Otto Soyka
Erzähler und Dramatiker
Otto Soyka war das einzige Kind des Rechtsanwaltes Dr. Heinrich Soyka und seiner Ehefrau Marie (geb. Porges). Nach dem Tod seines Vaters 1888 kam er in ein Internat. 1895 heiratete seine Mutter den Arzt Jakob Ehrenstein. Siegbert Ehrenstein wird sein Stiefbruder, Albert und Carl Ehrenstein seine Vettern. Nach der Matura studierte Otto Soyka Maschinenbau an der Technischen Hochschule Wien, und er beschäftigte sich mit Medizin und Philosophie.
14jährig publizierte Soyka erstmals, im Ischler Wochenblatt. Dieses Feuilleton wurde von einem Freund seines Stiefbruders Siegbert mit Interesse aufgenommen. Dieser Freund war Karl Kraus. 1904 lud Karl Kraus Soyka ein, für Die Fackel einen Beitrag über Oscar Wilde zu schreiben. Der Artikel gefiel Karl Kraus, somit war Soyka Mitarbeiter der Fackel und zugleich Mitglied der Tafelrunde am Kraus-Tisch im Café Pucher am Kohlmarkt, bis er sich 1909 mit Karl Kraus überwarf. Zu den ständigen Mitgliedern am Kraus-Tisch gehörten, wie Soyka 1953 in seinem Aufsatz „Begegnungen mit Karl Kraus“ schreibt, der Arzt und Psychoanalytiker Fritz Wittels, der Lehrer und Schriftsteller Karl Hauer und ein Pole namens Janikawski. Soykas Anliegen waren sozialkritische und sexualtheoretische. Er beschäftigte sich mit Freud und Weininger, 1906 erschien sein Essayband „Jenseits der Sittlichkeitsgrenze“. Er publizierte auch in der avantgardistischen Zeitschrift Sturm, der satirischen Zeitschrift Simplizissimus, in der von Otto Koenig redigierten Theaterzeitschrift Der Merker und in der Zeitschrift Die Wage. 1906 verfasste er seinen ersten SF-Detektivroman „Die Söhne der Macht“, der allerdings erst 1911 veröffentlicht wurde.
Am Ersten Weltkrieg nahm Otto Soyka als Reserveoffizier teil. Danach war er als freier Schriftsteller tätig. Er verfasste zahlreiche Abenteuer- und Detektivromane und Novellen, mit denen er sehr erfolgreich war, über die Grenzen des deutschen Sprachraums hinaus. 1914 verfilmte er privat den Roman „Die Söhne der Macht“. Drehort Café Central, in der weibliche Hauptrolle seine spätere Frau, Dora Angel. Es geht in dem Roman um einen mit Psychopharmaka ermittelnden Detektiv. Zwischen 1915 und 1918 wurde das Buch nochmals verfilmt, der Film gilt allerdings als verschollen. Soyka gehörte aber nicht nur zu den – sehr streitbaren – Literaten, sondern auch zu den Schachmeistern des Arkadenhofes des Café Central. In dem kleinen Verlag der Wiener Schachzeitung erschien 1930 seine Novelle „Der Schachspieler Jörre“.
Seine Science-Fiction-Geschichte über die synthetische Produktion von Träumen „Die Traumpeitsche“ wurde 1921 in elf Auflagen gedruckt und begeisterte die Kritik. Er war der erste in der SF-Literatur, der sich mit synthetischen Massenbeinflussungsmitteln beschäftigte. Albert Ehrenstein kreierte für Soyka den Titel „Psychosoph“. Sexuelle und moralische Perversionen als Grundthema seiner Schriften, vielleicht auch seine Streitbarkeit begründen aber auch seinen Ruf als Sadist und Homosexueller. Ende der zwanziger Jahre führte er einen Scheidungskrieg mit seiner Frau und gerät in eine prekäre finanzielle Situation. 1933 werden seine Bücher in Deutschland verboten.
