Dr. Hedwig Rossi
Hedwig Rossi wurde als Tochter des aus Mosocz in Ungarn stammenden Berthold Braun, der in Wien als Ingenieur bei der Nordbahn arbeitete und seiner Frau Hermine, geb. Altmann, geboren. Hermine Braun war Sängerin und trug im Freundeskreis eigene Gedichte und Novellen vor. Hedwig wuchs mit einem Bruder und zwei Schwestern im 13. Bezirk auf. Ihre Mutter starb an Tuberkulose, als Hedwig erst elf Jahre alt war.
Nach der Grundschule besuchte Hedwig das Gymnasium der Eugenie Schwarzwald. Anschließend absolvierte sie ein Gesangstudium an der Musikhochschule. Sie wollte Sängerin werden wie ihre Mutter. Auf Druck ihres Vaters, der auf Grund des frühen Todes seiner Frau befürchtete, seiner Tochter könnte das Singen schaden, verzichtete sie auf eine musikalische Karriere und studierte Philosophie bei Adolph Stöhr an der Universität Wien. Ihre freie Zeit widmete sie der Errichtung von Kriegskinderhorten. Sie promovierte mit der Dissertation „Einfluß des Darwinismus auf die Ethik“. Prof. Stöhr, der von ihrer Dissertation sehr beeindruckt war, hoffte, sie würde die erste weibliche Philosophieprofessorin werden. Eine angebotene Assistenstenstelle lehnte Hedwig Rosssi allerdings ab, weil sie begonnen hatte, Gedichte und Dramen zu schreiben und Mitarbeiterin der Abteilung Literatur der RAVAG war.)
Am 11.6.1915 ist Hedwig Rossi aus der Israelitischen Kultusgemeinschaft ausgetreten. Zu diesem Zeitpunkt war ihr Wohnort der 13. Bezirk, Beckmanngasse. Unmittelbar nach Abschluss ihres Studiums, noch in der Woche ihrer Promotion, im Juni 1915 heiratete sie den Psychologen Dr. Oswald Rossi (1887 – 1978), der protestantischer Konfession war. Sie trat der protestantischen Kirche bei. 1917 kam ihr Sohn Harald zur Welt, der später in den USA Phyiker und Professor für Radiologie wurde.
Hedwig Rossi veröffentlichte Gedichte u.a. in „Der Merker“, „Die Wage“ und in der „Arbeiter-Zeitung“. Sie verfasste Dramen und Schauspiele für die Bühne. Die Arbeiter-Zeitung veröffentliche am 11. März 1923 Szenen aus ihrer Tragödie „Vom letzten Menschen“, die 1921 entstanden ist. Die erste Aufführung eines ihrer Dramen „Sieben Jahre und ein Tag“ fand 1924 im Rahmen des Theater- und Musikfestes der Stadt Wien statt. Ihre Leidenschaft galt dem Theater, ihren Lebensunterhalt verdiente sie mit Beiträgen, u.a. zwei Hörspiele, beim Wiener Rundfunk. Daneben schrieb sie Gedichte, Erzählungen, Feuilletons und Beiträge über Literatur und Theater, mit denen sie bald öffentliche Beachtung erlagte. In der Arbeiter-Zeitung erschienen die meisten ihrer autobiographisch geprägten Kindheitserzählungen, die sie 1949 in dem Band „Das Mädchen Kaja“ zusammenfasste.
Im Dezember 1932 beteiligte sich Hedwig Rossi an einem Preisausschreiben der Arbeiter-Zeitung für die beste Kurzgeschichte. Der erste Preis wurde nicht vergeben, weil keine der eingesandten Arbeiten den Anforderungen vollkommen entsprach. Den zweiten Preis erhielt Veza Canetti. Weitere drei Preise gingen an Else Feldmann, Rudolf Felmayer und an Hedwig Rossi für ihre Erzählung „Besuch bei der Mutter“. Hedwig Rossi war Mitglied der sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Als 1933 die „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“ gegründet wurde, trat sie ihr bei und wurde zur stellvertretenden Schriftsführerin gewählt.
1935 erhielt sie für ihr Voltaire-Stück „Der Fall Calas“ den Julius-Reich-Preis für Literatur. Dieses Drama wurde im April 1937 am Volkstheater in Wien uraufgeführt.
