hier starb Stefan Pollatschek 52jährig. Seine Tochter, Gerda Hoffer, schreibt, dass er zwei Stunden vor seinem Tod seinen eigenen Nachruf verfasste, der mit folgendenden Worten begann: „Es ist eine Schande, vor Hitlers endgültiger Niederlage zu sterben, aber mir ist dieses Malheur nun leider passiert“.
Werke von Stefan Pollatschek wurden ins Englische, Polnische, Niederländische, Tschechische, Serbokroatische und Ungarische übersetzt.
/// Weitere Informationen in: Siglinde Bolbecher/Konstantin Kaiser: Lexikon der Österreichischen Exilliteratur. Wien: Deuticke Verlag 1999, 520-522
/// Weitere Dokumente (seit 2019): Gerda Hoffer und Stefan Pollatschak - Nachlass
S.PO.I: Fotos:
S.PO.I/1: Portrait, o.J.
S.PO.I/2: Gerda Hoffer, Tochter von St.P., Herbert Exenberger, Sept. 1992
S.PO.II: Dokumente:
S.PO.II/1: Ankündigung der Lesung „Stephan Pollatschek: Aus eigenen Schriften.“ In der Volkshochschule Ottakring. In: Arbeiterzeitung, 20.10.1933
S.PO.II/2: Brief von St.P. an Heinrich Steinitz, 13.10.1936, 2 Bl., Kopie >> DÖW: Nachlass Heinrich und Meta Steinitz: 10.001/e
S.PO.II/3: Brief von St.P an Heirich Steinitz, 7.11.1936, 1 Bl., Kopie >> DÖW: Nachlass Heinrich und Meta Steinitz. 10.001/e
S.PO.II/4: Heinrich Steinitz: „Stefan Pollatschek. Farben und Flammen.“ Manuskript, vermutl. 1937, 5 Bl., Kopie
S.PO.II/5: Brief von St.P. an Dr. Franz Kobler, 10.10.1942, 3 Bl., Kopie
S.PO.II/6: „Stefan Pollatschek.“ Todesanzeige von St.P. in: Zeitspiegel, Nr. 48, 28.11.1942
S.PO.II/7: Gerda Hoffer: „Zum hundersten Geburtstag Stefan Pollatscheks“. Manuskript, Kurzbiographie, o.J., 2 Fassungen, 3 Bl., Kopien
S.PO.II/8: Gerda Hoffer: „Der Anfang vom Ende in Wien“. Manuskript, 25 Bl.. Autobiographischer Text u.a. mit Erinnerungen an St.P., Gerda Hoffers Vater.
S.PO.III: Werk / Veröffentlichungen:
S.PO.III/1: Der Fall Stefan Großmann. In: Die Wage, XVI Jg., Nr. 13, 29.3.1913, 321f
S.PO.III/2: ... Eigentum. (Der Titel der Glosse ist unvollständig kopiert.) In: Rundfunk, 11. Woche, 12.-18.3.1933, 13
S.PO.III/3: Segen der Erde. In: Das kleine Blatt, 27.4.1933, 3
S.PO.III/4: Der King Edward-Pudel. In. Das kleine Blatt, 17.9.1933, 3f
S.PO.III/5: Dozent Müller. Die Tragödie eines Wiener Arztes. Roman in Fortsetzungen in der Arbeiter-Zeitung, 5.6.-31.7.1949
S.PO.III/6: König Neuhoff erteilt Audienz. In: Kleines Lesebuch, 33-43. Heft 2, November 1934
S.PO.III/7: Der Kampf des Ambrosius. Vermutl. In: Kleines Lesebuch. Kopie der Kurzgeschichte ohne nähere Angaben.
In der Bibliothek Sammlung Exenberger:
S.PO.III/8: Der Maler Rudolf Rapaport. Das Überwirkliche im Porträt. Eine Studie. Wiener Buch- und Kunstverlag 1933. Mit 34 Abbildungen. Viktor Matejka gewidmet.
S.PO.III/9: John Law. Roman der Banknote. Stil-Verlag, Brünn 1936
S.PO.III/10: Dzuma. Autoryzowany przeklad z niemieckiego. Nowa Powiesc – Warszawa. O.J. Anm.: Das Buch „Pest“, 1938 fertig gestellt, sollte ursprünglich in einem Wiener Verlag erscheinen. Das war allerdings nicht mehr möglich. St.P. musste Österreich verlassen. Das Buch erschien noch vor Kriegsausbruch in einem polnischen Verlag. Es wurde unter dem Titel „Dozent Müller. Die Tragödie eines Wiener Arztes“ 1948, nach dem Tod von St.P., neu aufgelegt. >> siehe nächste Eintragung.
S.PO.III/11: Dozent Müller. Die Tragödie eines Wiener Arztes. Wiener Verlag 1948. Ernst Waldinger gewidmet. Wiener Verlag 1948
S.PO.III/12: John Law. Roman der Banknote. Büchergilde Gutenberg, Wien, Zürich, Prag 1937
S.PO.III/13: Flammen und Farben. Roman. Das Leben des Malers van Gogh. Saturn-Verlag, Wien 1937
S.PO.III/14: Flammen und Farben. Das Leben des Malers van Gogh. Stil-Verlag, Brünn, o.J.
S.PO.III/15: Vlammen en Kleuren. Het Leven van Vincent van Gogh. Wereldbibliotheek N.V. – Amsterdam-W. 1938
S.PO.III/16: Ambulatorium. Wydawnictwo „Nova Powiesc“, Warszawa 1938
S.PO.III/17: Die Austreibung. Aus einem noch unveröffentlichten Werk: „Dr. Ascher und seine Väter, Roman einer jüdischen Familie von 1391 bis 1938“. Kopie, geheftete Broschüre, o.J.
S.PO.III/18: Doktor Ascher und seine Väter. Historischer Roman. Hg. und bearbeitet von Konstantin Kaiser und Ulrike Oedl. Mit einem Nachwort von Gerda Hoffer. Mandelbaum Verlag, Wien 2004
S.PO.IV: Spurensuche / Korrespondenz Exenberger:
Auszug aus dem IKK. Geburtenbuch 1890/3310
Korrespondenz mit Gerda Hoffer, der Tochter von St.P. von 1990 – 2000. 34 Briefe und Postkarten.
Unterlagen zu Gerda Hoffer.
S.PO.V: Literatur / Dokumentation:
Israel Egon Löwenstein. Humor bis zum letzten Atemzug. Zum hundertsten Geburtstag von Stefan Pollatschek. In: Israel Nachrichten, 15.6.1990
Gerda Hoffer: Zum hundersten Geburtstag von Stefan Pollatschek 1890 – 1942. In: Mit der Ziehharmonika, 7. Jg., Nr. 2, Juni 1990, 1f
Herbert Exenberger: Stefan Pollatschek. In: Die Gemeinde, 7.9.1990, 51
Stefan Pollatschek: Was uns moralisch bevorsteht oder Das beruhigte Gewissen des Dr. K.. das siebzehnte und achtzehnte Intermezzo aus dem Roman „Dr. Ascher und seine Väter“. In: Mit der Ziehharmonika, 16. Jg., Nr. 4, März 2000, 13-19
Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren. Hg. Österreichische Nationalbibliothek, Band 2, K.G.Saur, München 2000
Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser: Lexikon der österreichischen Exilliteratur, Wien-München 2000
Gerd Baumgartner: Und brauchte den Hass nicht zu studieren. St.P.s Emigrantenroman, verlegt nach 60 Jahren. In: Die Presse, Spectrum, 16.7.2005, VI
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