Theodor Kramer Gesellschaft

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Autobiografische Texte und Dokumente im Archiv der Theodor Kramer Gesellschaft (TKG)

Inhalt

 

Gefördert durch und

 

Einleitung

Im Kontext der Bemühungen, die schriftlichen Zeugnisse und autobiografischen Texte österreichischer AutorInnen, in denen sich die Erfahrungen von Exil, Widerstand, Verfolgung ab 1933/34 spiegeln, zugänglich zu machen, wurden im Archiv der Theodor Kramer Gesellschaft befindliche unpublizierte autobiografische Zeugnisse gesichtet und verschlagwortet. Erfasst werden konnten allerdings nur jene im weitesten Sinne autobiografischen Materialien, die archivalisch bereits aufbereitet waren. So konnte z.B. der erst im Untersuchungszeitraum 2018/2019 aus Israel eingelangte sehr umfangreiche literarische Nachlass der Familie Kellner/Arnold nicht berücksichtigt werden. (Zugegriffen werden konnte nur auf bereits länger vorhandene Kellner/Arnold-Bestände.) Anzumerken ist, dass das Archiv der TKG durch die Forschungstätigkeit für das Lexikon der österreichischen Exilliteratur, die jahrzehntelange Publikationstätigkeit in der Zeitschrift Mit der Ziehharmonika/Zwischenwelt und die verlegerische Tätigkeit in mehreren Buchreihen sowie durch Schenkungen entstanden ist. Der Schwerpunkt des Archivs liegt auf dem Exil aus Österreich.

Aus Österreich wurden in der Periode 1933 bis 1942 nach vorsichtigen Schätzungen an die 135.000 Menschen vertrieben, bzw. gelang es ihnen, ein meist prekäres Asyl in anderen Ländern zu finden. Ca. 95 % von ihnen flüchteten in den Jahren der NS-Herrschaft in Österreich. Vielfach wurden sie von einem Land in ein anderes gehetzt und von der Verfolgung wieder eingeholt - so u.a. in der Tschechoslowakei, in Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Jugoslawien, Ungarn.

Für die Verfolgten und Exilierten existierten starke Impulse, Zeugnis von ihrem Leben und dem, was ihnen widerfuhr, abzulegen. Zum einen galt es, gegen die Verfolger zu zeugen und ihre Untaten zu belegen. Zum anderen aber versuchten die mit autobiografischer Intention Schreibenden die gewaltigen Brüche ihres Lebens und die Zerstörung der Welt, in der sie aufgewachsen waren, in der Darstellung eines letztlich sinnvollen eigenen Lebens zu kitten.

Nur einem kleinen Teil der Verfolgten war es indes vergönnt, ausführliche Lebenserinnerungen in Ruhe und Gelassenheit zu verfassen. Zu autobiografischen Zeugnissen werden daher Briefe, in denen Freundinnen, Freunden und Verwandten, von denen man jahrleang getrennt war, berichtet wird, wie man sich durchgeschlagen hat, werden Gedichte, die entweder die Tage des Exils und die Eintönigkeit der Lager und Gefängnisse begleiten, oder aber in konzentrierter Form Rechenschaft über Erlebtes ablegen. Auch Tagebücher und vereinzelte Notizen, Material, aus dem in anderen Fällen später vielleicht wohlabgerundete Autobiografien entstehen hätten können, wurden daher für die vorliegende Untersuchung herangezogen.

So finden sich unter den hier erschlossenen Texten und Materialien Memoiren, Erinnerungen, Lebensgeschichtliche Aufzeichnungen von Paula Arnold, Margit Bartfeld-Feller, Bridget Bogard, Daisy Davidow-Bermann, Jolan Dehner, Bruno Frei, Peter Freund, Josef Friedler, Hans Friedmann, Alfred Frisch, Carry Hauser, Karl-Hans Heinz, Ferdinand Kaiser, Leo Katz, Valentin Pollak, Hans Schauder, Robert Schwarz, Willi Sheridan,Irene Spiegel, Gerda Spiegler und Walter Stein;

Lebensläufe von Heinz Carwin, Otto Koenig, Josef Luitpold Stern, Isa Strasser;

Sketchs von Tamar Radzyner;

Radioskripte von Willy Miksch;

Briefe von Fred Bondi, Fritz Brügel, Walter Fischer, Therese Harpner, Gerda Hoffer, Otto Janowitz, Lili Körber, Sophie Leifhelm, Anton Pariser, Josef Luitpold Stern, Ernst Waldinger;

Gedichte von Hugo Abel, Shulamit Arnon, Gottfried Brenner, Hedwig Brenner, Anton Pariser, Armin Verkauf;

Kurzgeschichten von Teddy Arnold, Shulamit Arnon, Fritz Beer, Hedwig Brenner, Karl-Hans Heinz, Gerda Spiegler;

Tage- und Notizbücher von Ilse Mezei, Dorothea Sella;

Interviews mit Hans Ungar.

Im Zuge der vorliegenden Untersuchung konnten auch - so im Falle der Erinnerungen Josef Friedlers - bereits vorhandene Textteile ergänzt und zunächst nicht zuordenbare Manuskripte - wie im Falle Jolan Dehner - kontextualisiert werden.

Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass die Entzifferung des vielfach nur handschriftlich überlieferten Materials und die Transkription von Texten überhaupt mit einem erheblichen Audwand verbunden waren.

Neben und mit der Erfassung der Bestände im Archiv der TKG ging es auch darum, Anregungen für künftige Publikationen zu finden, bzw. eine erste Publikation von Selbstzeugnissen von in österreichischen Exilorganisationen tätigen Widerstandskämpfern in Frankreich in kommentierter Form vorzubereiten - die Texte von Josef Friedler, Alfred Frisch, Anton Pariser, Irene Spiegel und Walter Stein erscheinen in der Zeitschrift Zwischenwelt (Wien) Nr. 2/2020. Weitere Publikationen, zunächst aus den Tamar Radzyner, Stephan Pollatschek/Gerda Hoffer- und dem Keller/Arnold-Nachlässen, sind in Vorbereitung.

Ein weiteres Ziel des vorliegenden Projekts war, eine Verschlagwortung autobiografischer Texte und Materialien des Exils, der Verfolgung und des Widerstandes zu versuchen in Hinblick auf eine Topographie des Exils und das Erfassen von für das Exil charakteristischen Situationen und Ereignissen wie z.B. die schmerzlichen Erfahrungen verschiedener Lageraufenthalte.

Die Intention dabei war zum einen, Aufzeichnungen des Exils besser als bisher für die zeitgeschichtliche Forschung zugänglich zu machen, denn, abgesehen davon, dass die lebendige Schilderung des Geschehenen durch die Betroffenen das Bild der historischen Ereignisse ungemein bereichert, findet sich sehr vieles über den illegalen Widerstand verständlicher- und wohl auch glücklicherweise nicht in Polizei- und Gerichtsarchiven. In vielen Fällen sind die Berichte von Flüchtlingen und WiderstandkämpferInnen daher die einzig vorhandene Quelle.

Zu etlichen Episoden in den Lagern und im Widerstand liegen sich thematisch und zeitlich überschneidende Berichte vor, so von der österreichischen Holzfällergruppe in den Hautes Pyrénées. Es entstehen dadurch kollektivbiografische Aspekte, die 2020 zusammen mit der Publikation der Erinnerungen von Irene Spiegel dokumentiert werden sollen. Auf diesem Gebiet wird die Verschlagwortung der Texte sicher zur Entdeckung vieler weiterer kollektivbiografisch erörterbarer Situationen führen.

Die vorliegende Untersuchung kann für eine definitive Studie zur Verschlagwortung der Autobiografien des Exils nur eine erste Annäherung bieten, zumal zu der Thematik bisher nicht einmal Forschungsliteratur von dritter Seite existiert. Es wären für eine solche Topographisierung der Exilerinnerungen vor allem auch die bereits veröffentlichten Autobiografien und autobiografischen Zeugnisse heranzuziehen. Allein im "Lexikon der österreichischen Exilliteratur" (Wien 2000) finden sich diesbezüglich über 120 Einträge, wobei dort die Berücksichtigung autobiografischer Schriften auf jene von SchrifstellerInnen eingeschränkt ist. D.h., es ginge in einem nächsten Schritt darum, den Literaturcorpus zu erfassen und parallel dazu in interdisziplinärer Diskussion die Frage der Verschlagwortung zu klären, für die in der vorliegenden Studie nur ein Vorschlag gemacht werden kann.

 

Zum Projekt
Das Projekt "Zur Biographik und Autobiographik von Verfolgung, Widerstand und Exil: Sichtung und Bearbeitung eines Bestandes an unveröffentlichten Dokumenten österreichischer Exilierter" wurde aus Mitteln der Magistratsabteilung 7 – Kultur, Wissenschafts- und Forschungsförderung der Stadt Wien finanziert und am Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung (Forschungsbereich Kulturelles Erbe: Biographik und Editionen) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften durchgeführt.

Projektleiterin: Mag. Dr. Irene Nawrocka; Projektmitarbeiterin: Mag. Katrin Sippel, MA (KS). Durchführungszeitraum: 1. Juni 2018 – 31. Juli 2019.

MitarbeiterInnen seitens der TKG: Mag. Dr. Alexander Emanuely (AE), Dr. Konstantin Kaiser, Mag. Corina Prochazka (CP).

Von der Redaktion der Zeitschrift "Zwischenwelt" wurden die zwei kurzen Biografien über Fritz Brügel und Lili Körber von Dr. Brigitte Lehmann und ein biografischer Essay Evelyn Adunkas über Dorothea Sella zur Verfügung gestellt, seitens der TKG ein Essay Konstantin Kaisers über Otto Koenig.

Dem Projekt ging die internationale Konferenz "Zur Biographik und Autobiographik von Exil, Widerstand und Verfolgung" am Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung in Kooperation mit der Theodor Kramer Gesellschaft und dem Haus der Geschichte Österreich im November 2017 voraus.

Ziel des Projekts war es, aus dem Archivbestand der Theodor Kramer Gesellschaft ausgewählte unveröffentlichte (auto-)biografische Texte und Dokumente von Personen, die aus Österreich vertrieben wurden oder im Widerstand bzw. von Isolation, Verfolgung, Deportation betroffen waren, online zugänglich zu machen. In den meisten Fällen werden jedoch aus urheberrechtlichen Gründen nur faksimilierte Auszüge oder Textproben aufzurufen sein. Eine Abklärung und Abgeltung von Urheberrechten war im gegenständlichen Forschungsprojekt nicht vorgesehen. Um den vollständigen Beitrag zu erhalten, möge man sich an die MitarbeiterInnen der TKG wenden (office[a]theodorkramer.at), die je nach Sachlage weiterzuhelfen versuchen werden. Bekanntzugeben sind Verwendungszweck und Forschungseinrichtung, bzw. -projekt.

 

 

Verschlagwortung

Die ausgewählten Texte und Dokumente wurden durch Kurzbiografien, welche vor allem zum Verständnis beitragen sollen, ergänzt und nach folgenden Schlagworten inhaltlich erschlossen (nicht immer konnten alle Punkte geklärt werden):

AutorIn, Pseudonym
Lebensdaten

Kurzbiografie

  • Verweis auf Lexika, biografische Aufsätze, die Verwendung fanden

#1 Geographische Herkunft 
#2 Soziale Herkunft 
#3 Ausbildung(en), Beruf(e) 
#4 Fluchtgrund, Verfolgungsgrund
#5 Emigration/Flucht, Exilländer, -orte
#6 Tätigkeit im Widerstand/Exil
#7 Rückkehr/Heimkehr 
#8 politische, kulturelle, religiöse, soziale Vernetzungen 
#9 Veröffentlichungen in der Zeitschrift Mit der Ziehharmonika (MdZ), bzw. Zwischenwelt (ZW) oder im Verlag der TKG

  • [Texte, Dokumente, Titel]

#10 Textsorte, Dokument 
#11 Sprache 
#12 Form der Überlieferung 
#13 Aufbewahrungsort
#14 Form: Manuskript, Typoskript; Umfang 
#15 Entstehungszeit 
#16 Inhalt
#17 AdressatInnen
#18 geplante Publikation

Kurzbeschreibung des Textes mit Begründung für die Auswahl

 

AutorInnen

A

Hugo Abel, Paula Arnold, Teddy Arnold, Shulamit Arnon

B

Margaret Bartfeld-Feller, Fritz Beer, Bridget Bogard, Fred Bondi, Gottfried Brenner, Hedwig Brenner, Fritz Brügel

C

Heinz Carwin

D

Daisy Davidow-Berman, Jolan Dehner

F

Walter Fischer, Bruno Frei, Peter Freund, Josef Friedler, Hans Friedmann, Alfred Frisch

H

Therese Harpner, Carry Hauser, Karl-Hans Heinz, Gerda Hoffer

J

Otto Janowitz

K

Leo Katz, Ferdinand Kaiser, Otto Koenig, Lili Körber,

L

Sophie Leifhelm

M

Ilse Mezei, Willy Miksch

P

Anton Pariser, Valentin Pollak,

R

Tamar Radzyner,

S

Hans Schauder, Robert Schwarz, Dorothea Sella, Willi Sheridan, Irene Spiegel, Gerda Spiegler, Walter Stein, Josef Luitpold Stern,Isa Strasser

U

Hans Ungar

V

Armin Verkauf

W

Ernst Waldinger


Hugo Abel

Geboren in Wien, 17. 1. 1906; gestorben in Wien, 4. 6. 1961 (Suizid)

Hugo Abel wuchs als Sohn des Budapesters Julius Abel (1875-1934) und der Wienerin Katharina (geb. Melka, 1876-?) in Wien, in den Bezirken Hietzing und Penzing, auf. Neben einer Ausbildung zum Fotografen ging er diversen Hilfsarbeiten nach und arbeitete u.a. in Wien als Büroangestellter und in den Niederlanden als Maschinstricker, als Straßenmusikant, Vertreter, Zettelausträger. In Wien besuchte er Kurse im Volksheim Ottakring. Von 1936 bis 1938 leitete er die "Konzertdirektion Maria Pokorny". In erster Ehe war er mit der Wiener Sängerin Gisa Blatt verheiratet, die am "Neuen Wiener Konservatorium" in der Klasse Lunzer studiert hatte. Am 18. April 1936 trat Gisa Blatt bei einer Rezitation der Lyrikerin Lisl Hirschfeld (eigentlich Alice Hirschfeld) auf, das Arrangement übernahm Hugo Abel. Gisa Blatt-Abel wurde nach 1938 rassistisch verfolgt und in Polen ermordet, wo und wann ist bis heute nicht bekannt (THE CENTRAL DATABASE OF SHOAH VICTIMS' NAMES). In zweiter Ehe heiratete Hugo Abel am 25.11.1937 Maria Pokorny, Tochter der Inhaberin der Konzertagentur. Am 7.9.1938 kam die Tochter Renée zur Welt. Im Krystall-Verlag erschien 1937 Hugo Abels erster Gedichtband "Das Antlitz des Lebens". Für die Organisation der "Autorenabende" des Verlags gab es seit 1936 eine Kooperation mit der "Konzertdirektion Maria Pokorny". Am 9.9.1936 wurden die DichterInnen Rudolf Felmayer, Lisl Hirschfeld und Rudolf Geist präsentiert (Der Wiener Tag vom 4.9.1936, 12, ANNO) und am 13.11.1936 die bald als Nazi hervortretenden Autoren Bruno Brehm und Josef Weinheber, nebst dem engagierten Sozialdemokraten Hans Leifhelm.

Seiner Frau Maria widmete Hugo Abel Weihnachten 1938 einige Gedichte. Eines dieser sehr privaten Gedichte handelt von der Zwangsräumung der Wohnung, was auf eine schwierige finanzielle Lage im Jahr 1938 schließen lässt. Noch 1938 erschien ein Gedichtband im "Saturn-Verlag". 1939 schenkte er seiner Frau erneut eine Sammlung von Gedichten unter dem Titel "Kleine Lieder für meine Frau".

Am 15. April 1940 wurde Hugo Abel zum Militär eingezogen. Aus dieser Zeit stammen zwei nicht publizierte Gedichtsammlungen, "Gedichte und lyrische Entwürfe 1940" und "Der müde Soldat". Auch verfasste er Gedichte für seine Tochter, die er ihr 1941 schenkte. Er desertierte, flüchtete und schloss sich 1944 der "Roten Armee" an. Nach der Befreiung kehrte Hugo Abel nach Wien zurück. 1945 schrieb er das Gedicht "Anlässlich meiner Heimkehr 1945" für seine "Liebe Frau", zu diesem Zeitpunkt noch Maria Abel. Doch im Oktober 1946 übersiedelte er zu einem Herrn Ing. Hans Enk und heiratete Lore Enk.

Hugo Abel arbeitete für die Briefzensurstelle der Alliierten und begann auch wieder Lyrik zu publizieren, zuerst in KPÖ-nahen Zeitschriften, 1949 erschien der Gedichtband "Ernte der Jugend". Auch nahm er das Arrangement von Großveranstaltungen wieder auf, meist für den 1946 gegründeten Verein "Kulturheim Wien-West" in Rudolfsheim, so die "Lenin-Rosa Luxemburg-Karl Liebknecht-Feier" am 17. Jänner 1947 (Österreichische Volksstimme vom 18. Jänner 1947,4, ANNO). 1951 erschien, finanziert durch die Arbeiter und Angestellten der Brunner Glasfabrik, im Globus-Verlag sein Gedichtband "Es steht ein Kreuz im Niemandsland". Der Lyrikband, welcher Gedichte u.a. aus "Der müde Soldat" umfasst, wurde in der KPÖ-nahen Presse nicht nur als Werk eines Arbeiterdichters und als poetisches Friedens-Manifest beworben, sondern auch als erste von Arbeitern erteilte Auftragsarbeit an Kulturschaffende. Am 4. September 1961 verübte Hugo Abel Selbstmord.

 

  • Hans-Gert Roloff: Die Deutsche Literatur: Die Deutsche Literatur von 1890 bis 1990. Bern, Berlin, Frankfurt a.M., New York, Paris, Wien 1991, 21
  • Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser (Hg.): Lexikon der österreichischen Exilliteratur. Wien 2000, 23f

 

#1 Wien 

#2 Mittelstand 

#3 Ausbildung zum Fotografen, Tätigkeiten als Büroangestellter, Arbeiter, Musiker, Vertreter, Musikmanager, Lyriker
#4 Politisch motivierte Desertion 

#5 1944 desertiert zu den Alliierten (Rote Armee), Exil in der Sowjetunion
#6 Radioarbeit gegen NS-Regime für die Alliierten

#7 Zurück nach Österreich 1945
#8 KPÖ, Kulturheim Wien-West

#9

 

Weihnachten 1938

 

#10 Gedichte 

#11 Deutsch 

#12 1998 von Hugo Abels Tochter übergeben 

#13 Archiv der TKG  

#14 Typoskripte (Schreibmaschine) in Kopie, 17 Seiten 

#15 1938 

#16 Leben im Jahr 1938 

#17 Für Maria Abel

#18

 

Gedichte und lyrische Entwürfe 1940

 

#10 Gedichte 
#11 Deutsch 
#12 1998 von Hugo Abels Tochter übergeben 
#13 Archiv der TKG  
#14 Typoskripte (Schreibmaschine) in Kopie, 36 Seiten 
#15 1940
#16 Leben als Rekrut in Ausbildung
#17 Für Maria Abel
#18 Teilweise publiziert


Der müde Soldat

    #10 Gedichte 
    #11 Deutsch 
    #12 1998 von Hugo Abels Tochter übergeben 
    #13 Archiv der TKG  
    #14 Typoskripte (Schreibmaschine) in Kopie, 38 Seiten 
    #15 ca. 1941
    #16 Krieg, Leid der Bevölkerung, Verbrechen der Soldaten
    #17
    #18 Teilweise publiziert

     

    #10 Gedicht
    #11 Deutsch 
    #12 1998 von Hugo Abels Tochter übergeben 
    #13 Archiv der TKG  
    #14 Typoskripte (Schreibmaschine) in Kopie, 1 Seite 
    #15 1945
    #16 Trauer und Freude
    #17 Für Maria Abel
    #18


    Von Hugo Abel liegen nach derzeitigem Wissensstand nur seine Gedichte als autobiografische Zeugnisse vor. In der umfangreichen Sammlung von Abels Gedichten im Archiv der TKG kann ein großer Teil als autobiografisch motiviert und intendiert angesehen werden. In den hier zugänglich gemachten Proben seiner Arbeit lässt sich die Dramatik seines Schicksals als gezwungenes Mitglied der deutschen Wehrmacht nachvollziehen und damit auch Abels letztliche Entscheidung zur Desertion und zum Überlaufen zur "Roten Armee". Interessant scheinen hier auch die Beobachtungen des Verhaltens anderer Soldaten und Vorgesetzter sowie die in Ansätzen vorhandenen Schilderungen der Misere des militärischen Alltags. Abel erlebt den Kriegsdienst als traumatisierend und dokumentiert dies auch. Die Gedichte an seine Ehefrau Maria aus dem Jahr 1938 und 1945 bilden die Klammer, da in ihnen die Zeit des beginnenden Terrors und dessen Ende thematisiert werden.