1938 wohnte die Familie Rossi im 3. Bezirk, Erbergerlände 22. Oswald Rossi verließ Österreich im Dezember 1938 und emigrierte in die USA. Im März 1939 gelangte Hedwig Rossi mit Hilfe der Organisation „Gildemeester“, die in Wien eine Auswanderungshilfsaktion für als Juden verfolgte Christen ins Leben gerufen hatte, nach Großbritannien und fand Unterkunft bei einer Familie in Bristol. Nachdem ihr Mann eine Stelle als Dozent für moderne Sprachen am Hobart College, New York bekommen hatte, ließ er seine Frau und seinen Sohn im Sommer 1939 in die USA nachkommen. Ab 1942 unterrichtete Oswald Rossi an der privaten Park School in Baltimore Latein, Spanisch und Deutsch. An der dortigen Theaterwerkstatt der Johns Hopkins University fand Hedwig Rossi Arbeitsmöglichkeiten. Hier wurden auch ihre im Exil entstandenen Dramen „No Final Defeat“ (über Volaires Kampf um die Menschenrechte) und „Vienna Legend“ aufgeführt wurden.
Die Schriftstellerin aus Wien war nicht, wie viele ihrer Kolleginnen im Exil gezwungen, ihre künstlerische Arbeit aufzugeben, um für den Lebensunterhalt ihrer Familie zu sorgen. Aber trotz der festen Anstellung ihres Mannes an der Universität war die Familie immer wieder auf ein zweites Einkommen angewiesen und Hedwig Rossi musste ihre schriftstellerische Tätigkeit mit Gelderwerb verbinden. 1946 erhielten beide Rossis Lehraufträge am Ferris State College in Big Rapids, Michigan. Oswald Rossi lehrte dort Spanisch und Psychologie, Hedwig dramatische Rede, Deutsch und Literatur. Hedwig Rossi übernahm die Leitung des Ferris Little Theatre, später Ferris Playhouse, wo sie gemeinsam mit ihrem Mann mehr als 35 Stücke herausbrachte. Als erstes eigenes Schauspiel von Hedwig Rossi wurde dort 1946 „Vienna Legend“, eine Übersetzung von „Legende am Donaukanal“, das bereits 1934 entstanden war, gespielt. Es wurde eines von Hedwig Rossis am meisten gespielten Stücken. Daneben veröffentlichte sie zahlreiche Kurzgeschichten u.a. in: Arbeiter-Zeitung, Oberösterreichische Nachrichten, Mannheimer Morgen, Die Presse, Berliner Tagblatt und Neue Illustrierte Wochenschau.
Nach 1956 ging das Ehepaar Rossi nach South Nyack, New York, um in der Nähe ihres Sohnes zu leben.
Anässlich der Aufführung ihres Theaterstücks „Meines Vaters Mantel“ 1960 in Guildford, Großbritannien erhielt Hedwig Rossi eine Auszeichnung des „Arts Council of Great Britain“. Für ihre Theaterarbeit mit Studierenden erhielt sie den „First Price of the American Educational Theatre Association“.
Nach dem Tod ihres Mannes 1978 begann Hedwig Rossi mit dem Schreiben eines umfangeichen, autobiographisch geprägten Romans in zwei Teilen, der bisher unveröffentlicht ist. Der erste Teil „Consummation of a Marriage“ beschreibt das Leben in Wien bis1938 und die Emigration nach England. Der zweite Teil „The Assignement of Love“ beschreibt das Leben in den USA und die zahlreichen Probleme, mit denen SchriftstellerInnen im Exilland konfrontiert sind. Hedwig Rossi war bis ins Alter von über 90 Jahren künstlerisch produktiv.
Ihr umfangreicher Nachlass, der u.a. umfangreiche Briefwechsel, Lebensdokumente, Tagebücher, Szenenfotos und zahlreiche veröffentlichte und unveröffentlichte Manuskripte enthält, befindet sich im Exilarchiv der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main.