1939 gelang ihm die Flucht über Italien nach Marseille. Von September bis November 1939 wurde er von den Franzosen im Lager Villemalard bei Blois angehalten. Anfang Mai 1940 wurde er im Lager Morolles festgehalten, von wo er Mitte Mai flüchten konnte. Mitte 1940 rettete ihm sein Schachspiel das Leben, ein französischer Kommandant und sein Schachpartner streicht ihn von der Deportationsliste. Er gelangte nach Paris, dort wurde er am 11. November 1940 von den Deutschen verhaftet und bis zu 24. Dezember 1940 im Gestapoquartier, dem Gefängnis Maison de la Santé in Paris gefangen gehalten. Seine in den USA lebende Tochter Hedwig (geb. am 21.8.1914) war nicht bereits, die Bürgschaft für ihn zu übernehmen und ließ so die Bemühungen Albert Ehrensteins um ein Affidavit für Soyka scheitern.
Anfang 1949 kehrte er von Paris wieder nach Wien zurück. Zwar versuchte er Publikationsmöglichkeiten u.a. für die Niederschrift seiner Flucht-Erlebnisse, ein Manuskript mit dem Titel „Einer floh vor Hitler“ zu finden. Aber es gelingt ihm nicht, in Wien wieder Fuß zu fassen. Er kann Fortsetzungsromane in der New Yorker Staats-Zeitung und in den Salzburger Nachrichten unterbringen. Allerdings, die Überweisung seines Honorars für seine Romane kommt wegen Devisenmangels nicht zustande.
In seinen letzten Jahren spielte er oft im Café Jägerzeile um ein paar Schillinge Schach. Seine letzte Wohnadresse war der 6. Bezirk, Gumpendorferstraße 11. Von chronischem Hunger und einer Herzkrankheit, die er sich in seinen Exiljahren zugezogen hatte, gequält, starb er am 2. Dezember 1955 nach einem Herzinfarkt in der Straßenbahn, am Ring, unweit des ehemaligen Café Central.
O.SO.I: Dokumente:
O.SO.I/1: Liste 1 des schädlichen und unerwünschten Schrifttums. Stand vom 25.5.1935. Bearbeitet und herausgegeben von der Reichsschrifttumskammer. Gedruckt in der Reichsdruckerei Berlin: „Auf Grund § 7 der Verordnung vom 4.2.1933 wurden … sämtliche Schriften von … Soyka Otto beschlagnahmt und eingezogen“. Kopie >> DÖW – Bibliothek 17973
O.SO.I/2: L.U.: „Erinnerung an Otto Soyka.“ In: Vol. 1, Nr. 10, New York, April 1943. Ein kurzer Nachruf auf O.S., offenbar in der Annahme, dass er in Frankreich ums Leben gekommen ist.
Unterlagen zu den Ansuchen von O.S. um einen Opferausweis und eine Kriegsopferrente:
O.SO.I/3: Bestätigung von Lucy Rohs, dass O.S. gemeinsam mit ihrem Mann mehr als zwei Monate in Frankreich im Lager Villemalard bei Blois inhaftiert war. 10.6.1949, hs, 2 Bl., Kopie
O.SO.I/4: Bestätigung „zum Zwecke der Erlangung einer Kriegsopferrente“ für O.S. von Stadtrat Viktor Matejka. 14.6.1949, ms, 1 Bl., Kopie. Bestätigung, dass O.S., der in den Jahren 1910 bis 1933 eine große Anzahl von Büchern veröffentlichte, nach 1933 kaum mehr und nach 1938 überhaupt nicht mehr veröffentlichen konnte.
O.SO.I/5: Ansuchen von O.S., Wien 2., Taborstraße 8, Central-Hotel, an das Magistratische Bezirksamt, Wien 2 um einen Opferausweis. 23.6.1949, hs, 1 Bl., Kopie
O.SO.I/6: Ermittlungsergebnis des Magistratischen Bezirksamt für Wien 2, 24.6.1949. Formular, hs ausgefüllt, 2 Bl., Kopie
O.SO.I/7: Auszug aus dem Zentralmeldeamt, 28.6.1949
O.SO.I/8: Ansuchen von O.S. an die Opferfürsorge der Gemeinde Wien, die ihm zustehende Haftentschädigung auszuzahlen, 17.11.1952. Hs., 1 Bl., Kopie
O.SO.I/9: Niederschrift der Aussage von O.S. im Referat der Opferfürsorge, 4.12.1953, 1 Bl., Kopie
O.SO.I/10: Bundesministerium für soziale Verwaltung an das Amt der Wiener Landesregierung, Verw.Gr.IV, Abt. 12., 22.12.1953. Betreffend: Anspruchsberechtigung für eine Entschädigung von O.S.