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    Paula Arnold, geborene Kellner

    Geboren in Wien, 18. 2. 1885; gestorben in Binyamina (Israel), 5. 9. 1968

    Paula Arnold wuchs als Tochter des berühmten Anglisten, Mitarbeiters Theodor Herzls und Redakteurs der “Welt” Leon Kellner in Wien auf. Sie studierte Germanistik und Anglistik an der Universität Wien sowie an der Pädagogischen Hochschule für Mädchen. 1905 promovierte sie mit einer Dissertation über die Theorie der Lyrik in ihrer englischen Terminologie. Danach unterrichtete sie am Wiener Chajes-Realgymnasium Englisch und arbeitete als literarische Übersetzerin - u.a. von W.B.Maxell und John Owen - für den Zsolnay Verlag. Ihren Vater unterstützte sie bei der Arbeit an seinen Büchern “Austria of the Austrians” und “Complete Hebrew-English Dictionary”. 1911 hatte die Familie ein Grundstück in Kfar Saba in Palästina erworben. 1933 wanderte sie, wie ihr einziger Bruder Viktor kurz zuvor, dorthin aus, wo sie zusammen mit ihrem Mann, dem Rechtsanwalt Max Arnold, in Benjamina (Binyamina) lebte. Sie arbeitete als Rezensentin und Feuilletonistin für das "MB" (Mitteilungsblatt - Irgun Olej Merkaz Eropa), den "Manchester Guardian", "The Contemporary Review", "The Cornhill Magazine", "The Jerusalem Post" und "The Baltimore Sun". 1958 und 1960 übersetzte sie zwei Bücher über die Flora Israels von Seév Berlinger und Brakha Avigad aus dem Hebräischen ins Englische. 1959 veröffentlichte sie im "Herzl Yearbook" einen ausführlichen englischsprachigen Aufsatz über ihren Vater. Ihre Erinnerungen blieben unveröffentlicht und befinden sich im Archiv der TKG; ein Auszug erschien 2002 in ZW.

    Sie verstarb 1968 in Israel. (TKG/AE)

     

    • Susanne Blumesberger, Michael Doppelhofer, Gabriele Mauthe (Red.): Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft. 18. bis 20. Jahrhundert. Band 1. A-I. 1-4541. München 2002, 287f

    #1 Wien 
    #2 Mittelstand, Vater Leon Kellner war Universitätsprofessor für Anglistik, Mitstreiter Theodor Herzls 
    #3 Studium der Germanistik und Anglistik in Wien und London, Pädagogische Hochschule für Mädchen. Lehrerin am Chajes-Realgymnasium in Wien, Übersetzerin, Journalistin
    #4 Alija
    #5 Legale Auswanderung 1933 nach Palästina, Binyamina (Palästina/Israel) 
    #6 Übersetzerin, Journalistin
    #7 Keine Rückkehr
    #8 Zionistin, SchriftstellerInnen, Redaktionen
    #9 Paula Arnold: Auszug aus Streiflichter – Bruchstücke aus einem Memoirenwerk. In: ZW 19. Jg. Nr.1/2002, 36–38.

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung 
    #11 Deutsch 
    #12 2008 von Evelyn Adunka übergeben 
    #13 Archiv der TKG
    #14 Typoskript (Schreibmaschine), 22 Seiten 
    #15 laut Enkelin Daphna Amit 1968 
    #16 Alija 1933, die ersten Spaziergänge in der neuen Heimat, das erste bewohnte Häuschen mitsamt seinen Skorpionen und Tausendfüßlern. Die Reparatur der Füllfeder in Haifa.
    #17 Familie
    #18 Publikation von Autorin intendiert

    Es werden die unterschiedlichen Mentalitäten von Alteingesessenen und Neuankömmlingen, die Anfeindungen durch Araber, die Unruhen, der Besuch von Richard Beer-Hoffmann, das Leben während des Weltkriegs und des Befreiungskrieges beschrieben.

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    Teddy Arnold

    Geboren in Wien 10. 8. 1914; gestorben in Binyamina (Israel), 28. 2. 2002

    Teddy Arnold war der Sohn Paula Arnolds. In Wien geboren, wanderte er 1933 mit seinen Eltern ins Mandatsgebiet Palästina aus. Nach einer Zeit als Inhaber einer Autowerkstatt wurde er Reiseführer. Er veröffentlichte 1981 den Gedichtband "Design problem and other poems". Er war Mitglied der "Voices Group of Poets in English". 

    #1 Wien 
    #2 Mittelstand, Eltern Paula Arnold und Rechtsanwalt Max Arnold 
    #3 Schule, LKW-Fahrer, Mechaniker, Inhaber einer VW-Werkstatt 
    #4 Alija
    #5 Emigration nach Palästina 1933, Sadot, Kibbuz (Palästina/Israel)

    #6 Arbeit im Kibbuz
    #7 Keine Rückkehr
    #8 Hashomer Hatzair, Kibbuz

    #9 Teddy Arnold: Aus einem gewöhnlichen Leben (aus dem Englischen von Daniel Müller). In: ZW 31. Jg. Nr.4/2014, 8-9; Das Haus am Pu-Eck (Gedicht, aus dem Englischen von Daniel Müller). In: ZW 31. Jg. Nr.4/2014, 9-10.

    #10 Kurzgeschichten 
    #11 Englisch 
    #12 2005 über Vermittlung von Evelyn Adunka 
    #13 Archiv der TKG (Unbearbeiteter Nachlass) 
    #14 Typoskripte (Schreibmaschine), Manuskripte (Kugelschreiber) 
    #15 undatiert
    #16 Erste Zeit im Kibbuz, Sechstage Krieg
    #17
    #18 Publikation vom Autor intendiert

    Common Sense: Bericht über eine "stahlharte" Bürokratie schon 15 Jahre vor der Gründung des Staates Israel. Teddy Arnold wünscht sich, in einem Kibbuz arbeiten zu dürfen. Trifft im Kibbuz in Hadera ein. Erste Eindrücke des Lebens im Kibbuz. The Chicken in the Egg: Der Tag nach dem Sechstagekrieg. Alle vier Kinder sind im Krieg. Bericht über die Grausamkeit des Krieges, dass nach dem Fund von zwei brutal ermordeten israelischen Piloten aus der Einheit eines jungen Mannes, den Teddy trifft, keine Gefangenen mehr gemacht wurden. The Vanished Craft: Besucht mit seiner Frau nach 50 Jahren den Wolfgangsee in Österreich. Erinnert sich an den letzten Besuch mit den Eltern vor 51 Jahren.

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    Shulamit Arnon, geborene Rahel Shulamit Schlossberg

    Geboren in Königsberg, 1929

    Shulamit Arnon, geboren 1929 in Königsberg, wuchs zum größten Teil in Berlin auf und flüchtete Anfang 1939 mit ihrer Familie nach Palästina, wo sie im Februar ankam. Sie lebte zuerst in Tel Aviv und absolvierte ein Studium am Lehrerseminar Levinsky. Danach war sie von 1950 bis 1960 Mitglied des Kibbuz' Jechaim bei Naharya. Ab 1960 arbeitete sie als Lehrerin für Hebräisch in einer Sprachschule für Akademiker in Jerusalem. Von 1960 bis 1983 war sie freie Mitarbeiterin von Radio Israel (Kol Israel), schrieb Hörspiele und arbeitete für den Rundfunk in Israel und Deutschland (NDR und SDR). Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit war sie Übersetzerin und bearbeitete Kinderbücher. Sie lebt in Bet-Schemesch in Israel. Buchveröffentlichungen: Zwischen Tradition und Wagnis. Frauen aus Israel erzählen (1984); Die gläserne Brücke (Roman; Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch 1989) (AE)

     

    • Kurzbiografie in: ZW 21.Jg. Nr.1/2004, 21

    #1 Königsberg, Ostpreußen 
    #2 Mittelstand, Eltern waren beide promoviert 
    #3 Abitur, Lehrerausbildung. Tätigkeiten als Lehrerin, Radiomacherin, Übersetzerin, Schriftstellerin
    #4 rassistisch verfolgt 
    #5 1939 Palästina, Tel Aviv, Wilhelma, Petach-Tikwa, Kibbuz Jechiam, Jerusalem, Givat-Sharet (Palästina/ Israel)
    #6 Kibbuz
    #7 Keine Rückkehr

    #8 Private Kontakte, ab 1960 Radiojournalistin
    #9 Shulamit Arnon: Wir sind Cousinen – über Lea Rabin. In: ZW 12.Jg. Nr.4/1995 , 36f.; „Es gibt Zeiten, in denen man welkt“. Käthe Vordtriedes Buch „Mein Leben in Deutschland vor und nach 1933“. In: ZW 17.Jg. Nr.4/2000, 36f; Gedichte. In: ZW 19.Jg. Nr.1/2002, 41; Gedichte. In : ZW 21.Jg. Nr.1/2004, 21

    Kurzgeschichte

    Gedichte

    #10 Kapitel aus den Memoiren , Gedichte
    #11 Deutsch 
    #12 übermittelt von der Autorin 
    #13 Archiv der TKG
    #14 Typoskripte (Computer) 
    #15 Kapitel aus "Die Kindheit einer grauen Maus" ca. 2000; Gedichte "Es ist wieder das Land" im Oktober 1999, "Mit letztem Schiff" im Oktober 2002 
    #16 Die Alija eines Kindes aus Deutschland
    #17
    #18 Publikation von Autorin intendiert

    In dem Kapitel aus "Die Kindheit einer grauen Maus" schildert Shulamit Arnon die Zeit nach ihrer Ankunft in Palästina und ihre Einschulung. Sie erzählt von ihrem Lehrer M. Blich, der nicht nur große Schwierigkeiten mit der Schülerin Schlossberg aus Deutschland hatte, sondern auch eine Affäre mit einer Kollegin, der Mutter des Jahrzehnte später bekannten israelischen Schriftstellers Yoram Kaniuk. In "Es ist wieder das Land" schreibt sie über Deutschland, welches die Eltern verbannte, die Väter verbrannte, und über den "unerträglichen Gedanken" Deutschland könnte Heimat sein. "Mit letztem Schiff" erzählt sie von der Flucht, die im letzten Moment erfolgte und darüber, was alles verloren ging.

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    Margaret Bartfeld-Feller

    Geboren in Czernowitz, 21. 3. 1923

    Margit Bartfeld-Feller wird 1923 in Czernowitz geboren. 1941 erfolgt die Deportation der Familie nach Sibirien, der Vater stirbt nach wenigen Monaten den Hungertod. Nach 1945 verbessert sich die Lebenssituation etwas, 1948 folgt die Heirat mit Kurt Feller. Margit Bartfeld-Feller arbeitet für dreißig Jahre als Musiklehrerin in Tomsk. 1990 emigriert sie nach Israel, Tel Aviv wird die neue Heimatstadt der Autorin, die hier auch auf Deutsch zu schreiben beginnt. Schreibend beschwört sie die versunkene kulturelle Welt ihrer Heimatstadt Czernowitz und legt in ihren autobiografischen Texten ebenso Zeugnis über das Leben im sowjetischen Sibirien ab. Theodor Kramer-Preisträgerin 2013. Werke (alle herausgegeben von Erhard Roy Wiehn im Hartung-Gorre-Verlag Konstanz): "Dennoch Mensch geblieben“ (1996), "Nicht ins Nichts gespannt“ (1998), "Wie aus ganz andern Welten“ (2000), "Am östlichen Fenster“ (2002), "Unverloren“ (2005), "Erinnerungswunde“ (2007), "Aschenblumen“ (Photodokumentation, 2008), "Mama Cilly“ (2009), "Nachhall" (2011), "Selma Meerbaum-Eisinger" (Mithg., 2013), "Von dort bis heute" (2015), "Mein Bruder Othmar (Otti) Bartfeld" (2017) (TKG/AE)

    #1 Czernowitz, Bukowina 
    #2 Mittelstand
    #3 Musiklehrerin in einem Tomsker Kinderheim, Schriftstellerin 

    #4 1941 Krieg, 1990 Alija
    #5 Deportation nach Sibirien 1941, Emigration nach Israel 1990,
    Tomsk (Sowjetunion), Tel Aviv (Israel)
    #6 Musiklehrerin, Schriftstellerin
    #7

    #8
    #9 Margit Bartfeld-Feller: Freund Zopzebé - ein Märchen im Frost. In: ZW 17.Jg. Nr.3/2000, 47f.; Im Zeichen des "Maiglöckchens". In: ZW 19.Jg. 3/2002, 48; Ein Akkord in tiefer Terz (S.Meerbaum-Eisinger). In: ZW 20.Jg. Nr. 4/2003, 57f.; Der Weg zum Edelweiß. In: ZW 26.Jg. 3-4/2009, 28f.; Der Rettichmann. In: ZW 27.Jg. Nr. 3/2010, 49; Ilana (I. Shmueli). In: ZW 28.Jg. 4/2011, 18; Komm Nadelstich. Erinnerung an Siglinde (Abschied von Siglinde Bolbecher). In: ZW 29.Jg. Nr.3/2012, 13f

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung 
    #11 Deutsch 
    #12 übermittelt von der Autorin 
    #13 Archiv der TKG
    #14 Typoskript (Computer), 1 Seite 
    #15 2000er-Jahre 
    #16 Gedanken am Jom haSikaron
    #17
    #18 Publikation von Autorin intendiert

    Beobachtungen des Straßengeschehens am Jom haSikaron am 4. des Monats Ijjar, dem "Gedenktag für die Gefallenen der Feldzüge Israels und die Opfer der Akte des Hasses". Gedanken an Deportation, Sibirien, Czernowitz und den Lebenswillen trotz "schwer Erlebtem".

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    Fritz Beer

    Geboren in Brno, 25. 8. 1911; gestorben in London, 2. 9. 2006

    Fritz Beer war ab 1930 Parteifunktionär der KP in Prag und arbeitete zugleich als Autor der parteinahen bzw. antifaschistischen Publikationen „Gegen-Angriff“, „Rote Fahne“, „Volksillustrierte“ und „Arbeiter Illustrierte Zeitung“. 1934 erhielt er den Literaturpreis des Moskauer Verlags für Ausländische Literatur. Während seines Militärdienstes ab 1936 versuchte er vergeblich zu desertieren, um sich in Spanien der Internationalen Brigade anzuschließen. Bis 1939 leitete er in Brno die Kulturorganisation „Linksfront“. Versteckt in einem Güterwagen gelang ihm im März 1939 die Flucht über Polen nach Großbritannien. In London war er Mitarbeiter des „Czech Trust Fonds“ und betreute österreichische und deutsche Schriftsteller. 1940 heiratete er Ursula Rosemary Davidson. Er meldete sich freiwillig zur tschechischen Auslandsarmee in Frankreich, im Mai 1940 wurde er zurück nach Großbritannien evakuiert und zur Küstenverteidigung eingesetzt. Er gehörte auch jenen Einheiten an, die ab 1944 Dünkirchen belagerten. Er publizierte mehrere Erzählungen auf Englisch und erhielt 1941 den Literaturpreis der „Zeitung“. Ab 1946 Mitarbeiter der BBC. Ab 1954 Korrespondent verschiedener deutscher Zeitungen in London (darunter „Neue Ruhr Zeitung“). In den späten 1970er-Jahren stand er der „Foreign Press Association“ vor. 1979 erhielt er die hohe britische Auszeichnung „Order of the British Empire“, 1988 wurde er Präsident des „P.E.N.-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland“.

    • Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser (Hg.): Lexikon der österreichischen Exilliteratur. Wien 2000, 71f

    #1 Brno, Mähren 
    #2 Mittelstand 
    #3 Gymnasium Brno. Tätigkeit als Journalist 
    #4 Rassistisch und politisch verfolgt (KP-Mitglied bis zum Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspakt) 
    #5 Illegale Flucht nach Polen. Im März 1939 Polen, dann Großbritannien, Krieg in Westeuropa
    #6 1940–1944 tschechische Auslandsarmee, Einsätze in Frankreich und Großbritannien (Küstenverteidigung) 
    #7 Keine Rückkehr
    #8 Armee, „Czech Trust Fonds“, „Foreign Press Association“, „P.E.N.-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland“
    #9 Fritz Beer: Mehr als ich erwarten durfte. In: MdZ 9.Jg. Nr.2/1992, 5f; London, 15.10.1995. In: MdZ 12.Jg. 4/1995, 44; Ich will mich nicht erinnern. Brief an eine Freundin. In: MdZ 15.Jg. 3/1998, 16f; London, 23.4.1998. In: MdZ 15.Jg. 3/1998, 55; Zu "Statt eines Editorials. Eine aktuelle Anmerkung über Literatur und Widerstand von K.K., ZW Nr. 1/2000. In: ZW 18.Jg. 2/2000, 88

    #10 Kurzgeschichten 
    #11 Deutsch 
    #12 2001 übermittelt vom Autor an Konstantin Kaiser und Siglinde Bolbecher
    #13 Archiv der TKG 
    #14 Typoskripte (Schreibmaschine), 4 bzw. 6 Seiten 
    #15 vor 2001
    #16 Erfahrung mit Unverständnis für ein Exilschicksal 
    #17
    #18 Publikation vom Autor intendiert

    Im April 2001 schickte Fritz Beer die autobiografischen Essays "Kaddisch für meinen Vater", "Ich will mich nicht erinnern", "Ein Versicherungsprüfer" und "Henrys Begräbnis" zur Veröffentlichung an die Redaktion von MdZ. Während Kaddisch bald in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" publiziert wurde, erschien in MdZ "Ich will mich nicht erinnern". In "Ein Versicherungsprüfer" beschreibt Fritz Beer die Situation, als ihn der Arzt einer Versicherungsgesellschaft über seine Familie ausfragt, und als Antwort erhält, dass alle wie der Vater "umgekommen" seien, ihr "Leben im Lager verloren" hätten. Der englische Arzt kann oder will nicht verstehen, bzw. passen die Antworten nicht in den Fragebogen, der erfassen soll, welche potenziell vererbbaren Krankheiten es in der Familie gibt. Im Zuge der Befragung wird Fritz Beer wieder einmal bewusst, dass er der einzige Überlebende seiner Familie ist, und, dass er und seine Frau völlig anders leben als alle anderen Menschen, die sie kennen, dass bei ihnen keine Schulfotos am Kamin stehen, sie weder Bridge noch Fußball spielen etc... "Ich bin anders" ist die Conclusio. "Henrys Begräbnis" im Norden Londons ist ein Rückblick auf die Geschichte der revolutionären Partei und Bewegung, der auch Fritz Beer in seiner Jugend angehörte und auf das Exil der Russen und der Berliner Intellektuellen. Henry war irgendwo in der Nordsee auf einem Schiff zur Welt gekommen. Seine Eltern waren militante Bundisten auf dem Weg von Russland nach Argentinien. Er hatte vier Ehefrauen, ein turbulentes Leben, einen besten Freund, der nun die Grabrede halten soll, aber nicht erscheint, und dessen Mutter mit Henrys Mutter verfeindet war, parteipolitisch verfeindet. Es geht um Moskautreue, um TrotzkistInnen. Zuletzt war Henry Metallarbeiter und hatte die Gewerkschaft in einer Nordlondoner Gewerkschaft organisiert. Als seine Genossen zum jüdischen Begräbnis, paradoxerweise bei einem Krematorium, ins wohlhabende Nordlondoner Golders Green kommen, sind sie etwas verstört und wissen nicht, wie sie mit den "ungewohnten Hüten umgehen sollten". Henry und Sascha sind "Allegorien" auf die eigene Biografie, die Trauergäste auf das eigene Umfeld im Exil.