H.RO.I: Foto:
H.RO.I/1: Portrait von H.R. Kopie aus: Runkfunk, 11. Woche, 12.-18.3.1933
H.RO.II: Dokumente:
H.RO.II/1: Klothilde Benedikt: Hedwig Rossi. Unsere neueste dramatische Dichterin. In: Neues Wiener Tagblatt, 23.9.1924
H.RO.II/2: „Stadttheater.“ Besprechung des Dramas „Sieben Jahre und ein Tag“ von H.R. In: Neues Wiener Journal, 27.9.1924, 11. Gezeichnet mit h.m. (Hermann Menkes)
H.RO.II/3: Ankündigung einer Lesung von H.R.aus eigenen Werken in der Volkshochschule Leopoldstadt. In: Mitteilungen der Volkshochschule Wien Volksheim, 2.Jg., Nr.1, 19.9.1929
H.RO.II/4: „Unser Preisausschreiben“. Über die Preise, die u.a. an H.R. vergeben wurden. In: Arbeiter-Zeitung, 5.3.1933, 17
H.RO.II/5: Ankündigung eines Hörspiels von H.R. am 15.3.1933 im Rundfunk. In: Rundfunk, 11. Woche, 12.-18.3.1933
H.RO.II/6: „Julius Reich-Dichterstiftung“. Über die Vergabe der Preise, die u.a. an H.R. vergeben wurden. In: Neues Wiener Tagblatt, 16.12.1934, 17
H.RO.II/7: Ankündigung eines „Psychologischen Praktikums“ von Prof. Oswald Rossi. In: Volkshochschule Landstraße, Arbeitsplan für das Winterhalbjahr 1935/36
H.RO.II/8: inladungsliste für Veranstaltungen der künstlerischen Arbeitsgemeinschaft des Wiener Volksbildungsvereines (Gerda Matejka-Felden) aus dem Jahre 1937, hs, 1 Blatt, Kopie
H.RO.II/9: „Deutsches Volkstheater. ‚Wer kämpft für Calas?‘ Von Hedwig Rossi.“ Besprechung des Schauspiels von H.R. In: Neue Freie Presse, 27.4.1937, 7
H.RO.II/10: Ankündigung einer Lesung aus eigenen Werken von H.R.: aus dem unveröffentlichten Schauspiel „Legende am Donaukanal“. In: Mitteilungen der Volkshochschule Wien Volksheim, 10.Jg., Nr.9, 17.1.1938, 5
H.RO.II/11: NS-Vermögensverkehrstelle 28254. Verzeichnis über die Dienstbezüge nach dem Stand vom 27. April 1938 des Dr. Oswald Rossi, Arier, verheiratet mit Dr. H.R., jüdisch. 12.7.1938, 4 Bl., Kopie
H.RO.II/12: Larry Martin: „Heddy, Oswald Rossi left mark. In: The Ferris Heritage, Spring 1981
H.RO.II/13: „Hedwig Rossi.“ Nachruf. In: The Journal-News, October 30, 1985
H.RO.II/14: „Professor emeritus Rossi dies at 94.“ Nachruf für H.R.. In: Ferris State College, Nr.12, 14.11.1985
H.RO.II/15: „Prof. em. Rossi ist mit 94 J. gestorben.“ Manuskript, hs, nicht namentlich gezeichnet, 1 Bl.
H.RO.II/16: Erica Kalmer: Hedwig Elisabeth Rossi. Lebensabriß. Manuskript, 1 Bl. Anm.: Kurzbiographie von H.R., die Erica Kalmer Herbert Exenberger im Februar1986 aus London zugesandt hat (siehe Spurensuche)
H.RO.III: Werk / Veröffentlichungen:
H.RO.III/1: Die Weltreise. In: Arbeiter-Zeitung, 19.11.1922, 6f
H.RO.III/2: Dem dunklen Trieb. (Gedicht.) In: Der Merker, 15.1.1923
H.RO.III/3: Der letzte Mensch. Eine Vision. (Szenen.) In: Arbeiter-Zeitung, 11.3.1923, 5f
H.RO.III/4: Die Erkenntnis. In: Arbeiter-Zeitung, 30.5.1923, 8
H.RO.III/5: Eros Thanatos. (Gedicht.) In: Die Wage, 7.7.1923
H.RO.III/6: Begegnung. (Gedicht.) In: Neues Wiener Abendblatt, 13.9.1924
H.RO.III/7: Alltag. (Gedicht.) In: Neues Wiener Abendblatt, 27.9.1924, 5
H.RO.III/8: Ecce homo. (Gedicht.) In: Neues Wiener Abendblatt, 31.1.1925, 5
H.RO.III/9: Kreatur. In: Arbeiter-Zeitung, 11.10.1925, 18
H.RO.III/10: Mahatma Ghandi. In: Arbeiter-Zeitung, 22.1.1926,f
H.RO.III/11: Tolstois Sterben. Szene aus einem Drama von H.R. In: Arbeiter-Zeitung, 9.9.1928, 17f
H.RO.III/12: Vorspiel zu einem Gandhi-Drama. In: Arbeiter-Zeitung, 31.5.1931, 17f
H.RO.III/13: Kaja. In: Arbeiter-Zeitung, 22.8.1931, 7