O.SO.I/11: Auszug aus dem Zentralmeldeamt, 21.9.1953
O.SO.I/12: Brief von Dr. Karl Veith, öffentlicher Notar, an den Magistrat der Stadt Wien, Referat Opferfürsorge, 19.1.1956, ms, 1 Bl., Kopie. Bezüglich des Nachlasses von O.S.
O.SO.II: Biographische Beiträge:
O.SO.II/1: Werner Garstenauer: Expressionist und ‚Psychosoph’. Eine Erinnerung an Otto Soyka.“ In: Wiener Zeitung, Extra, 23./24.2.2001, 11
O.SO.II/2: „Die Meriten des Spiels. Die unbekannte Bibliothek, Rares und Rarissima (5): Otto Soykas ‚Der Schachspieler Jörre’.“ In: Der Standard, Album, 18.8.2001, 7
O.SO.III: Werk / Veröffentlichungen:
O.SO.III/1: Die Söhne der Macht. Ein Zukunfts-Detektivroman. S. Fischer-Verlag, Berlin 1911 >> Bibliothek Sammlung Exenberger
O.SO.III/2: Joch der Zeit. Roman. Roman. Verlag Ed. Strache, Wien, Prag, Leipzig 1919 >> Bibliothek Sammlung Exenberger
O.SO.III/3: Begegnungen mit Karl Kraus. In: Die Schau, 1. Jg., Nr. 19/20, Wien Oktober 1953, 9-10 und 21
Werk (Auswahl):
Jenseits der Sittlichkeits Grenze. Ein Beitrag zur Kritik der Moral. 1906. Nachdruck 2010, Kessinger Publishing (US-amerikanischer Verlag, spezialisiert auf Nachdrucke von raren oder vergriffenen Büchern)
Der Seelenschmied. Roman. Verlag E. Keils Nachf. Leipzig, Berlin 1921
Die Traumpeitsche. Roman. Rikola-Verlag, Wien 1921. Neuauflage: Verlag Glöckner, Berlin, Leipzig 1930. Neuausgabe: mit einem Nachwort von Clemens Ruttner, Verlag Suhrkamp, Frankfurt 1995
Eva Morsini, die Frau, die war … Roman. Drei Masken Verlag, 1923
Im Banne der Welle. Roman. Verlag Engelhorn, Stuttgart 1926
Gemeinsam mit Oskar Franz Scheuer: Das Gefühl. Eine sexualpsychologische und physiologische Darstellung der Rolle und Bedeutung des Tastsinnes für das Triebleben des Menschen. Verlag für Kulturforschung, Wien, Leipzig 1930
Der Schachspieler Jörre. Novelle. Verlag der Wiener Schachzeitung, Wien 1930
Der Menschenfilm. Abenteuerroman. Verlag Arthur Cassirer, Berlin o.J. (1931)
O.SO.IV: Literatur / Dokumentation:
„Otto Soyka.“ In: Hans Heinz Hahnl: Vergessene Literaten. Österreichischer Bundesverlag, Wien 1984, 139-142
Murray G. Hall, Gerhard Renner: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren. Zweite Auflage. Verlag Böhlau, Wien, Köln, Weimar 1995
Robert N. Bloch: Otto Soyka – Bibliographie. In: Bibliographisches Lexikon der utopisch-phantastischen Literatur. Corian-Verlag Heinrich Wimmer, Meitingen 1999, 1-16
Siglinde Bolbecher / Konstantin Kaiser (Hg.): Otto Soyka. In: Lexikon der österreichischen Exilliteratur. Verlag Deuticke, Wien 2000
Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft. Hg.: Österreichische Nationalbibliothek. Redaktion: Susanne Blumesberger, Michael Doppelhofer, Gabriele Mauthe. Band 3. Verlag K.G. Sauer, München 2002
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