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    Bridget Bogard, geborene Angel

    Geboren in Berlin, 24. 8. 1923

    Der Wiener Schriftsteller und Filmemacher Ernst Angel war 1923 als Werbemitarbeiter für den Kiepenheuer Verlag tätig, als seine Tochter Brigitte auf die Welt kam. Die Mutter Dussia Efrika war nach der Revolution aus Russland bzw. Litauen nach Wien geflüchtet, ein Teil ihrer Familie lebte in Berlin. Die Eltern lernten sich im Café Central in Wien kennen. Zwei Jahre nach der Geburt wurde die Ehe geschieden. Brigitte wuchs bei ihrer Mutter wohnend in Wien auf. Sie lebten in kleinen Wohnungen und Brigitte besuchte das Gymnasium. Ein Bruder der Mutter hatte ein Reisebüro in Paris, weswegen beide nach dem "Anschluss" zuerst dorthin flüchteten, mit einem Visum für Uruguay ausgestattet. Im Juli 1939 reiste Brigitte nach Großbritannien weiter, wo ihr Vater Ernst Angel lebte, die Mutter blieb in Paris und wurde nach der Besetzung durch die Deutschen deportiert und 1942 in Auschwitz ermordet. Brigitte kam am 14. Januar 1946 von London aus in den Vereinigten Staaten von Amerika an und ließ sich in New York nieder. Ihr Vater Ernst Angel, der seit 1940 in New York lebte und seine Tochter nachkommen hatte lassen, arbeitete inzwischen als Psychotherapeut. In New York lernte sie den Psychologie-Studenten an der Columbia University, Howard/Leonhard Bogard, kennen. Das Paar heiratete im März 1951, 1955 wurde Sohn David geboren. Brigitte, die inzwischen US-amerikanische Staatsbürgerin war und nun Bridget hieß, begehrte, wie sie in ihren Memoiren schreibt, gegen das "Hausfrauen-Dasein" auf. 1967 wurde die Ehe geschieden. Nach der Scheidung arbeitete sie in einer Werbeagentur und später für den australischen Kunsthändler Max Hutchinson, der, neben seinen Galerien in Australien, ab 1968 zuerst eine, dann zwei Galerien im SoHo betreiben sollte. In seiner Galerie in der 127 Greene Street stellte die Bildhauerin Louise Bourgeois 1980 erstmals Malereien aus. Nachdem Bridget nach ein paar Jahren ihren Job in der Galerie verloren hatte, arbeitete sie zuerst für ein Reisebüro und wurde Mitte der 1970er-Jahre Reiseleiterin in Lateinamerika. In Peru wird sie 1975 Zeugin des Militärputsches von General Bermúdez. Danach arbeitete sie im Büro für Öffentlichkeitsarbeit an einer Medizinischen Fakultät.

    #1 Wien 
    #2 Mittelstand, Vater ist der Schriftsteller Ernst Angel, Eltern geschieden, als Brigitte zwei Jahre alt war, prekäres Aufwachsen mit der Mutter in Wien und Salzburg, oftmaliger Wohnortwechsel 
    #3 Gymnasium in Österreich, Internat in England. In den USA Werbeagentur, Kunstgalerie, Reiseleiterin, Administration an einer Universität 
    #4 Rassistisch verfolgt 
    #5 Flucht legal (24h-Transitvisum für Paris, Visum für Uruguay mit Hilfe eines Onkels in Paris). Juli 1939 nach Großbritannien, Bournemouth, Cambridge (Großbritannien), ab 1946 New York
    #6 Internat in England. Verschiedene Jobs in den USA
    #7 Keine Rückkehr
    #8 In Paris Mutter und deren Familie, in London, NY Vater, in NY dann Ehe und Familie, nach der Scheidung Kunstszene in SoHo, NY
    #9

    #10 Memoiren 
    #11 Deutsch, Übersetzung aus dem Englischen von Mechthild Albers 
    #12 2003 von Hans Jörgen Gerlach übermittelt 
    #13 Archiv der TKG 
    #14 Typoskript (Computer), 192 Seiten 
    #15 2004 
    #16 Abreise von Paris
    #17
    #18 Publikation von Autorin intendiert

    In diesem Ausschnitt aus ihren Memoiren beschreibt Bridget Bogard, wie sie nach Großbritannien aufbricht und die ganze Familie, die Mutter am Bahnhof St. Lazare zurücklässt. Sie ist 15 Jahre alt und beschreibt diese Erfahrung als traumatisch. Sie erinnert sich an die Zugreisen in Österreich, als sie mit der Schule zum Skilaufen fuhr. Sie erzählt, dass ihr bei Bahnreisen übel wird, von ihrer Angst vor der Schiffsreise über den Ärmelkanal und ihrer Ankunft in England. London gefällt ihr, im Vergleich zu Paris mit seinen Cafés, gar nicht. Fühlt sich jedoch beim Vater wohl, der sie ins Theater mitnimmt. Erzählt von ihrer Ankunft im Internat in Bournemouth. Bangen um die Mutter nach Ausbruch des Krieges. Beschreibung der Zeit im Internat, der ungewohnten Schuluniform, des Luftkrieges, der verteilten Gasmaske. Nach einigen Jahren normalisiert sich alles mehr oder minder, sie ist Schiedsrichterin. Sie verliebt sich "gründlich" in die Schulsprecherin Faye Cooke und betont, dass es "durchaus nicht sexuell" war. Da sie ihr Deutsch-Nachhilfe geben kann, werden ihre Tage "heller und freundlicher". Sie raucht zum ersten Mal, langweilt sich bei den Kirchenbesuchen. Die Zeit im Internat war nicht die glücklichste, doch half sie ihr, ihre "Persönlichkeit zu stärken". 

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    Fred (Friedrich) Bondi

    Geboren in Wien, 8. 5. 1923; gestorben in Wien, 10. 1. 2017

    Friedrich Bondi wuchs in Wien und Zürich auf. Sein Vater Friedrich (Fritz) Bondi war Disponent an leitender Stelle bei einer Firma für Seidenfabrikation, „Adolf Freund F. Schöller“. Am 22. März 1938 musste er das Gymnasium in der Rainergasse im fünften Bezirk, in dem er seit vier Jahren Schüler war, verlassen und kam in eine Schule für ausschließlich jüdische Kinder in der Zirkusgasse im zweiten Bezirk. Am 8. September 1938 konnte der 15-Jährige mit seiner Mutter Wien verlassen, der Vater kam bald nach. Es ging zuerst per Zug nach Belgien, dann mit dem Schiff nach Großbritannien und schließlich im Oktober 1938 mit dem Schiff nach New York. In den USA studierte Fred Bondi an der Cornell University und wurde Ingenieur. Während des Krieges war er als Marinesoldat im Pazifik eingesetzt. 1951 kam er nach Paris, wo er für einen Stahlbetrieb arbeitete und bis 2008 lebte, bevor er nach Wien zurückkehrte.

     

    • Serrut Louis-Albert: Fred Bondi l'homme chanceux. Fred Bondi der glückliche Mann. Film de Louis-Albert Serrut. Notes. Altorf 2017

    #1 Wien 
    #2 Mittelstand 
    #3 Gymnasium Rainergasse in Wien, High School in New York, Heavily College Cornell (Ingenieursschule)
    #4 Rassistisch verfolgt 
    #5 Flucht legal (Auswanderungsantrag bewilligt)  September 1938 Zug nach Belgien, Schiff nach England, im Oktober 1938 per Schiff nach New York (USA), 1951 Paris
    #6 Marinesoldat, Einsatz im Pazifik auf der USS New Jersey, Offizier der Reserve, 1951 im Koreakrieg nach Frankreich geschickt, blieb dort und arbeitete für eine französische Stahlfirma, viele Auslandseinsätze 
    #7 Rückkehr 2008 aus Paris nach Wien
    #8
    #9

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung, Brief 
    #11 Deutsch
    #12 2011 von Dr. Flavia Knoflach übermittelt 
    #13 Archiv der TKG 
    #14 Typoskript (Schreibmaschine) in Kopie, 8 Seiten 
    #15 2011
    #16 Flucht aus Österreich
    #17 vom Autor an seine Verwandte geschickt und an Dr. Flavia Knoflach in Wels (OÖ)
    #18

    Fred Bondi beschreibt, wie hilfsbereit doch Nachbarn, Beamte und einige weitere MitbürgerInnen, trotz Nazis, waren. Sein kurzer autobiografischer Bericht entstand bevor Serrut Louis-Albert 2013 begann, einen Dokumentarfilm zu realisieren und in Folge ein Buch über Fred Bondi und die Entstehung des Filmes zu schreiben. Dieser Brief stellte bis dahin ein autobiografisches Dokument über ein Leben dar, von dem sonst nichts der Öffentlichkeit bekannt geworden wäre.

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    Gottfried Brenner

    Geboren in Czernowitz, 23. 9. 1913; gestorben in Haifa, 7. 9. 1998

    Gottfried Brenner wurde in Czernowitz geboren. Er studierte Elektrotechnik in Prag und war zwischen 1938 und 1939 in der rumänischen Erdölindustrie tätig. 1939 heiratete er Hedwig Brenner (siehe Beitrag Hedwig Brenner). Nachdem er mit seiner Frau die NS-Verfolgung überlebte, verließ er Czernowitz 1945 Richtung Rumänien, wo er wieder in der Erdölindustrie arbeitete. Die Familie verlässt das Land 1982 Richtung Israel, wo er sich als Autor und Übersetzer betätigt. In ZW erschienen 2010 von Gottfried Brenner aus dem Jiddischen übersetzte Gedichte der in Czernowitz geborenen US-amerikanischen Lyrikerin Vera Hacken.

    #1 Czernowitz, Bukowina 
    #2 Mittelstand, Vater promoviert 
    #3 Lyzeum Czernowitz, Studium der Elektrotechnik in Prag. Journalistische Tätigkeit, Elektroingenieur 
    #4 1941-1944, rassistisch verfolgt, 1945 Arbeit, 1982 Alija
    #5 1941–1944 Ghetto in Czernowitz, 1945 nach Rumänien (Ploiești), Alija 1982, lebte in Haifa.
    #6 Überleben im Ghetto, Erdölindustrie

    #7
    #8
    #9 Vera Hacken: Gespräch mit Gott (Übersetzung Gottfried Brenner). In: ZW 27 Jg. Nr.1–2 2010, 15

    #10 Gedichte 
    #11 Deutsch 
    #12 übermittelt von Hedwig Brenner 
    #13 Archiv der TKG 
    #14 Typoskripte (Computer), jeweils 1 Seite 
    #15 1985, 1995
    #16 Hymne auf "meine schöne Stadt" Haifa und Beschreibung der Alija
    #17  
    #18 Publikation vom Autor intendiert

    Gottfried Brenner hat nicht sehr viel publiziert, jedenfalls nicht so viel wie seine Frau Hedwig Brenner. Seine Gedichte tragen stark autobiografische Züge, man erfährt, wie er sich nach seiner Alija gefühlt, was er beobachtet hat.

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    Hedwig Brenner, geborene Langhaus

    Geboren in Czernowitz, 27. 9. 1918; gestorben in Haifa, 23. 1. 2017

    Hedwig Brenner wurde 1918 in Czernowitz als Tochter der Lehrerin Fridl Feuerstein und des Anwalts Adolph Langhaus geboren. Zwei Monate nach ihrer Geburt zerfiel die Donaumonarchie und Czernowitz wurde in Folge rumänisch. Ihr Vater starb, als sie 10 Jahre alt war. Nach ihrer Matura studierte sie Kunstgeschichte in Wien und Genf; März 1938 Studienabbruch. Sie kehrte nach Czernowitz zurück und heiratete 1939 den Ingenieur Gottfried Brenner, der zu diesem Zeitpunkt auf den Ölfeldern Bukarests arbeitete. Gemeinsam überlebte das Paar ab 1941 die Zeit im Czernowitzer Ghetto. Nach der Befreiung 1944 durch die „Rote Armee“ verließen die Brenners 1945 Czernowitz, das nun zur Sowjetunion gehörte und zogen nach Rumänien. Wieder fand Gottfried Brenner Arbeit auf einem Ölfeld. In Rumänien bekam das Paar zwei Söhne. Hedwig Brenner ließ sich zur diplomierten Physiotherapeutin ausbilden. Nachdem Hedwig und Gottfried Brenner das Rentenalter erreicht hatten, wanderten sie 1982 mit ihren Söhnen und Müttern nach Israel aus. Lang­jährige Arbeit und viele Reisen, um ein Lexikon jüdischer bildender Künstlerin­nen zusammenzustel­len, von dem fünf Bände erschienen (Jüdische Frauen in der Bildenden Kunst. Ein biographisches Verzeichnis. 5 Bände. Konstanz 1998/2004/2007/2011/2013 und Jüdische Frauen in Musik und Tanz VI. Ein biographisches Verzeichnis. Konstanz 2016). In diesem Lexikon wurden 1500 Biografien gesammelt. Weitere Arbeiten sind: Leas Fluch. Eine Familiengeschichte – ein Zeitdokument 1840–2003. Brugg 2005; Mein zwanzigstes Jahrhundert. Brugg 2006; Mein altes Czernowitz. Erinnerungen aus mehr als neun Jahrzehnten 1918–2010. Konstanz 2010; gemeinsam mit Gottfried Brenner: Zum Andenken und Nachdenken. Kurzgeschichten, Lyrik und Malerei aus Czernowitz und Israel. Konstanz 2011; Begegnungen mit Menschen und Städten 1919-2014. Konstanz 2015. 2012 erhielt sie sowohl das "Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland", als auch das "Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst". Hedwig Brenner verstarb am 23.1.2017 in Haifa.

    • Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser (Hg.): Lexikon der österreichischen Exilliteratur. Wien 2000, 112

    #1 Czernowitz, Bukowina 
    #2 Mittelstand, Vater Rechtsanwalt 
    #3 Lyzeum, Studium in Wien, erzwungener Studienabbruch 1938, Krankenpflegeschule in Rumänien. Tätigkeit als Physiotherapeutin 
    #4 1941-1944, rassistisch verfolgt, 1945 Arbeit, 1982 Alija
    #5 1941–1944 Ghetto in Czernowitz, 1945 nach Rumänien (Ploiești), Alija 1982, lebte in Haifa.
    #6 Überleben im Ghetto, Physiotherapie
    #7
    #9
    #Hedwig Brenner: Vier Gedichte. In: ZW 24. Jg. Nr.4/2007, 15 f.; Zwei Gedichte. In: ZW 34 Jg. Nr.1–2/2017, 42

    Kurzgeschichte

    Gedichte

    #10 Kurzgeschichte; Gedichte 
    #11 Deutsch 
    #12 übermittelt von Hedwig Brenner 
    #13 Archiv der TKG 
    #14 Typoskripte (Computer), Kurzgeschichte 2 Seiten, Gedichte jeweils 1 Seite 
    #15 Merkas Klittha um 2002; Rückruf im März 2002; Die Israelis im Mai 2002
    #16
    Merkas Klittah: Ankunft in Israel; Rückruf: Wie aus Erinnerungsbrocken Geschichten entstehen; Die Israelis: Über das ersehnte Land und den ersehnten Frieden
    #17
    #18 Publikation von Autorin intendiert

    In "Merkas Klittah" (Adresse in Haifa) beschreibt Hedwig Brenner ihre Ankunft in Israel und Zuweisung ins Aufnahmezentrum "Kiryat-Yam" in der Nähe von Akko. "Brave Schüler" im Hebräisch-Kurs. Freundet sich mit anderen, aus Deutschland, Spanien, an. Doch die Spanierin ist eine Wienerin namens Susi "und nennt sich nun Schoschana". Diese erzählt Hedwig Brenner von ihrem Leben und Überleben, ihrer Flucht nach Java, aber auch, dass ihr Vater aus der Bukowina stammt. Die Geschichte endet damit, dass sich herausstellt, dass Freunde von Hedwig Brenner mit Susi verwandt sind. Die Freude ist groß und Hedwig Brenner schreibt, dass sie noch nach 20 Jahren eine Gänsehaut deswegen bekommt.

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    Fritz Brügel

    Geboren in Wien, 13. 2. 1897; gestorben in London, 4. 7. 1955

    Brigitte Lehmann: Fritz Brügel – Bibliothekar, Diplomat und Schriftsteller. (Pseudonyme: Bedrich Dubsky, Dr. Dubsky, Wenzel Sladek)
    (erschienen in: ZW 31.Jg. Nr.2–3/2014, 64f)

    Fritz Brügel wurde am 13. Februar 1897 in Wien geboren. Der Sohn des angesehenen Historikers und Journalisten Ludwig Brügel und seiner Frau Susanne wuchs in Prag auf. Nach Ableistung seines Kriegsdienstes studierte er Geschichte an der Universität Wien. Mit der Dissertation "Beiträge zur Geschichte der Deutschen in Böhmen" promovierte er 1921 zum Dr.phil.
    Im Jahr darauf wurde Fritz Brügel Leiter der Sozialwissenschaftlichen Bibliothek der Arbeiterkammer Wien. Im selben Jahr trat er aus der Israelitischen Kultusgemeinde aus. Neben seiner Arbeit als Bibliothekar war er aktiv in der sozialdemokratischen Bildungspolitik. Er veröffentlichte volksbildnerische und kulturpolitische Beiträge in der "Arbeiter-Zeitung" und in "Der Kampf". Unter seinem Pseudonym Wenzel Sladek sind in den 1920er-Jahren zahlreiche Gedichte in der "Arbeiter-Zeitung" erschienen. U.a. ist er der Textautor des berühmten Liedes "Die Arbeiter von Wien". Er veröffentlichte in diesen Jahren auch einige Nachdichtungen aus dem Altgriechischen, wie z.B. "Agamemnon" von Aeschylus. Von 1924 bis 1934 gehörte er dem Verwaltungsbeirat der RAVAG an.
    1931 gab Brügel gemeinsam mit Benedikt Kautsky den Dokumentationsband "Der deutsche Sozialismus von Ludwig Gall bis Karl Marx" heraus. 1930/31 war er gemeinsam mit Schiller Marmorek, Otto Erich Deutsch und Leopold Ziegler Herausgeber der Literaturzeitschrift "Die Freyung". Ebenfalls 1931 erschien sein erster Gedichtband "Klage um Adonis".
    Aus Protest gegen ständige antisozialistische und antisemitische Ausschreitungen an den österreichischen Hochschulen und die akademischen Behörden, die dabei für die Rechtsextremisten Partei ergriffen, schickte Fritz Brügel Ende 1931 sein Doktordiplom zerrissen an den Rektor der Universität zurück. Die Universität nahm den Verzicht auf das Doktordiplom an. In das Promotionsprotokoll wurde eingetragen, dass Brügel den Doktortitel nicht mehr tragen dürfe.
    1933 gehörte er zu den Mitbegründern der "Vereinigung sozialistischer Schriftsteller". Er nahm an Dichterlesungen und Diskussionsveranstaltungen der Vereinigung teil, u.a. beteiligte er sich Anfang Mai 1933 an einem "zeitgemäßen Literaturkurs" zur Ankündigung der Nationalsozialisten, Bücher öffentlich zu verbrennen.
    Als Mitglied des sozialdemokratischen Schutzbundes nahm Brügel an den Februarkämpfen 1934 teil. Nach der Niederschlagung des Februaraufstandes flüchtete er in die Tschechoslowakei. Die österreichische Staatsbürgerschaft wurde ihm 1935 aberkannt. In Prag nahm er die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft an. Er war als Legationsrat im Außenministerium der Tschechoslowakei tätig und schrieb Beiträge für verschiedene Zeitungen, u.a. für die "Arbeiter-Zeitung" (Brünn). 1935 veröffentlichte er die "Februarballade". 1936/37 bereiste er auf Einladung des Verbandes sowjetischer Schriftsteller die UdSSR.
    Gemeinsam mit seiner Frau Vera Dubska emigrierte Fritz Brügel 1938 mit einem Pass auf den Namen Bedrich Dubski nach Frankreich, wo er den Aufruf zur Gründung der "Liga für das geistige Österreich" mitunterzeichnete. 1941 flüchtete Brügel über Spanien und Portugal nach London, wo er für die tschechoslowakische Exilregierung tätig war.
    Sein Vater, Ludwig Brügel, der nach dem "Anschluss" verhaftet worden war, wurde am 13. August 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er wenig später ermordet wurde.
    1945 ging Fritz Brügel nach Prag zurück, trat in den diplomatischen Dienst ein und wurde im April 1946 stellvertretender Leiter, später Leiter der tschechoslowakischen Militärmission in Berlin. Nach der Ermordung des Außenministers Jan Masaryk am 10. März 1948 wurde Brügel nach Prag zurückbeordert. Nach der Machtübernahme der Kommunisten misstraute man ihm zum einen, zum anderen war Fritz Brügel zutiefst erschüttert über die Justizwillkür in der CSR. Er erlitt einen Herzinfarkt und wurde im amerikanischen Krankenhaus in Wannsee behandelt. Über die Schweiz flüchtete er gemeinsam mit seiner Frau in sein zweites Exil nach London.
    Fritz Brügel erholte sich nicht mehr von seinem Zusammenbruch. Elend und verarmt starb er am 4. Juli 1955 im Alter von 58 Jahren in London. Seine Frau Vera, die in London Stoffe für eine Textilfirma entworfen hatte, beging ein Jahr später, 46-jährig, Selbstmord.