H.RO.III/14: Sommer am See. In: Arbeiter-Zeitung, 9.6.1932, 7
H.RO.III/15: Die Hummel. In: Arbeiter-Zeitung, 6.8.1932, 7 f
H.RO.III/16: Abenteuer in den Bergen. In: Arbeiter-Zeitung, 18.9.1932, 16f
H.RO.III/17: Lebendige Dichtung (Bühne der Dichtung). In: Bildungsarbeit (Wien), Blätter für sozialistisches Bildungswesen. Nr.10, Oktober 1932, 195
H.RO.III/18: Ein Weihnachtsbrief. Kaja schreibt an ihre Mutter. In: Arbeiter-Zeitung, 25.12.1932, 19f
H.RO.III/19: Besuch bei der Mutter. In: Arbeiter-Zeitung, 5.3.1933, 18f
H.RO.III/20: Angst. In: Arbeiter-Zeitung, 15.4.1933, 6
H.RO.III/21: Bruder Hektor. In: Arbeiter-Zeitung, 2.7.1933, 4
H.RO.III/22: Luftballons. In: Arbeiter-Zeitung, 27.7.1933, 6
H.RO.III/23: Der Kanalstrotter, die Ratte und die Fische seiner Lordschaft. In: Arbeiter-Zeitung, 24.11.1933, 6
H.RO.III/24: Der Besuch. In: Arbeiter-Zeitung, 8.12.1933, 8
H.RO.III/25: Nikola Susitsch bei den Räubern. In: Arbeiter-Zeitung, 21.1.1934, 5
H.RO.III/26: Der Urwalddoktor Albert Schweitzer. In: Neues Wiener Tagblatt, 5.10.1934, 2f
H.RO.III/27: Aus dem fünfaktigen Schauspiel „Der Mann mit dem Calas“ von H.R. In: Neues Wiener Tagblatt, 20.12.1934, 6
H.RO.III/28: Thomas Morus. Geboren am 7.2.1477, gestorben am 7.7.1535. In: Wiener Zeitung, 7.7.1935
H.RO.III/29: Aus einem Tolstoi-Drama. (Zum 25. Todestag.) In. Wiener Zeitung, 17.11.1935
H.RO.III/30: Erste Liebe. In: Wiener Zeitung, 25.12.1935
H.RO.III/31: Luftballone. In: Neues Wiener Tagblatt, 16.5.1937f
H.RO.III/32: Ein Weihnachtsbrief. In: Wiener Zeitung, 24.12.1946
H.RO.III/33: Auf meinem Waldhügel. Gez. mit Heddy E. Rossi. In: Wiener Zeitung, 11.8.1983, 11
H.RO.III/34: Summary of: The Assigment of Love. Abstract von H.R.s Roman-Manuskript „The Assigment of Love“. Manuskript, o.J., 2 Bl., Kopie
H.RO.III/35: Ausführliche Bibliographie in: Eckart Früh: Hedwig Rossi. Spuren und Überbleibsel. Biobibliographische Blätter Nr. 42. Selbstverlag, Wien 2000
H.RO.IV: Spurensuche / Korrespondenz Exenberger:
Briefwechsel Herbert Exenberger mit Erica Kalmer, London, 1983, 1986. 4 Briefe
Herbert Exenberger an Prof. Harald Rossi, Februar 1986
Herbert Exenberger an Wendy Gladstone (granddaughter von H.R.), Februar 1991
Briefwechsel Herbert Exenberger mit Ingrid Walter, 1999. 5 Briefe. Beigefügt einem der Briefe: Brief von Dr. Harald Rossi (Sohn von H.R.) an Ingrid Walter, 5.6.1998
H.RO.V: Literatur / Dokumentation:
John M. Spalek, u.a. (Hg.): Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933. Band 4. Bibliographien. Schriftsteller, Publizisten und Literaturwissenschaftler in den USA. K.G. Sauer Verlag, Bern und München 1994
Siglinde Bolbecher / Konstantin Kaiser (Hg.): Hedwig Rosssi. In: Lexikon der österreichischen Exilliteratur. Verlag Deuticke, Wien 2000
Eckart Früh: Hedwig Rossi. Spuren und Überbleibsel. Biobibliographische Blätter Nr. 42. Selbstverlag, Wien 2000. Geheftete Broschüre.
Ingrid Walter: Hedwig Rossi. Manuskript, 22 Bl., o.J.
Ingrid Walter: „Mein Kopf muß jetzt auf verschiedenen Gleisen laufen“. Die Wiener Schriftstellerin und Dramatikerin Hedwig Rossi im amerikanischen Exil. In: Zwischenwelt, 17.Jg., Nr.4, Dezember 2000, 14-17
UE-HIST - Übung zum Praxisfeld Historische Kommunikationsforschung „Antifaschistische PublizistInnen der Ersten Republik: die Vereinigung Sozialistischer Schriftsteller“
Stefanie Mantsch: Dr. Hedwig Elisabeth Rossi
Bei Fragen kontaktieren Sie bitte Alexander Emanuely (emanuely[a]theodorkramer.at)