    Ergänzung: Von 1923 bis 1925 war Fritz Brügel Mitglied der Wiener Freimaurerloge "Sokrates", der auch sein Vater seit 1907 angehörte. Von 1925 bis Februar 1934 war er Mitglied der von ihm mitbegründeten Freimaurerloge "Freiheit". (AE)

    • Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser (Hg.): Lexikon der österreichischen Exilliteratur. Wien 2000, 124f
    • Günter K. Kodek: Unsere Bausteine sind die Menschen. Die Mitglieder der Wiener Freimaurer-Logen 1869-1938. Wien 2009, 55

    #1 in Prag aufgewachsen
    #2 Mittelstand, Vater Journalist, Pressechef im Bundeskanzleramt, "Historiker der Sozialdemokratie" Ludwig Brügel 
    #3 Studium der Geschichte. Leiter der Bibliothek der Arbeiterkammer in Wien, Publizist, nach 1945 für die Tschechoslowakei als Diplomat tätig. Schrieb Lyrik und Prosa.  1927 Autor des Liedes "Die Arbeiter von Wien" 
    #4 Rassistisch und politisch verfolgt (Sozialdemokrat, Kommunist) 
    #5 Flucht 1934 illegal in die Tschechoslowakei (Prag), 1939 nach Frankreich (Paris, Le Lavandou), 1941 über Spanien und Portugal nach Großbritannien (London); 1950 über die Schweiz nach Großbritannien 
    #6 Prag:
    Legationsrat im Außenministerium der Tschechoslowakei, Journalist; Paris Gründung der "Liga für das geistige Österreich", Autor; London: für die tschechoslowakische Exilregierung tätig; 1945-1950: Diplomatischer Dienst für die Tschechoslowakei (Prag, Berlin); London: Schriftsteller
    #7 Rückkehr 1945 nach Prag, 1950 wieder nach London 
    #8 SozialdemokratInnen, SozialreformerInnen, Freimaurer, KommunistInnen, Diplomaten
    #9 Fritz Brügel: Februarballade/Flüsterlied. In: ZW 31 Jg. Nr.2–3/2014, 65; Revolutionäre. Die Jakobiner in Österreich. In: ZW 33 Jg. Nr.4/2016, 33 f.

    #10 Briefe  
    #11 Deutsch 
    #12 Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger
    #13 Herbert Exenberger-Archiv im Archiv der TKG: Fritz Brügel ,
    DÖW 11548/11
    #14 Briefe handschriftlich und maschinschriftlich in Kopie, 13 Blätter
    #15 25.7.1939, 12.8.1939, 3.1.1941, 26.2.1941, 13.7.1945, 8.10.1949, 30.10.49, 11.8.1951
    #16 Briefe über Flucht, Exil und Veröffentlichungen
    #17 Robert Neumann
    #18

    Die Briefe stammen aus der Korrespondenz zwischen Fritz Brügel und Robert Neumann, wobei die Antworten Robert Neumanns fehlen. Der Wiener Schriftsteller Robert Neumann wurde in den 1920er-Jahren vor allem für seine Parodiesammlung "Mit fremden Federn" bekannt. Nach dem Februar 1934 zog er nach Großbritannien, wo er ein bekannter Drehbuchautor wurde. 1938 war er Mitbegründer des "Free Austrian P.E.N.-Club" in London und setzte sich für verfolgte SchriftstellerInnen ein. In den 1940er-Jahren setzte er sich für die Übersetzung und Publikation deutschsprachiger ExilautorInnen im Verlag „Hutchinson International Authors“, wo er Eigentümer und Lektor war, ein.
    Die Briefe aus dem Jahr 1939 stammen aus Frankreich und wurden kurz vor Ausbruch des Weltkrieges geschrieben. Fritz Brügel schreibt über seine Publikationen im Exil, darüber, dass seine Gedichte ins Russische, Französische und Chinesische übersetzt wurden und er stellte die Frage nach einer P.E.N.-Klub-Legitimation. Die Briefe aus dem Jahr 1941 wurden in London geschrieben. Fritz Brügel erzählt von seiner Flucht über Barcelona, die ihm dank der Hilfe des tschechoslowakischen Außenministeriums in London geglückt war. Er erzählt, dass er Mitglied des Tschechischen P.E.N.-Klubs wurde, aber die Mitgliedschaft des österreichischen dadurch nicht verlieren möchte. Er arbeitet für die tschechische Exilpresse und erkundigt sich nach der Adresse von Theodor Kramer. Im Brief vom 13. Juli 1945 schreibt er, dass er London Richtung Prag verlässt. Er berichtet von Publikations-Vorhaben und davon, dass er die traurige Nachricht erhalten habe, dass Emil Alphons Rheinhardt im Februar 1945 in Dachau umgekommen sei und dass es sonst nur "schlimme Nachrichten" über das Schicksal der FreundInnen gebe. Er hofft, dass das Leben in Europa sich wieder normalisiere und es zu einer "besseren Zusammenarbeit der Schriftsteller" kommen werde. Die Briefe aus dem Jahr 1949 kommen aus Locarno/Schweiz. Nach der Hinrichtung General Píkas in der CSR entschloss sich Fritz Brügel, das Land zu verlassen. Die CSR sei nun ein Land, in dem das Gesetz durch "persönliche Launen, Antipathien und Sympathien" bestimmt werde, das Leuten "wie dem Franz West" (Schriftsteller, Kommunist, in London im "seligen Austrian Center") in die Hände gefallen sei. Er berichtet von seiner abenteuerlichen Flucht in die Schweiz. Fritz Brügel erzählt, wie die Weiterreise nach Großbritannien erschwert wird. Er und seine Frau erhalten kein Visum, da sie schon in Sicherheit seien. Inzwischen beginnt er an seinem Roman über Prag im April 1949 zu schreiben. Weiters erzählt er, wie er vom "Intellektuellenkomité" in Genf unterstützt werde, dies zum Überleben jedoch nicht reiche. Er fühlt sich von seinem Verleger Emil Oprecht im Stich gelassen. Der Brief aus dem Jahr 1951 stammt aus London. Fritz Brügel hat ein neues Buch, "Der Leopard", geschrieben und berichtet von der Reaktion von Freunden und Verlegern, wobei er eine Publikation auch bei „Hutchinson International Authors“ in Betracht zieht. Der Roman "Verschwörer" (jener über den April 1949) erscheint nun auf Deutsch und verspricht ein Erfolg zu werden. Er schreibt an neuen Büchern, liegt jedoch wegen Mangelerscheinungen krank im Spital. In allen Briefen bedankt sich Fritz Brügel für Robert Neumanns Bemühungen. Der Schlusssatz des letzten Briefes stammt von Fritz Brügels Ehefrau Vera, die sich als "Maschinenschreiberin" herausstellt, die "sehr schimpft, da Fritz die Maschine sehr ruiniert hat".
    Die acht Briefe Fritz Brügels an Robert Neumann ermöglichen Einblicke in Leben und Schaffen des Autors während seiner drei Exile und Fluchtsituationen.

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    Heinz Carwin, eigentlich Heinrich Karpeles, Pseudonym Karlheinz Espe

    Geboren in Wien, 14. 11. 1920; gestorben in Berlin, 30. 3. 2004

    Heinrich Karpeles kam in Wien als Sohn des Großkaufmanns (Textilmanipulation) Louis Karpeles und Anna (geb. Laufer) auf die Welt und wohnte im 3. Bezirk. Die "Textilwarenfirma Louis Karpeles" ging 1924 in Konkurs und ein Nachfolgeunternehmen 1931 ebenfalls. Schuld waren Inflation und die Abwertung der nordischen Währungen. Louis Karpeles exportierte nach Schweden, Dänemark, u.a. Einige Monate nach diesem zweiten Konkurs verübte er am 19. November 1932 Selbstmord, worüber ausführlich in der Tagespresse berichtet wurde (Neues Wiener Journal vom 20.11.1932, 11, ANNO). In Folge musste die Mutter als Verkäuferin arbeiten und es wurde oft umgezogen und die Schule gewechselt. Heinrich besuchte schließlich eine Fachschule für Chemie, die er 1937 verlassen musste, ein Großteil der Lehrkräfte waren Nazis. 1938 war er Mitglied einer jugendlichen Straßengang im "Inundationsgebiet". In der Gang waren auch andere jüdische Jugendliche, dank denen er auch auf die Idee kam, wie man aus dem NS-Machtbereich entkommen könne. Es gelang die Flucht nach England, wo er einen Bachelor of Science abschließen konnte und als Chemiker arbeitete. 1940 wurde er als "enemy alien" im Lager Sutton Coldfield, Hampstead für drei Monate interniert. Er schrieb seine ersten Theaterstücke, welche in szenischen Lesungen auch in der "Free German League of Culture in Great Britain", in deren Nähe in Hampstead er wohnte, aufgeführt wurden. Vortragender war der exilierte Wiener Schauspieler Martin Miller, welcher 1939 die Londoner Kleinkunstbühne "Laterndl" mitbegründet hatte und nach 1945 ein international bekannter Filmdarsteller wurde. Das bekannteste Stück war "Flieder", welches 1946 auch am Theater in der Josefstadt zur Aufführung kam. Heinrich Karpeles schrieb auch Gedichte. 1945 ging er als technischer Übersetzer für die US-Armee nach Deutschland. Er quittierte bald den Dienst, änderte seinen Familiennamen auf Carwin und zog nach Wien, wo er Redakteur der Tageszeitung "Wiener Kurier" wurde. 1952 wurde er vom Berliner Bühnenverlag "Felix Bloch Erben" als Chefdramaturg engagiert. Ab 1962 war er Fernsehprogrammdirektor bei der RIVA in München, danach Buchhalter in der Privatwirtschaft.

    • Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser (Hg.): Lexikon der österreichischen Exilliteratur. Wien 2000, 137f

    #1 Wien 
    #2 Unternehmerfamilie, Vater in Textilbranche, nach dessen Tod sozialer Abstieg der Familie

    #3 Chemiker, Journalist, in der Privatwirtschaft tätig 
    #
    4 Rassistisch verfolgt 
    #5 Im August 1938 nach London (Großbritannien), im Lager Sutton Coldfield, Hampstead interniert 
    #6 1945 in der britischen Armee als Übersetzer in Deutschland 
    #7 1949–52 Wien, Redakteur der Tageszeitung "Wiener Kurier", ab 1952 in Berlin Chefdramaturg beim Bühnenverlag "Felix Bloch Erben", ab 1962 Fernsehprogrammdirektor bei der RIVA in München, danach Buchhalter in der Privatwirtschaft.
    #8 Free German League of Culture in Great Britain, Theater

    #9

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung, Lebenslauf 
    #11 Deutsch 
    #12 Von Heinz Carwin eingesandt 
    #13 Archiv der TKG 
    #14 Typoskript (Schreibmaschine), 5 Seiten 
    #15 vermutlich in den 1990er-Jahren entstanden 
    #16 Lebenslauf
    #17 DÖW
    #18 Publikation vom Autor intendiert

    Heinz Carwin erzählt von seiner Kindheit, der schweren Zeit nach dem Tod des Vaters. Es folgt die Flucht, die ersten "schweren Jahre" in England, wobei er die Internierung nicht erwähnt, die schriftstellerische Tätigkeit, von der er jedoch nicht leben konnte. Er erzählt, dass er nach 1945 nach Karlsruhe zog, wobei er dafür keinen Grund angibt, und dann nach Wien, wo er für den "Wiener Kurier" arbeitete. Danach übersiedelte er nach Berlin (Liebe auf den ersten Blick) wo er für den Bühnenverlag "Felix Bloch Erben" arbeitete. Nach zehn Jahren wurde er Fernseh-Programmdirektor der ersten privaten Produktionsgesellschaft RIVA. Danach arbeitete er in der Privatwirtschaft "in der Anonymität, und des Zwangs enthoben". Er erzählt, dass er nach 1945 in Wien die Sekretärin des P.E.N.-Clubs Dr. Erika Hanel, "eine Art femme fatale", kennen gelernt und sich verliebt hatte.

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung 
    #11 Deutsch 
    #12 Von Heinz Carwin eingesandt  
    #13 Archiv der TKG 
    #14 Typoskript (Schreibmaschine), 4 Seiten 
    #15 vermutlich in den 1990er-Jahren entstanden 
    #16 Straßengang, Scheinehe von Mutter und Tante, Auswanderung 
    #17
    #18 Publikation vom Autor intendiert

    Heinz Carwin treibt sich 1938 mit Püchern, Synonym für Strolche, in einer Straßengang herum. Es gibt Raufereien. Er freundet sich mit den Brüdern Weiss, Mitglieder der Gang, an. Durch ein Gespräch hat er eine Idee, wie er mit seiner Familie aus Wien flüchten kann und rettet, sich den Kopf über Staatsbürgerschaftsrecht zerbrechend, nicht nur das Leben seiner Familie, sondern auch die Gebrüder Weiss, die so wie er, Opfer des NS-Antisemitismus waren.

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    Daisy Davidow-Berman

    Geboren in Wien, 7. 5. 1929; gestorben in New York, 18. 2. 1996

    Daisy Davidow-Berman wurde 1929 in Wien geboren und wuchs im 2. Bezirk auf, wo sie auch bis 1938 die Volksschule besuchte. Ihr Vater Ludwig Davidoff/Luis Davidow war der Sozialdemokratie ver­bunden und als Architekt beim kommunalen Wohnbauprogramm des "Roten Wiens" beschäftigt. Ihre Mutter war Lea Davidow, die in Sauerbrunn bis 1938 eine Konditorei betrieb. Nach Hitlers Einmarsch in Österreich wurden die Wohnung in Wien sowie das Sommerhaus in Sauerbrunn konfisziert. 1939 konnte zunächst Luis Davidow nach Großbritannien flüchten, zwei Tage vor Kriegsbeginn folgten ihm seine Tochter und seine Frau nach.

    Nach 10 Monate dauernder Internierung in der Stadt Sandwich konnte die Familie 1940 mit einem Affidavit in die USA einreisen. Die Familie lebte zunächst in bitterer Armut in New York. Luis Davidow konnte keine Anstellung finden, die Mutter arbeitete in einer Kleiderfabrik und wurde zur Familienerhalterin. Der harte Alltag des Exils ent­fremdete die Eltern zusehends voneinander.

    Daisy Davidow besuchte public schools und graduierte am Hunter College in New York zum Bachelor in Deutsch und Literatur.

    1953 Heirat mit Herman Berman, Geburt eines Sohnes und einer Tochter. Tätigkeit als Sozialarbeiterin bei der Stadt New York. Erst spät begann Daisy Davidow-Berman sich der Malerei zu widmen. Sie studierte an der Art Student's League und der National Academy of Design.

    1976 erste Reise nach Österreich. Nach dem Tod ihres Mannes 1979 konzentrierte sie sich fast ausschließlich auf die Malerei. Sie bevor­zugte das schnell trocknende Acryl, um so, aus der Spontanität heraus, die vergessenen, verdrängten Bilder ihrer Kindheit auf Leinwand zu bannen. Ein Ausleeren von furchtbaren Träumen, um eine Katharsis im Bild zu finden, wird ihr zum Motiv ihrer Kunst. So entstanden über 200 Gemälde mit dem bewusst gewählten ästhetischen Ausdruck der Direktheit und Wahrheit wie aus Kinderaugen.

    In ihrem Atelier, nahe der Riverdale Gallery, veranstaltete sie Diskussionen rund um ihre ausgestellten Bilder.

    Daisy Davidow reiste regelmäßig nach Österreich, suchte nach ihren alten Lebensbeziehungen; machte ihr ehemaliges Kindermädchen ausfindig und konnte vor allem neue Kontakte knüpfen. 1994 Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft.

    Vom 7. bis 24. März 1996 waren die Bilder von Daisy Davidow-Bermann zum ersten Mal in Wien, im Palais Palffy, zu sehen. Anschließend wurde eine Auswahl der Exponate im Literaturhaus Mattersburg gezeigt, ergänzt durch eine historische Ausstellung mit Fotos und Dokumenten über die 30-er Jahre und den "Anschluß" in dem Kurort Sauerbrunn. Nach den Vorbereitungen zu ihrer Ausstellung in Wien und Mattersburg starb Daisy Davidow-Berman am 18. Februar 1996 plötzlich in New York. (TKG, Siglinde Bolbecher, AE)

     

    #1 Wien, Sauerbrunn (Burgenland)

    #2 Mittelstand, Vater war der Architekt Ing. Ludwig Dawidoff

    #3 Volksschule bis 1938. Public schools und Bachelor am Hunter College in New York in Deutsch und Literatur. Sozialarbeiterin. Ab 1979 Malerin, Studium: Art Student's League und der National Academy of Design

    #4 Rassistisch verfolgt

    #5 1939 flüchtete zuerst der Vater nach Großbritannien, Ende August 1939 Daisy und Lea Davidoff. 10 Monate lange Internierung in Sandwich. Affidavit für die USA. New York.

    #6 Public schools in NY

    #7 nach 1976 mehrfach auf Besuch

    #8

    #9 Daisy Davidow-Bermann: Notizen und Erinnerung (übersetzt aus dem englischen von Magdalena Weber). In: MdZ 13.Jg. Nr.3/1996, 13

     

    #10 Memoiren

    #11 Englisch

    #12 Über Siglinde Bolbecher an die TKG

    #13 Archiv der TKG

    #14 Typoskript (Schreibmaschine), 4 Seiten von 15

    #15 Um 1988

    #16 Über ihre Kindheit, die Wohnung in Wien, die Kochkünste der Mutter, die Besuche in Sauerbrunn, ihre erste Wahrnehmung der "Nazis" als Achtjährige und die Flucht.

    #17

    #18 Publikation von der Autorin intendiert, deutsche Übersetzung erschien 1996 in MdZ.

     

    Ihre Aufzeichnungen "Memories in My Life" verfasste sie in Englisch, 50 Jahre nach ihrer Vertreibung. Wie in ihren stark expressionistischen Bildern, die in leuchtenden Farben den Erlebnissen und Empfindungen des Kindes folgen, versucht Daisy Davidow-Bermann ihre persönlichen Verluste darzustellen und mit ihren eigenen Worten "nach Hause zu kommen". 1976, nach dem Tod ihres Vaters Luis Davidoff, reiste sie zum ersten Mal nach Österreich, besuchte Wien und Sauerbrunn mit großer Furcht vor einem nach wie vor lebendigen Antisemitismus. Sie wiederholte ihre Besuche und fand Menschen, die sie willkommen hießen und die es ihr möglich machten, ihre "kulturellen Wurzeln wieder zum Leben zu erwecken". Die Ausstellung ihres Werkes in Österreich war ihr ein wichtiges Anliegen, eine Möglichkeit realer Rückkehr und ein Gedenken "an all die Menschen, die im Holocaust umgekommen sind", an ihre Familie und alle Freunde.

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    Jolan Dehner, geborene Freistadtl

    Geboren in Wien, 20. 9. 1923; gestorben in Wien, 9. 10. 2003

    Jolan Dehner kam 1923 in Wien als Tochter des Unternehmers Robert Freistadtl und Loli (Charlotte) Cohn zur Welt. Robert Freistadtl war Inhaber der seit 1880 existierenden Schneiderzubehörfirma "Freistadtl & Comp." am Kai und Loli war die Enkeltochter des reichen Bankiers Salo Cohn. Nach dessen Tod erbte Loli Freistadtl eine große Villa in Altmünster, wo die Familie in Folge viele Monate des Jahres verbrachte. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg überstand der Vater die Spanische Grippe und Jolans Bruder Georg kam zur Welt. Die Familie wohnte bis 1938 im 8. Bezirk. Neben einer Köchin und einem Stuben- bzw. Kindermädchen arbeitete auch eine Gouvernante für die Familie. Jolan besuchte die Volksschule Stubenbastei und musste auch ins dortige Halbinternat. 1933 kam sie in das Gymnasium Luithlen in der Tuchlaube. 1933 verkaufte der Vater das Geschäft und wurde Operettenkomponist. Seine Operette „Die Wirtin von Venedig“ (Max Reinhardt hatte die Bearbeitung von Goldoni „Mirandolina“ beauftragt) wurde im Jänner 1934 am Raimundtheater uraufgeführt, 1936 „Der Schneider Wippel“. Der Direktor des Theaters war Stefan Hock, ein alter Freund des Vaters. 1937 wechselte Jolan Freistadtl in die Schwarzwaldschule.

    1938: Dank der Hilfe des englischen Bankbeamten Arthur Collin, ebenfalls ein alter Freund des Vaters, konnte zuerst der 20-jährige Bruder Georg mit einem britischen Visum nach Zürich ausreisen, bald folgten Jolan und die Eltern. Gemeinsam ging es mit dem Flugzeug weiter nach Großbritannien. Zuerst wohnten sie auf Einladung Arthur Collins in einem Clubhaus im noblen Londoner Viertel Kensington Garden und zogen nach zwei Wochen nach Frinton-on-Sea in Essex, wo sie einen Bungalow bewohnten. Der Bruder blieb in London und arbeitete in einem Warenhaus. Jolan kam in das Internat Warden Court in Cuckfield bei London. Die Eltern wohnten in Putney/London in einem „hübschen Wohnhaus“. Im Juni 1940 musste Jolan das Internat verlassen, da es nur 30 Meilen vom Meer entfernt lag und „enemy aliens“ sich nicht näher als 50 Meilen der Küste nähern durften. Robert und Georg Freistadtl wurden interniert, wobei der Vater aus gesundheitlichen Gründen nach einigen Wochen auf der Isle of Man freigelassen wurde, Georg jedoch erst nach zwei Jahren. Jolan besuchte nach Schulabschluss eine Sekretärinnenschule und arbeitete in Folge im „Times Book Club“. Sie ging zur „Land Army“, in der vor allem Frauen die Männer in der Landarbeit ersetzten. Nach dem Trainingslager kam sie nach Bracknell in der Grafschaft Berkshire auf einen Bauernhof und betreute Kühe. Nach der Befreiung fand sie dank ihrer Sprachkenntnisse Arbeit bei der Zensurbehörde der US-Army in Deutschland. Im März 1946 kam sie in Esslingen am Neckar bei Stuttgart an. Die Reise führte sie über Paris und durch das „zerbombte Deutschland“. Esslingen hatte den Krieg ohne Zerstörungen überstanden. Tausende Korrespondenzen wurden durchgelesen und nach 8537 Briefen „wurde die Sache doch ziemlich öd“. Sie fuhr auch nach Altmünster. Der Besuch Österreichs war zwar allgemein untersagt, doch nützte Jolan den Umstand aus, eine Uniform zu tragen und mit einem Jeep fahren zu können. Nach dem Krieg heiratete sie Eugen Dehner, mit dem sie eine Tochter namens Claudia hatte.

    #1 Wien
    #2 Unternehmerfamilie, Schneiderzubehörfirma "Freistadtl & Comp." am Kai (seit ca. 1880), später Operettenkomponist
    #3 Volksschule Stubenbastei, 1933 Gymnasium Luithlen in der Tuchlaube, 1937 Schwarzwaldschule. Bis Juni 1940 Internat Warden Court in Cuckfield, danach Schule in London und nach Schulabschluss Sekretärinnenschule. Arbeit im Times Book Club.
    #4 Rassistisch verfolgt
    #5 Flucht vermutlich legal. Flug nach Zürich (Schweiz), London/Kensington Garden (Großbritannien). Danach Frinton-on-Sea, Essex, Internat Warden Court in Cuckfield (Sussex), Putney (London), Bracknell (Berkshire)
    #6 Schülerin in einem Internat
    #7 Rückkehr
    #8
    #9

    #10 Memoiren 
    #11 Deutsch 
    #12
    #13 Archiv der TKG 
    #14 rot gebundenes Typoskript (Schreibmaschine), 73 Seiten 
    #15 im Ruhestand entstanden, vermutlich nach 1983 
    #16 Familiengeschichte, Exil
    #17 Für Familienmitglieder und Verwandte
    #18

    Jolan Dehner schildert in ihren Memoiren jene Erlebnisse, die ihr Leben bis kurz nach 1945 prägten: eine gutbürgerliche Kindheit, Flucht, Überleben, neues Leben.

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    Walter Fischer

    Geboren in Holic, Slowakei, 27. 4. 1915; gestorben in Paris nach 1998.

    Walter Fischer wurde in Holic (heute Slowakei) geboren. Als er 17 Monate alt war, erkrankten er und sein älterer Bruder schwer, weshalb die Mutter nach Wien ging, wo beide Kinder 40 Tage lang im Augartenspital betreut wurden. Der Vater war im Krieg. Nach dem Krieg kam Walter Fischer früh in die Betreuung der Kinderfreunde, deren ehemaliger Obmann ein Freund der Eltern war. Bald stieß er zu den Roten Falken. Mit 14 wurde er in Wien am 1. Oktober 1929 Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) und war Bezirksfunktionär in der Novaragasse, Wien 2, der sogenannten Pratergruppe. Am 1. August 1933 trat er der SDAP bei. Er wurde im Februar 1934 verhaftet und konnte seine kranke Mutter nicht pflegen, die bald darauf starb. Nach der Haftentlassung arbeitete Walter Fischer weiter bei der "Pratergruppe" mit, die bis 1938 in der Illegalität tätig war. Im März 1938 demonstrierte er noch für die Unabhängigkeit Österreichs. Im Mai 1938 wurde er in das KZ Dachau deportiert und im September in das KZ Buchenwald überstellt. Er wurde am 9. Mai 1939 entlassen und hatte sechs Wochen Zeit, das Land zu verlassen. Er gelangte über Italien, wobei ihm italienische Soldaten halfen, und Menton nach Nizza. Er musste einige Zeit versteckt leben, bis er vom "jüdischen Comité" Papiere erhielt. Nach Beginn des Krieges wurde er, trotz freiwilliger Meldung zur Armee, interniert und zwar im Lager Fort Carré in Antibes. Es folgte das Lager Les Milles und eines seiner Nebenlager, das ehemalige Strafgefängnis in Forcalquier, wo viele österreichische préstataires untergebracht waren. Nach der Kapitulation flüchtete Walter Fischer mit Freunden nach Bajonne und wollte weiter in die Kolonien. Er blieb in Marseille, wo er sich als Jude anmelden musste und als Metzger arbeitete. Wegen der vielen Razzien suchte er bald in den Wäldern des Dep. Var Arbeit als Holzfäller und konnte schließlich, dank der Hilfe französischer Freunde, eine falsche Identität annehmen. Im September 1942 flüchtete er in die Schweiz, kam zuerst in das Internierungslager Aigle und schließlich, bis Juli 1945, ins Arbeitslager Bonstetten bei Zürich. Er kehrte nach Frankreich zurück, wo er bis November 1949 in Marseille lebte. Danach zog er nach Paris. Er arbeitete bis zur Pension 1980 in seinem erlernten Beruf als "Artisan", also Handwerker. In Marseille und Paris war er Mitglied des "Groupe des socialistes Autrichiens".

    #1 Wien 
    #2 Proletariat
    #3 Handwerker, Installateur, Installateurmeister
    #4 Rassistisch verfolgt
    #5 1938: KZ Dachau, KZ Buchenwald. Nach Mai 1939 illegal über Italien nach Frankreich, Nizza. Ab September 1939 interniert in Fort Carré und Les Milles. Bis Juni 1940 in Forcalquier als préstataire. Marseille, danach Dep. Var. Sept. 1942 Flucht in die Schweiz. Interniert in Aigle und Bonstetten. Im Juli Rückkehr nach Frankreich, Marseille, 1949 Paris.

    #6 préstataire, Metzger, Holzfäller, Lagerinsasse.
    #7
    #8 SAJ, "Groupe des socialistes Autrichiens"
    #9

    #10 Briefe an Herbert Exenberger 
    #11 Deutsch 
    #12 Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger 
    #13 Herbert Exenberger-Archiv im Archiv der TKG: Bestand Anton Pariser
    #14 Handschriftlicher Brief. Einer von 15 handschriftliche Briefen, Berichten und Dokumenten in Kopie, entstanden zwischen 1991 bis 1998
    #15 Brief vom 7. Oktober 1994
    #16
    #17 An Herbert Exenberger
    #18

    Bei seinen Recherchen zum Lyriker Anton Pariser, Mitglied der "Vereinigung Sozialistischer Schriftsteller", lernte Herbert Exenberger den in Frankreich exilierten österreichischen Sozialdemokraten und Elektrotechniker Walter Fischer kennen. Herbert Exenberger half diesem bei einem Gesuch um Anerkennung als Opfer der NS-Verfolgung, für die Walter Fischer auch eine ausführliche Kurz-Autobiografie verfasste. Ohne diesem Dokument wäre wohl über Walter Fischer, der sein Leben für die Demokratie und Freiheit Österreichs eingesetzt hat, nicht viel zu erfahren gewesen.

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    Bruno Frei (Benedikt Freistadt), Pseudonym Karl Franz, (F.) Bruno

    Geboren in Preßburg (Pozsony, Bratislava), 11. 6. 1897; gestorben in Klosterneuburg (NÖ), 21. 5. 1988

    Bruno Frei wuchs als Sohn des Kaufmanns Michael Freistadt und Berta, geb. Hauser, auf. Seine Mutter war mit Heinrich Heine verwandt. Er besuchte die Talmudschule Jessode Hatora in Preßburg und kam im Alter von 12 Jahren nach Wien, wo er bald in einer Abendschule die Matura nachholte und von 1916 bis 1922 Philosophie an der Universität Wien studierte. Seine journalistische Laufbahn begann er 1916 bei Carl Colberts "Der Abend", eine pazifistische, politisch zwischen Sozialdemokratie und KP ausgerichtete Zeitung, für die er bis zum Tod Carl Colberts 1929 arbeitete. Er verfasste Sozialreportagen, welche auch in Buchform erschienen. 1918 war er für die SDAP Delegierter im Arbeiterrat Brigittenau. Ab 1923 war er der Korrespondent von "Der Abend" in Berlin und schrieb ab 1924 auch regelmäßig für "Weltbühne". Von 1929 bis 1933 war er Chefredakteur von „Berlin am Morgen“ und im tschechoslowakischen Exil der Wochenzeitung „Der Gegen-Angriff“. Mit seiner Aufdeckung im Fall Hanussen wurde er einem breiten Publikum bekannt. 1934 wurde er Mitglied der KPD. Er arbeitete in Paris ab 1936 an "Nouvelles d'Allemagne" und an "Nouvelles d'Autriche" mit und war Sekretär des "Schutzverbandes deutscher Schriftsteller". Nach Ausbruch des Krieges wurde er als „feindlicher Ausländer“ interniert. Seine erste Frau Maria kam bei einem Bombenangriff der deutschen Luftwaffe auf Paris um. 1941 gelang ihm die Flucht nach Mexiko; dort u.a. Mitbegründer des Verlages „El libro libre“ und Redakteur der Monatsschrift „Austria libre“. Auch seine beiden Kinder konnten nach Mexiko flüchten. 1947 Rückkehr nach Wien. Arbeitete für die RAVAG und war Vorstandsmitglied des "Österreichischen Schriftstellerverbandes". 1948 Neugründung der Tageszeitung "Der Abend", die jedoch 1956 eingestellt werden musste. Von 1957 bis 1958 war er Peking-Korrespondent für "Die Österreichische Volksstimme". Von 1959 bis 1965 Mitherausgeber des "Österreichischen Tagebuchs“. Auch nach 1968 blieb er Mitglied der KPÖ. 1972 erschien  seine  von  DDR-Verlagen  abgelehnte  Autobiografie  „Der  Papiersäbel“ bei S. Fischer in Frankfurt/M. Ab den 1970er-Jahren Studien und Essays über Utopie, Israel und Josef Popper-Lynkeus.

    • Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser (Hg.): Lexikon der österreichischen Exilliteratur. Wien 2000, 208f

    #1 Preßburg 
    #2 Mittelstand 
    #3 Talmudschule in Preßburg, Abendmatura in Wien, studierte Philosophie an der Universität Wien, Reporter, Chefredakteur, Schriftsteller, ab 1929 in Berlin, Chefredakteur 
    #4 Rassistisch und politisch verfolgt (Antifaschistischer Publizist, Kommunist) 
    #5 Flucht legal, 1933 nach Prag. Ab 1936 in Paris. 1939-1940 interniert (Le Vernet), 1941 über Trinidad, USA (Ellis Island) nach Mexiko, Ciudad de México 
    #6 Schriftstellerisch, journalistisch und politisch tätig.
    #7 1947 Rückkehr über Murmansk nach Wien
    #8 KP
    #9 Bruno Frei: Porträt einer Dichterin (Anna Seghers). In: MdZ 15.Jg. 1/1998, 55f.; Der Zaddik von Unter Sankt Veith. Josef Popper-Lynkeus. In ZW 34.Jg. 1-2/2017, 56-60

    #10 Autobiografie 
    #11 Deutsch 
    #12 2017 von Evelyn Adunka übermittelt 
    #13 Archiv der TKG (
    Original befindet in der Österreichischen Nationalbibliothek
    #14 Typoskript (Computer, Schreibmaschine), Kopie, 109 Seiten 
    #15 Vor 1982 
    #16 1916 bis 1918, Begegnung mit Carl Colbert, erste Arbeit als Reporter, Studium 
    #17
    #18 Publikation von Autor intendiert

    Bruno Frei publizierte 1972 seine Autobiografie "Der Papiersäbel" im S. Fischer Verlag. Darin beschreibt er seinen publizistischen, politischen und auch privaten Werdegang und geht dabei zwar auf seine Kindheit, Jugend und die ersten Reportagen ein, doch nicht so ausführlich wie in "Der Strohhut". In "Der Strohhut" erfährt man viel über Bruno Freis Familie, über seine Kindheit in Preßburg, seine erste Arbeit in Wien, wobei die Begegnung mit dem Herausgeber von "Der Abend" Carl Colbert, der bald sein Chef werden sollte, eine zentrale Rolle spielt, über die Armut in Wien, mit der er bei den Recherchen für seine Reportagen und Buchprojekte direkt konfrontiert wurde sowie über sein beginnendes politisches Engagement.

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    Peter Freund

    Geboren in Wien, 28. 6. 1927; gestorben in Nauheim (Deutschland), 16. 01. 2008

     

    Peter Freund wurde 1927 in Wien als Sohn von Rudolf Freund und Grete Freund, geb. Perlsee, geboren. Zweieinhalb Jahre nach seiner Geburt kam Schwester Hanni auf die Welt. Die Eltern besaßen einen vom Großvater aufgebauten Feinkostladen namens „M. Bammer“ und eine kleine Kaffeesiederei. Ansonsten interessierte man sich für Musik, zeitgenössische Literatur und fürs Wandern. Als Volksschüler las er gerne Bambi, Heidi und Biene Maja, später auch Karin Michaelis' Bibi, Pinocchio, Andersens Märchen, Kipling, etc. Der Vater Rudolf Freund las Karl Kraus oder Peter Altenberg und Grete Freund sei überhaupt die „Belesenere“ gewesen.

    Die Familie wohnte im 9. Bezirk, nicht weit von Arthur Schnitzler, Arnold Schönberg, Sigmund Freud entfernt. Im Erdgeschoss befand sich das Geschäft. Gleichzeitig gab es eine Filiale in Döbling. Peter Freund besuchte die „Schottenschule“, eine sekulare Volksschule der Stadt Wien am Schottentor. Peter Freunds Liebe zu Büchern hielt an, inzwischen hatte er sich Jules Verne, Jonathan Swift, Daniel Defoe, Mark Twain, u.a. zugewandt. Wegen seiner schlechten Noten in Mathematik besuchte Peter Freund vorerst nicht das Gymnasium, sondern eine Hauptschule.

    Die Wohnung der Familie befand sich in der Nähe der Universität Wien, wodurch man die häufigen und brutalen Uni-Krawalle, während derer antisemitische Studierende jüdische verfolgten, zusammenschlugen, direkt mitbekam. Auch die Jugendlichen bildeten „Banden“. Peter Freunds Bande, der auch viele Mädchen angehörten, hatte ihr Revier im Rathauspark. Nach dem März 1938 wurden die jüdischen SchülerInnen von HJ-lern auf der Straße angegriffen.

    Der Vater versuchte ein Fluchtland für die Familie zu finden. Weder die USA noch Frankreich oder das britische Empire wollten sie aufnehmen, weshalb der Plan gefasst wurde, nach Paraguay zu flüchten, in eine Siedlung im Urwald, die Bewohner aus Europa suchte. Dass der Nachbar der Familie, Herr Hirsch, Generalkonsul von Paraguay gewesen war, dürfte bei dieser Entscheidung eine Rolle gespielt haben. Das Einreisevisum nach Paraguay im Reisepass ersparte dem Vater die Gestapo-Haft in der Pogromnacht vom 9. November 1938.

    Am 7. Februar 1939 konnte die Familie Wien verlassen. Peter Freund erzählt in seinen Erinnerungen, dass der Abschied von den Großeltern und von einer Tante und den Cousins und Cousinen „besonders schlimm“ war. Über Zürich ging es nach Paris, von dort nach Boulogne sur-Mer. Am 11. Februar 1939 bestieg die Familie das Schiff „Highland Princess“. Es waren ca. 15 Familien aus Wien in die Kolonie im Urwald Paraguays unterwegs. Man kannte sich, war in einigen Fällen entfernt verwandt. Die Flucht war von der Aktion-Gildemeester organisiert worden. Da in Paraguay nur katholische Einwanderer erwünscht waren, hatten sich die Eltern, Peter und Hanni am 12. November 1938 in der Ruprechtskirche taufen lassen. Von den 15 Familien waren alle getauft, manche schon lange vor 1938, um den katholischen Partner heiraten zu können.

    In Paraguay gelangten die Familien auf abenteuerliche Weise zur „Colonia Independencia“. Diese aus drei Kolonien bestehende Siedlung war nach dem Ersten Weltkrieg von Deutschen aus Deutschlands ehemaligen Kolonien in Afrika gegründet worden. Während der Weltwirtschaftskrise waren ebenfalls viele neue Siedler aus Deutschland und Österreich durch das Angebot angelockt worden, dass es für jeden Siedler ein 20ha großes Grundstück und die Staatsbürgerschaft gebe. Die meisten Österreicher lebten in der „neuen Kolonie“ namens „Carlos Pfannl“. Die „alten Kolonisten“ waren oft Nazi-SympathisantInnen, während die neueren eher Anti-Nazis waren. Die Nazis lasen die aus Buenos Aires kommende „Deutsche La Plata Post“ und die Anti-Nazis die Zeitung „Argentinisches Tageblatt“.

    Am 1. April 1939 waren alle Mitglieder der 15 Familien aus Wien in der Kolonie eingetroffen. Neben Viehzucht gab es kleine Mate- und Erdnuss-Pflanzungen, Obstbäume und Bienenzucht, aber vor allem Urwald. Man wurde von Ameisen und Riesenwespen geplagt, von Heuschreckenschwärmen und Parasiten. Ebenfalls schlimm war die Monotonie. Den regen Austausch, den Peter Freund aus Wien kannte, gab es nicht, auch kaum AltersgenossInnen, kaum FreundInnen. Glücklicherweise hatte man in den Überseekisten einige Bücher mitnehmen können. Über Goethe, Nestroy und Ibsen konnte der 22-jährige junge Mann sich zumindest Literatur erschließen und über Egmont Colerus die Mathematik. Andere Flüchtlinge besaßen etwa „Totem und Tabu“ von Freud. Zu den wenigen gleichaltrigen Jugendlichen zählten die Kinder der Wolframs, einer sozialdemokratischen Familie aus Sachsen. Der Tag war ab Morgengrauen von landwirtschaftlicher Arbeit bestimmt. Um 1945 wurde das Pendeln nach Villarrica, die nächste Stadt, einfacher und Peter Freund begann dort eine Lehre, die „am ehesten mit ‚Schlosser‘ zu bezeichnen“ ist. Im Grunde lernte er vor allem Haushaltsgeräte zu reparieren. 1946 zog die Familie in einen Vorort der Hauptstadt Asunción, da der Vater einen Posten als Betriebsleiter einer größeren Firma erhalten hatte. Peters Schwester Hanni wollte eine Ausbildung als Fremdsprachensekretärin beginnen, wurde jedoch im Haushalt gebraucht und durfte nur einen Englisch-Abendkurs des „Centro Cultural Paraguayo-Americano“ besuchen, den auch Peter Freund in Anspruch nahm. Dieser fand bald Arbeit als Techniker in einer dem Sozialministerium unterstellten Organisation, welche für die Instandhaltung von Krankenhäusern und anderer Einrichtungen zuständig war. 1948 kam es wieder zu einem Putschversuch und zu Bürgerkrieg. 1949 zogen Peter Freund und seine jüngere Schwester Hanni aus dem bürgerkriesgeschüttelten Paraguay nach Montevideo in Uruguay. Zu diesem Zeitpunkt hatten die meisten WienerInnen aus der Aktion-Gildemeester die Kolonie verlassen. Montevideo war eine kleine Weltstadt. Peter Freund begann als Schmied zu arbeiten und Hanni als englischsprachiges Kindermädchen. Erste Beziehungen und ein abwechslungsreicheres Leben mit Freizeitbeschäftigungen wie Kino- und Konzertbesuchen, Fahrradtouren gehörten neben der Arbeit nun zum Alltag. Nach vier Jahren diverser Jobs, wie der Arbeit als Monteur bei der Niederlassung der „Ford Motor Company“ in Montevideo, bei der Nähmaschinenfabrik von „Singer“, bei einem Hersteller von Thermosflaschen und in einer Margarine-Fabrik kam er in einem Kraftwerksbau als Schweißer unter, verdiente besser als zuvor und kaufte sich seinen ersten Fotoapparat. Er absolvierte eine Weiterbildung als Schweißer am Uruguayischen Schweißinstitut und war bald ein staatlich anerkannter Facharbeiter. Hanni hatte inzwischen einen Deutschen geheiratet, weshalb man 1957 nach Deutschland zog. Mit 30 fing Peter Freund ein neues Leben an. Er arbeitete für einen deutschen Konzern in Argentinien, verdiente dabei genug, um 1965 als Ingenieur ein Maschinenbaustudium abzuschließen. Inzwischen hatte er Traudel geheiratet, die er in Mainz bei einem Faschingsfest kennen gelernt hatte. Die folgenden Jahrzehnte arbeitete er als Ingenieur zwischen Deutschland und Südamerika.

     

    #1 Wien 
    #2 Mittelstand
    #3 Schule. In Südamerika zum Bauschlosser und Elektroschweißer ausgebildet, 1965 Abschluss des Maschinenbaustudiums in Darmstadt. Rohrleitungsingenieur in Spanien, Lateinamerika, Saudi-Arabien
    #4 Rassistisch verfolgt 
    #5 Flucht legal durch Aktion-Gildemeester. Im Februar 1939 nach Paraguay, Colonia Independencia, ab 1949 Montevideo (Uruguay), 1957 nach Deutschland

    #6 Arbeiter
    #7 Keine Rückkehr
    #8 Familie, Arbeit

    #9  

    #10 Memoiren 
    #11 Deutsch 
    #12 Frühjahr 2019 über Vermittlung von Katrin Sippel durch den Neffen des Autors an das Archiv 
    #13 Digitales Archiv der TKG 
    #14 Digitale word-Datei, 204 Seiten 
    #15 Abgeschlossen Weihnachten 2005
    #16 Lebensgeschichte, vor allem über die Kindheit, die Flucht und das Leben in Paraguay und Uruguay.
    #17

    #18 Publikation von Autor intendiert

    Peter Freund schildert in seinen Erinnerungen die Etappen seines Lebens, von seiner Kindheit in Wien über die Flucht bis hin zu einem halbwegs normalen Leben, das er nach 30 Jahren zu führen beginnen konnte.

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    Josef Friedler

    Geboren in Wien, 20. 9. 1911; gestorben in Wien, 28. 5. 1983

    Josef "Joschi" Friedler wurde 1911 in Wien geboren, verbrachte seine ersten vier Lebensjahre in der Leopoldstadt, danach zog die Familie in eine Wohnung an der Brigittenauerlände 58/35 am Donaukanal. Friedlers Eltern stammten aus Ostgalizien, waren schon vor dem Ersten Weltkrieg nach Wien gekommen. Der Vater, gehbehindert und im Handel tätig, hatte einen Sohn in die Ehe mitgebracht, die Mutter eine Tochter, gemeinsam bekamen sie noch zwei Kinder, Joschi und die Tochter Gretl, geboren 1916. Zu sechst lebten sie ärmlich auf Zimmer, Küche, Kabinett, Josef Friedler erinnert sich an "die immer schlechter werdende Ernährung, Heizung und Bekleidung". Seine Familie sah er "auf dem Wege der Assimilation", sie aßen koscher, begingen die hohen Feiertage, die Eltern sprachen untereinander ein "verwässertes Jiddisch" – "sie haben halt gejüdelt", im Gespräch mit ihren Kindern bemühten sie sich um korrektes Hochdeutsch.
    Josef besuchte ein öffentliches Gymnasium in der Leopoldstadt. Mit 13 trat er dem zionistisch-sozialistischen Verein Hashomer Hatzair (hebr. "Der junge Wächter") bei, der an den Pfadfindern orientiert war; mit 15 wurde er für die "Vereinigung Sozialistischer Mittelschüler" an- und abgeworben; bei einem Jugendlager dieser Organisation lernte er Jura Soyfer kennen. Nach der Matura begann Friedler 1932 ein Medizinstudium, trat den Sozialistischen Studenten und der SP bei und wurde auch Angehöriger der Studentischen Abteilung des Schutzbunds, der "Akademischen Legion". Als nach der Auflösung des Parlaments durch die Regierung Dollfuß im März 1933 kein "Kampfbefehl" für den Schutzbund gegeben wurde, führte dies bei Friedler zu einem Gesinnungswandel; er trat einer Gruppe bei, die sich "Linksradikale Arbeiteropposition" nannte und eng mit der KP zusammenarbeitete. Als Mitglied der sozialdemokratisch geleiteten "Vereinigung Wiener Mediziner" beschloss Friedler im Februar 1934 gemeinsam mit anderen die Gründung eines roten Studentenverbands. Nach dem 12. Februar, schwer enttäuscht von der Untätigkeit der Sozialdemokratie, trat Friedler der KPÖ bei und wurde Funktionär in der Medizinersektion der "Roten Studenten". Im November 1936 wurde er festgenommen – er hatte über Postversand Kontakt mit einer kroatischen Kommunistengruppe gehabt. Im Verhör gab er nichts zu und wurde zu vier Monaten Polizeihaft verurteilt. Diese Strafe verbüßte er vom 28.11.1936 bis zum 28.3.1937. Daraufhin wurde ihm in einem Disziplinarverfahren das 9. Semester aberkannt und laut Beschluss des Dekanats ein Verweis für alle österreichischen Hochschulen "auf immer" ausgesprochen.
    Nach Verbüßung der Polizeihaft kam Friedler in das Anhaltelager Wöllersdorf. Er hatte dort die Aufgabe eines "Gruppenlehrers" und unterrichtete Marxismus, andere bauten Musikinstrumente oder fertigten Schachfiguren und anderes aus Brot. Als Haftzeit vorgesehen waren vorerst sechs Monate, er wurde aber schon nach wenigen Wochen im April 1937 freigelassen.

    Das Hauptaugenmerk des "Roten Studentenverbands" lag nun nicht mehr auf Bekämpfung des Austrofaschismus, sondern des Nationalsozialismus, man versuchte, sich mit katholischen Studentenverbänden zusammenzuschließen. Friedler engagierte sich auch für die Volksabstimmung für Österreich. Nach der Annexion Österreichs flüchtete er zu seinem Cousin Adolf Friedler; über eine jugoslawische Kommunistengruppe, zu der seine Cousine gehörte, konnte er sich einen falschen Pass organisieren und nach Frankreich flüchten. Dort lernte er seine spätere Frau Anna (Tochter des Anwalts Heinrich Steinitz) wieder getroffen, die er schon aus seiner Zeit bei den "Roten Studenten" kannte, wo sie gemeinsam in der Leitung waren. Sie war 1938 nach Frankreich geflüchtet, wo sie durch eine Scheinehe (Ehenamen Maugis) unbehelligt leben konnte und für die Résistance tätig war.
    Am 1. August 1944 Médecin Sous-Lieutenant des Bataillon Carmagnole der F.t.P. (Francs-tireurs et partisans). Als "Combattant Georg Ziem" kämpfte er auch in den Reihen der FFI (Forces Françaises de l'Interieur). Spätestens im November 1944 arbeitete er am Spital für deutsche Kriegsgefangene in Villemantzy "als Verbindungsoffizier zwischen dem französischen Kommando und dem Sanitätspersonal der Gefangenen", im Februar 1945 im Hôpital Complémentaire Chanes – La Valbonne. Bis August 1945 war er für die F.F.I. tätig.
    Im Oktober 1945 nach Österreich zurückgekehrt, wurde Josef Friedler im Wintersemester 1945/46 wieder an der Universität Wien aufgenommen (4. Jänner 1946) und absolvierte sein 10. Semester. Seine Promotion (nach der alten Ordnung, also ohne Dissertation) erfolgte am 27.3.1947.
    1947 lebte er mit seiner Frau, die er im selben Jahr in Wien geheiratet hatte, sowie den Söhnen Georg Henri (geboren 19.4.1944) und Wolfgang (geboren 5.9.1946) in der Prinz Eugen-Straße 58/10 und war im Altersheim der Stadt Wien in Lainz als Arzt tätig. Ab 1957 war er praktischer Arzt in Wien-Favoriten, bis 1976 Betriebsarzt auf einem Ölfeld. 1945 war Josef Friedler Mitglied der ZKs der KPÖ. 1964 kam es zu ideologischen Differenzen. Bis zu seinem Tod war er Mitglied der 1968 gegründeten "Vereinigung Revolutionärer Arbeiter". Josef Friedler starb am 28. Mai 1983. (KS)

    • Ernst Berger: Familie Friedler. In: Ernst Berger, Ruth Wodak: Kinder der Rückkehr. Geschichte einer marginalisierten Jugend. Wiesbaden 2018, 256-270
    • Informationen aus dem autobiographischen Text "In Frankreich für Österreich", Akten aus dem Archiv der Universität Wien und dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands und Informationen durch Sohn Wolfgang Friedler.

    #1 Wien
    #2 Proletariat
    #3 Matura, Medizinstudium, Weiterführung des Studiums verboten nach Verurteilung wegen politischer Betätigung. Nach dem Krieg als Arzt tätig 
    #4 Rassistisch und politisch verfolgt (Kommunist) 
    #5 Flucht illegal, gefälschter Pass. 1938 Italien, Frankreich, Paris, Rouen, Martigny-Les-Bains, Neufchâteau, Les Milles, unbekannter Ort bei Le Mans, Lyon, Bron, Les Milles, Villemantzy, La Valbonne
    #6 Hilfsdienst für die französische Armee, interniert im Lager Les Milles (September 1942), ab 1942 in Lyon unter dem falschem Namen Georg Ziem, ab 1943 Widerstandstätigkeit als Dolmetscher für die Deutsche Wehrmacht. 1944 bis August 1945 tätig für die Forces Françaises de l'Intérieur (FFI) in diversen Krankenhäusern
    #7 Rückkehr Oktober 1945 
    #8 KPÖ, Résistance, FTP, FFI
    #9 In ZW erscheint ein kommentierter Text in 37.Jg., Nr. 1-2/2020

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung 
    #11 Deutsch 
    #12 Zweiter Teil im Mai 2019, zusätzliche 40 Seiten Typoskript (Schreibmaschine), eingescannt, vom Sohn des Autors per Mail zugesandt
    #13 Archiv der TKG (Box „Exil Frankreich“) 
    #14 Typoskript (Schreibmaschine), 42 Seiten, im Mai 2019 zusätzliche 40 Seiten Typoskript (Schreibmaschine) eingescannt
    #15 1980er-Jahre entstanden
    #16 Zeit in der Résistance
    #17
    #18 Publikation von Autor intendiert

    Das 42-seitige, kopierte Schreibmaschinen-Typoskript aus dem Nachlass Siglinde Bolbechers im Archiv der Theodor Kramer Gesellschaft (TKG) wies keinerlei Hinweise zu AutorIn oder Überlieferung auf. Aufgrund der aus dem Text hervorgehenden Informationen konnte mittels Literaturrecherchen als Verfasser Josef "Joschi" Friedler identifiziert werden. Entstehungszeit dürften die frühen 1980-er Jahre gewesen sein: Das Münchener Abkommen wird im Text mit "vor fast einem halben Jahrhundert" erwähnt.

    Im Kontakt mit dem Sohn des Verfassers, Wolfgang Friedler, stellte sich heraus, dass dieser einen weiteren Teil des Typoskripts besitzt, der im Archiv der Theodor Kramer-Gesellschaft nicht vorhanden ist. Dankenswerterweise scannte er die 40 Seiten ein und stellte sie für das Projekt zur Verfügung, darüber hinaus zahlreiche Dokumente und Fotos zum Aufenthalt seines Vaters in Frankreich. Wolfgang Friedler schreibt zu den Erinnerungen von Josef Friedler: "Wir fanden das Exemplar, das ich besitze, im Nachlass meiner Mutter. Sicher ist nur, dass mein Vater nicht selbst auf einer Schreibmaschine geschrieben hat und der Text nicht von meiner Mutter abgetippt wurde."

    Der Text ist betitelt mit "In Frankreich für Österreich". Das ist auch der Untertitel eines Buchs von Franz Richard Reiter, erschienen im Jahr 1984, basierend auf den Erinnerungen von WiderstandskämpferInnen. Möglicherweise schrieb Friedler seine Erinnerungen damals auf und sie wurden dann nicht in dem Band publiziert.

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    Hans Friedmann

    Geboren in Wien, 5. 2. 1914; gestorben in Västerås (Schweden), 29. 6. 2006

    Hans Friedmann wurde 1914 in Wien geboren. Von 1932 bis 1934 war er Mitglied des "Verbandes Sozialistischer Studenten", von 1934 bis 1938 Funktionär des "Roten Studentenverbandes", der gemeinsamen illegalen Studentenorganisation der Kommunisten und Revolutionären Sozialisten, und im Widerstand tätig. Sein Deckname war "Egon". Bis zu seinem Ausschluss Ende 1937 Mitglied der KPÖ. 1937 begann er sein Doktoratsstudium bei Prof. Philipp Gross am I. Chemischen Institut der Universität Wien. 1938 flüchtete er über die Niederlande nach Kolumbien. In Kolumbien arbeitete er als Mittelschullehrer sowie als Chemiker bei einem Zement-Unternehmen. 1947 übersiedelte er nach Schweden, wo er weiterhin als Chemiker arbeitete. Rückkehr nach Wien 1953 und Arbeit als Chemiker und Betriebsleiter der LOBA Chemie. Von 1954 bis 1956 setzte er sein unterbrochenes Studium der Chemie fort und promovierte. Seit 1980 in Pension und ehrenamtlicher Mitarbeiter des DÖW. (AE)

    • Hans Friedmann: Emigration in Kolumbien 1938 bis 1947. In: Friedrich Stadler (Hg.): Vertriebene Vernunft. Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft 1930-1940. Münster 2004, 478-486
    • Die Autoren. In: Friedrich Stadler (Hg.): Vertriebene Vernunft. Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft 1930-1940. Münster 2004, 574

    #1 Wien 
    #2 Mittelstand 
    #3 Matura, Chemiestudium, erzwungener Abbruch des Studiums (1956 Abschluss nachgeholt). Chemiker in Schweden und Österreich.
    #4 Rassistisch und politisch verfolgt (Kommunist)
    #5 Flucht legal (Visum für Kolumbien). Im April 1938 über die Niederlande nach Kolumbien, dort wohnhaft in Bogotá, Tumaco, La Siberia. Ab 1947 Sundbyberg, Köping (Schweden)
    #6 In Kolumbien Mittelschullehrer und Chemiker bei einem Zementunternehmen
    #7 Rückkehr 1953 
    #8 KPÖ
    #9

    #10 Memoiren
    #11 Deutsch 
    #12 übermittelt von Hans Friedmann 
    #13 Archiv der TKG 
    #14 gebundenes Typoskript (Computer), 129 Seiten mit Anhang 
    #15 Zwischen Mitte und Ende der 1990er-Jahre entstanden
    #16 Seine Erlebnisse 1938, die Flucht nach Kolumbien, Heirat
    #17
    #18

    Hans Friedmann erzählt vom März 1938, von der letzten Rede Schuschniggs im Radio, von der Flucht über Amsterdam nach Kolumbien und von den Menschen, die ihm dabei halfen.

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    Alfred Frisch, Pseudonym Alfred Falster

    Geboren in Wien, 8. 8. 1910; gestorben in Wien, 27. 10. 1991

    Alfred Frisch wurde 1910 als Sohn des "Hof- und Gerichtsadvokaten" Hugo Frisch geboren; er wuchs in Wien und Baden auf, absolvierte mit Auszeichnung das Mariahilfer Gymnasium in der Amerlingstraße und studierte 1929-33 Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Er war Mitglied der "Roten Falken", der sozialistischen Studentenvereinigung, und nach 1934 der Revolutionären Sozialisten, hatte auch Kontakte zu Kommunisten. Schon in seiner Gymnasialzeit verfasste er Gedichte, Reportagen und historische Skizzen. Beim "Bund junger Autoren Österreichs", Trägerverein der Kleinkunstbühne "Literatur am Naschmarkt", fand er Kontakt zu anderen jungen Schriftstellern. Er war auch als Rechtsanwaltsanwärter in einer Anwaltskanzlei tätig.
    1939 gelang ihm die Flucht nach Frankreich, von wo aus er sich vergeblich bemühte, Einreisebewilligungen für Mutter und Bruder zu organisieren. Bis Mai 1940 arbeitete er in einer Strumpffabrik in Moreuil (Region Hauts-de-France), danach als prestataire bei der französischen Armee. Er wurde nach deren Kapitulation entlassen, flüchtete über Tours nach Lyon, wo er als Hotelportier und Hilfsarbeiter bei der Rhone-Regulierung tätig war. Zu dieser Zeit stand er in Verbindung mit der Résistance und erhielt eine gefälschte carte d'identité als "Alfred Falster", geboren in Straßburg.
    1942 überquerte er illegal die Grenze in die Schweiz. In Genf wurde er interniert und arbeitete später für die "Aide Internationale pour les Intelléctuels" und bei der Zeitschrift "Lettres Suisses", er übersetzte Jura Soyfers Dachau-Lied ins Französische.
    Im Herbst 1945 kehrte Frisch nach Wien zurück und ließ sich als Rechtsanwalt nieder, war hauptsächlich auf den Gebieten Opferfürsorge und Restitution tätig. Er war Mitglied beim österreichischen P.E.N.-Club, schrieb für die Zeitschriften "Plan", "Lynkeus", "Log", "Mit der Ziehharmonika" und übersetzte aus dem Polnischen, Französischen, Italienischen und Jiddischen. 1977 erschien sein erster Gedichtband. 1967 heiratete er die Ärztin Vera Oertl. Frisch engagierte sich für verfolgte griechische Demokraten, die Rechte der Kurden, die Österreichische Liga für die Vereinten Nationen und Amnesty International. Er verstarb 1991 in Wien.
    Werke: Werke aus den Bereichen Rechtswissenschaften, Gesellschaftspolitik, ein Band zum Tod Kronprinz Rudolfs und Mary Vetseras in Mayerling; auch vier Lieder für Gesang und Klavier, komponiert von Josef Marx, weisen Frisch als Texter aus. (KS)

    • Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser (Hg.): Lexikon der österreichischen Exilliteratur. Wien 2000, 221f

    #1 Wien
    #2 Mittelstand, sozialdemokratisch, Vater Rechtsanwalt 
    #3 Gymnasium, Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien, Abschluss 1933, Rechtsanwaltsanwärter. Rechtsanwalt
    #4 Rassistisch und politisch verfolgt (Sozialdemokrat) 
    #5 Visum für Frankreich, vorher Verhaftungsversuch durch Gestapo, 1939 in Frankreich: Paris, Montdidier, Moreuil, Tours, Lyon; 1942 Genf (Schweiz)
    #6 bis Mai 1940 Arbeit in Strumpffabrik, im Juni 1940 prestataire-Hilfsdienst für die französische Armee, Tours, Lyon, Résistance-Mitglied unter dem Namen Alfred Falster, 1942 in die Schweiz, interniert 
    #7 Rückkehr Herbst 1945 
    #8 Rote Falken, Sozialistische Studenten, Revolutionäre Sozialisten, "Literatur am Naschmarkt", Résistance, Aide Internationale pour les Intelléctuels, "Lettres", P.E.N.-Club, 
    #9 Alfred Frisch: Gedichte: Die alten Männer; Korczak: Sein Bild 1927; An den Ufern der Loire. 10. Juni 1940. In: MdZ 9.Jg. Nr.1/1992, 10; Geboren in Lemberg; Das österreichische Gesicht, MdZ 9.Jg. Nr.4/1992, 12; Kommentierter Text Unbetiteltes Typoskript erscheint in ZW 36.Jg. Nr.3/2019.

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung, literarisiert 
    #11 Deutsch 
    #12 von Rechtsnachfolgerin Vera Oertl (Witwe) im Rahmen eines Publikationsvorhabens übergeben
    #13 Archiv der TKG (Alfred Frisch Box 2) 
    #14 Typoskript (Schreibmaschine), 7 Seiten 
    #15 Vermutlich in den 1970er-Jahren geschrieben 
    #16 Empfehlung bei französischer Botschaft, Vermeidung der Verhaftung durch Geistesgegenwart 
    #17
    #18 Publikation vom Autor intendiert

    Die Manuskripte Alfred Frischs im Archiv der TKG wurden von seiner Witwe Vera Frisch 1992 an Konstantin Kaiser übergeben. Die Typoskripte stellen vermutlich eine Rohfassung dar; Konstantin Kaiser vermutet, sie seien von Vera Frisch abgetippt (von Frischs angeblich für andere unlesbarer Handschrift), dies könnte zu Fehlern geführt haben, da für Vera Frisch Deutsch nicht die Schulsprache war. Vermutlich entstanden die Aufzeichnungen in den 1970er-Jahren, auch wenn Frisch sie als tagebuchachartig-zeitgenössisch darstellt, indem er angibt, den Text direkt in Lyon  verfasst zu haben.

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung, literarisiert 
    #11 Deutsch 
    #12 von Rechtsnachfolgerin Vera Oertl (Witwe) im Rahmen eines Publikationsvorhabens übergeben
    #13 Archiv der TKG (Alfred Frisch Box 2) 
    #14 Typoskript (Schreibmaschine) in Kopie, 50 Seiten 
    #15 Vermutlich in den 1970er-Jahren geschrieben 
    #16 Tage der Flucht, des Krieges und der Kapitulation
    #17
    #18 Publikation intendiert

    Frisch schrieb auch einen längeren Text über seine Zeit in Frankreich: Das schon bearbeitete Typoskript mit dem Titel "Die anderen mehr als 100 Tage Frankreichs und die Blindschleiche" im Bestand der TKG umfasst 50 Seiten, eine Veröffentlichung des Texts im Verlag der TKG ist geplant.

    Frisch verfasste seine Erinnerungen zu einer Zeit, in der das Interesse an Exil-Schicksalen äußerst gering war und wenig Aussichten auf eine Publikation bestanden, die ursprünglich seine Intention war.

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    Therese Harpner, geb. Tauszky

    Geboren in Holics, 7. 9. 1873; gestorben in Großbritannien, ca. 1954

    Therese Tauszky wird in Holics, nahe Preßburg, als Tochter des Arztes Dr. Samuel Tauszky und Leonore Tauszky geboren. Mit 18 heiratet sie den Wiener Anwalt Gustav Harpner. Ihr Bruder Hans Tauszky wurde ebenfalls Anwalt und arbeitete bei seinem Schwager als Konzipient. Zwei Jahre nach der Hochzeit kam Sohn Franz 1897 zur Welt, 1900 Otto und 1908 die Tochter Marie. Gustav sollte einer der prominentesten Anwälte Wiens werden. 1896, also am Anfang seiner Karriere und ein Jahr nach der Hochzeit, vertrat er die eben gegründete Eisenbahnergewerkschaft. 1902 trat das Ehepaar zum katholischen Glauben über und ließ auch die Kinder taufen. Gustav Harpner verstarb 1924 und sein Sohn Otto Harpner übernahm die Anwaltskanzlei. Therese Harpner liebte Musik und organisierte Hauskonzerte mit bekannten MusikerInnen. Es half in diesem Zusammenhang sicher, dass ihr Mann die bekanntesten MusikerInnen Wiens, so Gustav Mahler, Franz Lehár, vertrat, und ihre Schwester Marie Tauszky eine bekannte Pianistin war. Während der Monarchie vertrat Gustav Harpner viele der oft vor Gericht stehenden sozialdemokratischen und demokratischen PolitikerInnen. Seine berühmtesten Fälle waren 1901 die Verteidigung Tomáš Garrigue Masaryk, welcher die Justiz nach einem Ritualmord-Prozess, bzw. einem antisemitischen Gerichtsverfahren, attackiert hatte, und die Verteidigung Friedrich Adlers vor dem Ausnahmegericht, nachdem dieser am 21. Oktober 1916 den Ministerpräsidenten Karl Stürgkh ermordet hatte. Nach der Ausrufung der Republik wurde er "Anwalt der Republik", Präsident des Kriegsgeschädigtenfonds und in den letzten zwei Jahren seine Lebens Präsident der Rechtsanwaltskammer Wiens.
    Im August 1938 konnte Therese Harpner mit ihrem Sohn Otto nach Großbritannien flüchten, wohin 1937 schon Franz Harpner ausgewandert war. Otto Harpners Ehefrau Lisa und die Enkelkinder Stefan Gustav (geb. 1930) und Lotte (geb. 1937) folgten im Jänner 1939. Therese Harpners Tochter Marie konnte 1939 mit ihrem Ehemann nach Großbritannien flüchten. Therese Harpner wohnte bei ihrem Sohn Otto Harpner und seiner Familie in Cambridge und kümmerte sich um die Enkelkinder. Anfangs wohnten im selben Haus auch die Tochter Marie, ihr Mann Josef Graf und ihr Sohn, bevor diese in die USA auswanderten.
    Während ihr Sohn Otto Harpner, nach einer Zeit der Internierung, für die Idee eines "internationalen und interdemokratischen Rechts" und für ein befreites, demokratisches Österreich eintrat, aktiv bei der "Austrian Democratic Union", der "Study Group of Austrian Lawyers in Great Britain", der österreichischen Sektion der "New Commonwealth Society of Justice and Peace", der "Anglo-Austrian Society" und der "Anglo-Austrian Music Society" mitwirkte, Artikel schrieb, Vorträge über Österreich am United Nation Center der London University hielt, half Therese Harpner ihrer Schwiegertochter Lisa Harpner im Haushalt und mit den Enkelkindern. (AE)

    • Ilse Reiter: Gustav Harpner (1864 - 1924). Vom Anarchistenanwalt zum Anwalt der Republik. Wien u.a. 2008
    • Alexander Emanuely: Lese Hamlet, spiele Bridge! Der Wiener Anwalt Otto Harpner im britischen Exil – zwischen Internierung und politischem Engagement. In: ZW 27.Jg. Nr.4/2010, 14-18

    #1 Wien 
    #2 Mittelstand, Vater war Arzt, Ehemann Gustav Harpner Rechtsanwalt
    #3 Schulausbildung, Musikausbildung für Hausmusik
    #4 Rassistisch verfolgt 
    #5 Flucht legal; London (Großbritannien), Cambridge.
    #6 Familie
    #7 Nicht zurückgekehrt
    #8 Familie

    #9

    #10 Brief
    #11 Deutsch
    #12 von Stefan G. Harpner zwischen 2011 und 2015 übergeben 
    #13 Archiv der TKG (Otto Harpner Papers) 
    #14 Brief, zwei Seiten
    #15 6. 5. 1944
    #16 Bericht von Stefan G. Harpners Granny über ihren Alltag.
    #17 Stefan Gustav Harpner
    #18

    Therese Harpner steht im Schatten ihres berühmten Mannes und sehr bekannten Sohnes. Sie verfasste keine Erinnerungen und falls es ein Tagebuch gegeben hat, ist es verschollen oder blieb unter Verschluss. Autobiografisches findet sich nur in ihren Briefen. Dabei handelt es sich um Momentaufnahmen. In ihrem Brief an den Enkelsohn Stefan G. Harpner, der schulpflichtig war und ein Internat besuchte, berichtet "Granny" über ihren Alltag, über die Langeweile des Landlebens und die schöne Landschaft. Sie fragt ihren Enkelsohn, ob es in Ordnung sei, dass sie auf Deutsch schreibe, also schreibt "wie mir der Schnabel gewachsen - also in meiner Muttersprache." In wenigen Zeilen beschreibt sie einen Zustand im Exil, der heißt: herausgerissen sein. In einem Alter, da andere sich schon zur Ruhe setzen, musste sie ein neues Leben in einem neuen Land, mit einer neuen Sprache beginnen. Sie konnte nicht mehr ihren Vorlieben nachgehen, lebte isoliert und teilte somit das Schicksal sehr vieler Exilierter, von denen es jedoch keine Zeugnisse mehr gibt, da sie keine Menschen des öffentlichen Lebens waren, die entweder keine Lebensbeschreibungen verfassten oder wenn doch, diese längst im Rahmen von Nachlassauflösungen zum Altpapier gekommen sind. Dass wir von Therese Harpner einige Briefe besitzen, verdanken wir ihrer Familie, und der Tatsache, dass ihre Zeugnisse im schriftlichen Nachlass zweier berühmter Männer zu finden sind.

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    Carry Hauser

    Geboren in Wien, 16. 2. 1895; gestorben in Wien, 28. 10. 1985

    Carry Hauser wurde am 16. Februar 1895 in Wien geboren, war nach dem Ersten Weltkrieg eng mit Franz Theodor Csokor befreundet, für dessen Stücke er auch Bühnenbilder entwarf. Ab 1925 war er Mitglied des Hagenbundes und auch kurz dessen Präsident. Nach dem März 1938 flüchtete seine Frau, die bekannte Pädagogin Gertrud Herzog-Hauser, mit dem gemeinsamen Sohn in die Niederlande, wo beide als U-Boot überleben konnten. Carry Hauser flüchtete in die Schweiz, wo er bei Margarete Schell-Noé und Hermann Ferdinand Schell (die Eltern von Maria und Maximilian Schell) unterkam und neben vielen anderen Tätigkeiten an seinem Roman "Zwischen Gestern und Morgen" arbeitete. An seinem ehemaligen Wohnhaus in der Nähe des Schönbrunner Tiergartens ist eine Gedenktafel mit folgendem Text angebracht:

    In diesem Hause wohnte seit seiner Rückkehr aus der Emigration 1947 der große Maler, Dichter und Anti-Faschist Carry Hauser.

    Neben seiner Arbeit als Maler war er auch stark in die Geschicke des Österreichischen P.E.N.-Clubs involviert, dessen Generalsekretär er viele Jahre lang war. Carry Hauser starb am 28. Oktober 1985.

    • Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser (Hg.): Lexikon der österreichischen Exilliteratur. Wien 2000, 287f

    #1 Wien 
    #2 Mittelstand
    #3 Studium der Rechtswissenschaften; Maler 
    #4 Berufs- und Ausstellungsverbot im Deutschen Reich 
    #5 1939 in die Schweiz, Zürich
    #6 Malt und schreibt 
    #7 Rückkehr 1947 
    #8 Hagenbund, P.E.N.-Club 
    #9 Carry Hauser: Aus den Notizen eines Flüchtlings in der Schweiz. Aus dem Nachlass. In: ZW 14. Jg. Nr. 1/1997, 7–10; Irrende Menschen (Zeichnung). In: ZW 14.Jg. Nr.1/1997, 9; Zeichnung. In: ZW 14.Jg. Nr.1/1997, 10; Die beiden Schwestern (Ölbild). In: ZW 14.Jg. Nr.3/1997, 47; Cover der von Erwin Chvojka hg. Kramer-Anthologie „Einer bezeugt es...“. In:  In: ZW 20.Jg. Nr.4/2003, 29 und In: ZW 28.Jg. Nr.1-2/2011, VII; Zwischen gestern und morgen. Epilog. In: ZW 32.Jg. Nr.2-3/2015, 20f.; Kleines Buschbild (Öl/Platte), datiert 1974. In: ZW 35.Jg. Nr.1-2/2018, 1; Selbstporträt, 1941 (Bleistift/Papier). In: ZW 35.Jg. Nr.1-2/2018, 30; Trude Herzog-Hauser, 1923 (Kohle/Papier). In: ZW 35.Jg. Nr.1-2/2018, 30; Schauender, 1922 (Holzschnitt/ Papier). In: ZW 35.Jg. Nr.1-2/2018, 31; Emigration, um 1946 (Bleistift/Papier). In: ZW 35.Jg. Nr.1-2/2018, 31; Beim Lesen, um 1949 (Tusche/Papier). In: ZW 35.Jg. Nr.1-2/2018, 32; Zwischenstation, um 1949 (Bleistift/Papier). In: ZW 35.Jg. Nr.1-2/2018, 32; Gefangener, 1936 (Bleistift/Papier). In: ZW 35.Jg. Nr.1-2/2018, 33; Traum in der Trattoria, 1982 (Kugelschreiber/Papier). In: ZW 35.Jg. Nr.1-2/2018, 33.

    #10 Roman mit stark autobiografischen Zügen 
    #11 Deutsch 
    #12 2015 von Adolf Opel übergeben 
    #13 Archiv der TKG 
    #14 Typoskript (Schreibmaschine) in Kopie, drei von 291 Seiten 
    #15 1943 
    #16 März 1938 und der Entschluss zu flüchten
    #17
    #18 Publikation vom Autor intendiert

    Carry Hauser schrieb seinen autobiografischen Roman im Schweizer Exil. Im ausgewählten, 1943 geschriebenen Kapitel geht es um die Tage des Einmarschs der deutschen Truppen in Österreich. Der Hauptprotagonist C. ist nicht direkt bedroht, denkt an innere Emigration, sieht jedoch davon ab, als er die Gewalttätigkeiten beobachtet und von den überfüllten Leichenhallen erzählt, von all jenen, die in diesen Tagen ihrem Leben ein Ende gesetzt haben. C.s Wohnung wird von der Polizei durchsucht, er jedoch nicht verhaftet, er mutmaßt, weil er ein ungefährlicher Künstler sei. Er ist stolz darauf, dass ihm die neuen Machthaber Berufsverbot erteilen. Ihn schockiert die Resignation vieler. Der Alltag wird unerträglich, er beschließt zu emigrieren, und seine Frau Ruth, die gegen die Emigration ist, obwohl sie als Jüdin tatsächlich in Lebensgefahr war, willigt schließlich ein. 

    #10 Manuskript für einen Vortrag 
    #11 vermutlich Anfang/Mitte der 1990er Jahre von Adolf Opel übergeben 
    #13 Archiv der TKG 
    #14 Typoskript (Schreibmaschine) in Kopie, 7 Seiten 
    #15 Am 13. Juni 1947
    #16 Schweizer und Züricher Eindrücke
    #17

    #18 Publikation vom Autor intendiert

    Carry Hauser beschreibt in den ersten Zeilen den Unterschied, die Schweiz als Tourist zu erleben und als "Tolerierter und Schriftenloser", also als Flüchtling ohne Aufenthaltsbewilligung. Eigentlich wollte Carry Hauser im Sommer 1939 weiter nach Australien ausreisen, was jedoch mit dem baldigen Ausbruch des Weltkrieges nicht mehr möglich war. Der Maler durfte nicht nur in seiner Heimat nicht mehr als Künstler arbeiten, es war ihm dies anfangs auch in der Schweiz verboten. Er erinnert an drei Österreicher, die in Zürich begraben wurden: Eugenie Schwarzwald, Felix Salten und Hans Hollitscher und berichtet von den mutigen KünstlerInnen der Züricher Kleinkunstbühne "Cornichon" und vom Schauspielhaus, die "einzige freie Sprechbühne deutscher Sprache". Er erzählt auch von Arbon, dem Industrievorort von Zürich, in dem er wohnt.

     

    #10 Tagebucheinträge 
    #11 Deutsch 
    #12 vermutlich Anfang/Mitte der 1990er Jahre von Adolf Opel übergeben 
    #13 Archiv der TKG 
    #14 Typoskript (Schreibmaschine) in Kopie, 16 Blätter
    #15 1942 bis 1947 
    #16 Kurze Überblicke über das Erlebte im jeweiligen Jahr.
    #17
    #18 Publikation vom Autor intendiert

    Carry Hauser erzählt von den wichtigsten Begegnungen und Ereignissen, die er im jeweiligen Jahr erlebt und zählt die Bilder auf, die er gemalt hat. 1946 trifft er wieder mit seiner Frau Trude Hauser und dem Sohn Heinz zusammen, die in den Niederlanden versteckt überlebt haben. Nach der Befreiung leidet Carry Hauser Not und wird von Zukunftsängsten geplagt. Nach acht Jahren Exil kehrt Carry Hauser 1947 ins "Niemandsland" Österreich zurück.

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung
    #11 Deutsch
    #12 vermutlich Anfang/Mitte der 1990er Jahre von Adolf Opel übergeben
    #13 Archiv der TKG
    #14 Typoskript (Schreibmaschine) in Kopie, 5 Seiten
    #15 Am 16. Juni 1947
    #16
    #17
    #18 Publikation vom Autor intendiert

    Nach dem ersten Schock nach der Rückkehr beginnt Carry Hauser, über Wien als Stadt seiner Kindheit, über seine Eltern, den Ersten Weltkrieg, das Ende der Illusionen, die Entwicklung als Maler, die Flucht aus Österreich, das lebensgefährliche Exil seiner Frau und seines Sohne in Holland, währenddessen er in der Schweiz, auf einer "Insel des Friedens" Zuflucht gefunden hat, zu berichten.

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    Karl-Hans Heinz

    Geboren in Wien, 27. 6. 1907; gestorben in Wien, 15. 4. 1995

    Karl-Hans Heinz wurde im Arbeiter- und Industriebezirk Floridsdorf geboren. Sein Vater Friedrich Heinz war Maschinist bei der Eisenbahn und seit 1906 in der SDAP aktiv. Die Mutter war Haushaltshilfe der Anwaltskanzlei von Max Adler in Floridsdorf. Nach Pflicht-, Volks- und Bürgerschule besuchte Karl-Hans Heinz eine technische Schule für Maschinenbau in Floridsdorf (Ableger des TGM). Nach der Mittelschule studierte er an der Hochschule für Welthandel. Er war seit seiner Kindheit in Vorfeldorganisationen der SDAP organisiert, zuerst bei den Kinderfreunden, dann bei den Sozialistischen Mittelschülern und schließlich direkt in der Partei. Er arbeitete auch für die Bildungsakademie der SDAP und hielt zeitweise über 20 Referate pro Monat.
    Nach seinem Studium arbeitete er als Musiker (Geige) auf niederländischen Schiffen und kam nach Lateinamerika, in die USA und nach Indonesien. Er war entsetzt über die sozialen Zustände in den Kolonien. Nach seiner Rückkehr schrieb er Berichte und Aufsätze über seine Erlebnisse für die "Arbeiter-Zeitung". Anfang der 1930er-Jahre war er neben seiner häufigen Mitarbeit bei der Zeitung auch in der Bildungszentrale als Referent beschäftigt. 1933 lernte er Ernst Karl Winter kennen. Im Februar 1934 war er als Mitglied der Akademischen Legion in Kämpfe in Floridsdorf verwickelt und wurde in Folge verhaftet und erlebte Scheinexekutionen durch die Heimwehr mit. Karl-Hans Heinz wurde nach 1934 Mitglied der KPÖ. Er blieb zugleich in Kontakt mit Ernst Karl Winter, den er sehr bewunderte.
    Karl-Hans Heinz wurde dann auch von der KP-Leitung aufgefordert, bei der "Aktion Winter" mitzuwirken und wurde deren Leiter in Floridsdorf. Auch publizierte er viele Beiträge für deren Medien "Die Aktion" und "Wiener Politische Blätter". Die "Aktion Winter" verfolgte das Ziel, die AnhängerInnen der SDAP wieder in die Politik und die Gesellschaft zurück zu holen, versöhnend auf die Bevölkerung nach dem Bürgerkrieg einzuwirken, Österreich in eine demokratische und soziale Monarchie zu verwandeln und die Nazis zu bekämpfen. Neben dieser Tätigkeit wurde er Geschäftsführer des von Ernst Karl Winter geleiteten "Gsur-Verlags" und als solcher hatte er auch privaten Kontakt zu Theodor Kramer, Hermynia Zur Mühlen und Walter Mehring. Nach dem Juli-Abkommen musste die "Aktion Winter" ihre Tätigkeit einstellen. Karl-Hans Heinz fand Arbeit als Journalist.
    Nach 1938 wurde er dank seiner Ausbildung zum Kaufmann steuerlicher Betriebsprüfer und wurde deshalb vom Wehrdienst freigestellt. Er schloss sich nach eigenen Angaben der Widerstandsgruppe um den ehemaligen sozialdemokratischen Nationalratsabgeordneten, seit 1938 Mitglied der KPÖ und Lyriker Laurenz Genner an, welche die Flugschrift "Rote Front" herausgab und die über die Anwaltskanzlei Dr. Ludwig Haydn in direkter Verbindung zur "Roten Kapelle" in der Schweiz stand. Er schrieb bis 1945 einige antinazistische Gedichte und das Drama "Der Spion". 1944 tauchte er nach der Einberufung zum Volkssturm mit seiner Frau in Wien unter.
    Nach der Befreiung war er gemeinsam mit Ernst Fischer, Hugo Glaser und Oskar Maurus Fontana Mitbegründer der Zeitung "Neues Österreich" und 1946 Chefredakteur-Stellvertreter. Er wurde bald wegen eines kritischen Artikels aus der KPÖ ausgeschlossen. Es folgten Behauptungen, dass Karl-Hans Heinz NSDAP-Anwärter gewesen sei. Es kam zu einem Gerichtsverfahren, bei dem u.a Viktor Matejka als Zeuge geladen war. Dieser kannte Karl-Hans Heinz seit Anfang der 1930er-Jahre und sagte: "ich weiß, dass er nie von den Nazis auch nur angehaucht gewesen wäre" (Dipl.Kfm. Karl-Hans HEINZ. Interview 4.12.1984 in seiner Wohnung. Interviewer: Konstantin Kaiser. Archiv der TKG, 158). Neben seiner journalistischen Tätigkeit arbeitete er zeitweise auch als öffentlicher Verwalter bei "Telefunken" und war Angestellter bei der Österreichischen Länderbank.
    Nach seiner Pensionierung als Bankdirektor 1972 veröffentlichte er 1984 eine Biografie über Ernst Karl Winter und 1989 den Roman "Im Zwielicht. Roman aus der Endzeit Österreichs". Der daran anschließende autobiografische Roman über die NS-Zeit "Glut unter der Asche" wurde nie veröffentlicht. Er schrieb unter anderem auch für "Neues Forum" und regelmäßig zwischen 1986 und 1995 für MdZ. Er starb 1995 in Wien. (AE)

    • Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser (Hg.): Lexikon der österreichischen Exilliteratur. Wien 2000, 293f

    #1 Wien 
    #2 Proletariat, Vater war Maschinist 
    #3 Bürgerschule, TGM, Hochschule für Welthandel. Mitarbeit bei der Bildungsakademie der SDAP, tätig als Schiffsmusiker, regelmäßig Beiträge für die "Arbeiter-Zeitung" , Journalist, Schriftsteller
    #4 Politischer Widerstand, Desertion vom Volkssturm
    #5 Innere Emigration, Wien, ab 1944 U-Boot
    #6 Akademische Legion 1934, KPÖ 1934 bis 1946, Aktion Winter bis 1936, Widerstandsgruppe um Laurenz Genner und Ludwig Haydn, Betriebsprüfer, Steuern
    #7
    #8 Bildungsakademie der SDAP, Arbeiter-Zeitung, Akademische Legion, Aktion Winter, KPÖ, Ernst Karl Winter, Viktor Matejka, Neues Österreich
    #9 Karl-Hans Heinz: Viktor Matejka 85 Jahre. In: MdZ 3.Jg. Nr.3/1986, 4; "Glut unter der Asche". Aus einem unveröffentlichten Roman. In: MdZ 7.Jg. Nr.3/1990, 11-13; Mein Lebenslauf. In: MdZ 7.Jg. Nr.3/1990, 13f.; Erinnerung an Viktor Matejka. In: MdZ 10.Jg. Nr.1/1993, 5; Schumserl. In: MdZ 10.Jg. 1/1993, 20f.; Die Freiheitskämpfer 1934 - Szenar für ein Februardrama. In: MdZ 11.Jg. 1/1994, 3-6; 1942/1943. In: MdZ 12.Jg. Nr.2/1995, 41; Der Musterdoktor. In: MdZ 12.Jg. Nr.2/1995, 41.

    #10 Roman 
    #11 Deutsch 
    #12 zwischen 1984 und 1991 vom Autor übergeben
    #13 Archiv der TKG (Karl-Hans Heinz Box 1) 
    #14 Typoskript (Schreibmaschine), zehn von 367 Seiten 
    #15 1991 
    #16 Februar 1934, Plünderung 1938
    #17
    #18 Publikation vom Autor intendiert

    Auf den ersten Seiten seiner Autobiografie erzählt er von den Kämpfen im Februar 1934, vom Enthüllen der Roten Fahne, dann von der Zeit, als die Nazis die Straßen beherrschten und wie er bei Baden in einer Werkstätte Asyl fand und in seiner Wiener Nachbarschaft gegen plündernde Nazis vorging, indem er eine Pistole zog und behauptete selbst einer zu sein, der nicht will, dass die "Ehre der Partei" durch illegales Plündern "besudelt" werde. Tatsächlich türmten in Folge die Plünderer.

    #10 Kurzgeschichte, in zwei Versionen 
    #11 Deutsch 
    #12 zwischen 1984 und 1991 vom Autor übergeben 
    #13 Archiv der TKG (Karl-Hans Heinz Box 3) 
    #14 Typoskript (Schreibmaschine), 4 Seiten 
    #15 undatiert
    #16 Begegnung mit einem Widerstandskämpfer
    #17
    #18 Publikation vom Autor intendiert

    Er erzählt von Paul Richter, Jahrgang 1910, der sich im Dschungel der Nazis nicht vertieren lassen wollte und Mitglied einer Widerstandsgruppe war. Seine Arbeit bestand darin, Lebensmittelkarten für versteckte Juden und Jüdinnen, für U-Boote zu besorgen, er verfasste Flugzettel, war Bote.

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    Gerda Hoffer, geborene Pollatschek

    Geboren in Wien, 3. 2. 1921; gestorben in Jerusalem (Israel), 20. 3. 2012

    Gerda Hoffer wurde als Tochter von Stefan und Ilka Pollatschek 1921 in Wien geboren. Im "Ständestaat" war sie 1937 von September bis Dezember in Haft, der Schule verwiesen und wegen kommunistischer Betätigung vor dem Jugendgericht angeklagt. Heinrich Steinitz war ihr Verteidiger. Mit ihren Eltern ging sie in die Tschechoslowakei und dann nach Großbritannien ins Exil, wo die Familie vom "Czech Refugee Trust Fund" unterstützt wurde. Sie lebte in London, Manchester, Norfolk, Baldock und zuletzt wieder in London. 1942 heiratete sie Dr.jur. Friedrich Hoffer, den Cousin des Psychoanalytikers Willy Hoffer. 1947 wurde sie britische Staatsbürgerin. Studium der vergleichenden Religionswissenschaft (Abschluss 1964) an der Universität London und Arbeit als Lehrerin in der Erwachsenenbildung.

    Nach der Übersiedlung nach Jerusalem 1978 schrieb sie u.a. für: Menora (Oxford), B'nai B'rith Voice from Jerusalem, Mit der Ziehharmonika, Die Gemeinde (Wien). Verfasserin humoristischer Erzählungen über ihr Leben in Israel für US-amerikanische ("Search") und englische Zeitungen. - Bücher: The Utitz Legacy (Jerusalem 1988; deutsch zuletzt unter dem Titel: Nathan Ben Simon und seine Kinder. Eine europäisch-jüdische Familiengeschichte. München 1996); Zeit der Heldinnen. Lebensbilder außergewöhnlicher jüdischer Frauen (München 1999); Ein Haus in Jerusalem (Jerusalem 2003). Das unveröffentlichte Hauptwerk von Gerdas Vater Stefan Pollatschek, "Doktor Ascher und seine Väter", erschien mit ihrer Unterstützung 2004 in Wien. Gerda Hoffer ist am 20. März 2012 in Jerusalem gestorben. (TKG/AE)

     

    • Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser (Hg.): Lexikon der österreichischen Exilliteratur. Wien 2000, 314f

    #1 Wien 
    #2 Mittelstand, Vater war der Schriftsteller Stefan Pollatschek 
    #3 1937 von der Schule verwiesen, Gelegenheitsarbeiten in Großbritannien, Studium der vergleichenden Religionswissenschaften bis 1964. Lehrerin in Großbritannien 
    #4 Rassistisch und politisch verfolgt (Kommunistin) 
    #5 Flucht vermutlich legal, Familie hatte Visa für Shanghai, 1938 nach Prag (Tschechoslowakei), 1939 nach London, Manchester, Norfolk, Baldock, London (Großbritannien), ab 1978 Jerusalem (Israel)
    #6 Gelegenheitsarbeit, später Lehrerin
    #7 Keine Rückkehr
    #8 Als Forscherin und Schriftstellerin Kontakte zu vielen Institutionen.
    #9 Gerda Hoffer: Zum hundertsten Geburtstag von Stefan Pollatschek 1890–1942. In ZW 7.Jg. Nr.2/1990, 1f.; Kleider machen Leute. In ZW 8.Jg. Nr.1/1991, 19f.; Exil. Statement zur Podiumsdiskussion der Eröffnungsveranstaltung des Symposiums "Frauen im Exil" zum Thema "Antifeminismus – Antisemitismus und die Literatur". In ZW 12.Jg. Nr.4/1995, 16; Zwischenspiel in Prag. In ZW 31.Jg. Nr.2-3/2014, 51f.

    #10 Korrespondenz von Gerda Hoffer mit der TKG
    #11 Deutsch 
    #12 von Gerda Hoffer an die TKG
    #13 Archiv der TKG 
    #14 2 Typoskripte (Schreibmaschine), 1 Manuskript (Kugelschreiber)
    #15 2000 und 1998

    #16 An Evelyn Adunka schreibt sie über Israel und die Palästinenser, an Konstantin Kaiser über die Herausgabe von "Dr. Ascher" und den Alltag in Israel. 
    #17 An Evelyn Adunka, Konstantin Kaiser
    #18

    An Evelyn Adunka schreibt sie über die fragwürdige Politik Arafats und dessen Nichteinhaltung der Osloer-Verträge. Im ersten Brief an Konstantin Kaiser erkundigt sich Gerda Hoffer über den Fortschritt beim Buch ihres Vaters Stefan Polllatschek "Dr. Ascher und seine Väter". Sie befürchtet, dass sie die Herausgabe wegen ihres hohen Alters und wegen Sadam Hussein nicht mehr erleben wird. Sie lobt die Kurzgeschichten in "Mit der Ziehharmonika". Im zweiten Brief freut sie sich nach 56 Jahren endlich bald das "Dr. Ascher"-Buch in den Händen halten zu können. Sie berichtet von einem Bombenanschlag auf dem Markt und dass sie nur 50 Meter entfernt davon war. 

    Fotoalbum

    #10 Zwei Seiten Fotos aus einem Familienalbum 
    #11
    #12 Von Evelyn Adunka übergeben 
    #13 Archiv der TKG (Gerda Hoffer und Stefan Pollatschek - Nachlass
    #14 Zwei Seiten, neun s/w Fotos
    #15 1937 und 1938 für die Fotos, ca. 1940 für das Album
    #16 Fotos aus Wien. Zuhause, Weihnachtszeit, Idylle. 1938, vielleicht die letzte Wanderung nach Heiligenstadt, Grinzing
    #17 Für die Familie

    #18

    Fotografien geben einen bildhaften Eindruck des Alltags und wichtiger Momente, zumindest zu einem Zeitpunkt, da Fotoapparate, Filme und Filmentwicklung kostspielig waren. Weihnachten 1937 war das letzte große Familienfest, der abgebildete Weihnachtsbaum der letzte vor der Machtübernahme der Nazis in Österreich. Die Fotos aus Heiligenstadt und Grinzing dokumentieren den vielleicht letzten Spaziergang durch Weinberge und Wienerwald. Das Fotoalbum vermittelt den Eindruck, als hätte die Familie Pollatschek Momentaufnahmen jener Räumlichkeiten und Landschaften festgehalten, die sie geprägt und geliebt haben, um diese dann im Exil, in einer Zeit, da eine Rückkehr als ausgeschlossen galt, als Erinnerungsbilder aus dem alten Leben vor Augen führen zu können.

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    Otto Janowitz

    Geboren in Podebrady (Mittelböhmen), 22. 7. 1888; gestorben in New York (USA), Juli 1965

    Otto Janowitz studierte in Prag u.a. bei Alexander v. Zemlinsky Klavier. 1907 zog er nach Wien, wo er bei Walter Klein an der Universität Wien musikwissenschaftliche Studien betrieb. Er war Pianist, Komponist, Klavierbegleiter von Karl Kraus, Assistenz und zwischen 1923 und 1938 Sologesang-Korrepetitor an der Wiener Staatsoper, Schriftsteller. Ihm hat Stefan Pollatschek 1931 seinen Roman "Dr. Berghof ordiniert von 2 bis 4 Uhr“ gewidmet. Flucht über Frankreich in die USA, wo er 1938 ankam und in New York bis 1941 für die "Mozart Opera Company" arbeitete. Weiters hielt er Vorträge an der "New School for Social Research". In Folge war er für verschiedene Colleges, Akademien und fürs Radio tätig. Er arbeitete auch als Pianist für die "Metropolitan Opera" und schrieb musikwissenschaftliche Bücher wie "Music and Politics". Sein um vier Jahre jüngerer Bruder Franz Janowitz war Lyriker, mit Max Brod befreundet und gehörte dem "Brenner"-Kreis an. Er zählte, wie Otto Janowitz, zu den Verehrern Karl Kraus'. Dieser schätzte Franz Janowitz' Lyrik, welche er in "Die Fackel" publizierte. Karl Kraus widmete dem jungen Lyriker das Gedicht "Meinem Franz Janowitz" und "Weltgericht". Franz Janowitz fiel 1917 an der italienischen Front. Otto Janowitz starb im Sommer 1965 in New York. (AE)

    #1 Podebrady, Mittelböhmen 
    #2 Mittelstand 
    #3 Klavierstudium in Prag (u. a. bei Alexander Zemlinsky), Wien, auch Politikwissenschaften in Wien. Tätig als Stimmcoach, Lehrer, Klavierbegleiter, Komponist, Schriftsteller, Vortragender, Dirigent 
    #4 Rassistisch verfolgt 
    #5 1938 über Frankreich in die USA, New York 
    #6 Arbeit für die "Mozart Opera Company", lehrte an der "New School for Social Research", arbeitete als Begleiter und für die "Metropolitan Opera", schrieb musikwissenschaftliche Fachbücher

    #7 Keine Rückkehr
    #8 Stefan Pollatschek, Karl Kraus, Berthold Viertel, Richard Rosenheim, Theo Feldmann, Franz Werfel, Jolanthe Garda, Bruno Walter, "New School for Social Research", New Yorker Opernszene
    #9

    Zwei Briefe an Stefan Pollatschek

    #10 zwei maschinschriftliche Briefe
    #11 Deutsch 

    #12 im Oktober 2003 von Gerda Hoffer übersandt 
    #13 Archiv der TKG (Gerda Hoffer und Stefan Pollatschek - Nachlass
    #14 Typoskript (Schreibmaschine), 2 Stück 
    #15 Am 18. Dezember 1941 und am 4./21. Juli 1942 
    #16 Einen Freund über Begegnungen, Lektüren berichten
    #17 An Stefan Pollatschek
    #18


    Im Dezember 1941 verschaffte Otto Janowitz Stefan Pollatschek die Adresse von Berthold Viertel: Hotel Laurelton. Er schreibt über seine Familie und seine Frau Lia. Er berichtet von seinen Lektüren: Steinbeck, Hemingway (For whom the bell tolls), Buchan John (Lord Teedsmuir), Greene, "Secret Agent“. Optimistisch in Bezug darauf, mit welchem „Furor“ die Amerikaner den Krieg angehen.
    Otto Janowitz schreibt im Dezember 1942 seinem Freund, „dass die Zeit aus den Fugen ist, und eigentlich mit 1933 aufgehört hat.“ Er setzt den Brief am 21.7. fort. Erzählt davon, dass er auf der Straße Theo Feldmann getroffen hat, der sich als „bookhunter“ betätigt. Spricht über Literatur, über Zerwürfnisse der Großen und Kleinen.

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    Ferdinand Kaiser

    Geboren in Innsbruck, 15. 2. 1909; gestorben in Innsbruck, 17. 11. 1997

    Ferdinand Kaiser wurde 1909 in Innsbruck geboren. Der Vater war in "einer der untersten Stufen des Dienstes bei der Südbahngesellschaft". Die Eltern konnten ihre sechs Söhne erst so richtig ernähren, als der Vater nicht mehr im Verschub arbeitete, sondern Stockbremser wurde und mit den Zügen nach Italien mitfahren und mit Zigaretten- und Feuerzeugschmuggel etwas dazu verdienen konnte. Bis dahin mussten sogar Hunde und Katzen verkocht werden, schreibt Ferdinand Kaiser in seinen unpublizierten "Erinnerungen". Man wohnte in der Höttinger Au, einem noch nicht erschlossenen Stadtteil Innsbrucks, dann in einem Eisenbahnerhaus in der Fabriksgasse 7. Mit 10 kam er in den Hort der Kinderfreunde, wo es eine Jause gab und Kindertheater. Der um neun Jahre ältere Bruder Wilhelm wurde Soldat beim Bundesheer der Republik und später Ausbildner beim Schutzbund. Alle anderen Brüder machten eine Lehre. Auch Ferdinand und sein Bruder Josef Kaiser begannen nach der Bürgerschule eine Tischlerlehre. Ferdinand flog jedoch bald aus dem Betrieb und wurde Hilfsarbeiter. 1927 und 1928 arbeitete er als Straßenwalzenbetreuer beim Bau der Bundesstraße im Tiroler Unterland. Am 1. Mai 1928 wurde er bei einer Auseinandersetzung mit einer Gruppe von Heimwehrlern zusammengeschlagen.

    Als er bald darauf als Monteur beim Bau des Achenseekraftwerks mitwirkte, hatte er ersten Kontakt mit der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ). Rauchen und Trinken waren verpönt, es wurde Theater gespielt und gewandert. Ferdinand Kaiser gehörte, so wie die weiteren älteren Mitgliederder Gruppe SAJ-Dreiheiligen, auch der Schutzbund-Alarmabteilung Matteotti an. In dieser Zeit las er viel, von Marx/Engels bis John Reeds "Zehn Tage, die die Welt erschütterten". Er arbeitete als technischer Helfer in einer Textilfabrik in Innsbruck. Es kam wegen der schlechten Bezahlung zu einem Streik, es war der erste Streik in Ferdinand Kaisers Leben. Die Arbeit war gefährlich und Ferdinand Kaiser überlebte einen Brand und eine Blutvergiftung. Nach erneuter Arbeitslosigkeit entschloss er sich, auf Wanderung ("Walz") durch Europa zu gehen. Er kam nach Deutschland, nach Luxemburg, Ostfrankreich, in die Schweiz. Er übernachtete mitunter in katholischen Pilgerheimen, da dies nichts kostete und schlug sich mit Hilfsarbeiten und Betteln durch.

    Nach der Rückkehr engagierte sich der ehemalige "Walzbruder" Ferdinand Kaiser wieder politisch und wurde Kompaniestellvertreter im Schutzbund und war für das Verstecken von Sprengstoff und Waffen mitverantwortlich. Gleichzeitig kam es oft zu Schlägereien mit Mitgliedern der Heimwehr und der Naziorganisationen. In dieser Zeit lernte er ein engagiertes Mitglied der SAJ näher kennen. Sie hieß Maria Neururer, war kaufmännische Angestellte und hatte ihre Kindheit bei Pflegeeltern verbracht und sollte Jahre später Ferdinand Kaiser heiraten. Mit 21 war Ferdinand Kaiser volljährig und konnte aus der römisch-katholischen Kirche austreten. Zugleich wurde er Mitglied des Freidenkerbundes. Als passionierter Bergsteiger gehörte er auch den Naturfreunden und dem Arbeitersportklub (ASKÖ) an.

    Nachdem 1933 der Schutzbund verboten worden war, durchsuchte die Polizei mehrfach die Wohnung der Eltern, wo tatsächlich eine Zeit lang Waffen versteckt waren. Bei sich zuhause hatte Ferdinand Kaiser für den Notfall Sprengstoff gelagert. Im Jahr 1933 wurde noch friedlich demonstriert, am 12. Februar 1934 kam es zum Bürgerkrieg. Doch kam dieser zu überraschend und der lang trainierte Einsatz konnte nicht stattfinden. Die Führung wurde verhaftet, die Schutzbündler standen ohne Waffen da. Ferdinand Kaiser kam ebenfalls in Haft. Die Zellen waren überfüllt, so dass alle stehen mussten, man sang Arbeiterlieder, revolutionäre Lieder. Das Standrecht wurde verhängt, weswegen schwere Strafen, bis hin zur Todesstrafe, all jenen drohten, die nach wie vor im Besitz von Waffen oder Sprengmitteln waren. Nach der Haftentlassung gründete er mit anderen ehemaligen SAJ- und "Alabaleuten" (Alarmabteilung des Schutzbundes) Zellen der Revolutionären Sozialisten. Man bildete kleine Gruppen von fünf Personen, da die den Behörden bekannten SozialdemokratInnen, wie Ferdinand Kaiser, unter Beobachtung standen und auch regelmäßig, an wichtigen Feiertagen, wie am 1. Mai oder am 12. November, wochenlang in Schutzhaft genommen wurden. Man verteilte Flugzettel, Informationen und eine Zeitung, die in einem Ziegenstall im damals ländlichen Vorort von Innsbruck Reichenau gedruckt wurden. Offiziell arbeiteten manche als Vertreter für eine politisch harmlose Buchgemeinschaft, für die sie dann ganz Tirol bereisten, nebst Büchern auch politisches Material verteilend. Die Gruppe besaß auch ein Motorrad. Ferdinand Kaiser war bis 1934 Mitarbeiter der Konsumgesellschaft. Nach dem Bürgerkrieg war er nicht nur zu fünf Monaten Haft verurteilt worden, sondern hatte wegen dieser Vorstrafe auch ein Arbeitsverbot.

    Ab 1936 war er an Hilfsaktionen für die Spanische Republik beteiligt. Er half Freiwilligen aus ganz Europa, wenn sie über Tirol nach Spanien wollten, um für die Internationalen Brigaden zu kämpfen. Dies war ab Dezember 1937 von Bedeutung, da die Grenze zur Schweiz gänzlich unpassierbar wurde. Zwischen 1934 und 1938 wurde Ferdinand Kaiser mehrfach verhaftet.

    Als Antifaschist und Nazigegner bekannt, wurde er, am 16. Februar 1938 gerade amnestiert, auch sofort nach dem Einmarsch der Nazis von der Gestapo inhaftiert, es drohte eine Überstellung in das KZ Dachau. Um der Deportation zu entgehen und aus Tarngründen trat er der SA bei. Ab Herbst trafen sich Maria Neururer und Ferdinand Kaiser immer häufiger. Heimlich unterhielten sie auch Kontakt zu anderen ehemaligen Mitgliedern der SAJ, des Schutzbundes und der Partei. Fast alle männlichen Freunde und Bekannte kamen zur Wehrmacht. Im Herbst 1939 wurde Ferdinand Kaiser zur "Technischen Nothilfe" notdienstverpflichtet und nützte die Gelegenheit, um aus der SA auszutreten. 1940 kam der erste Sohn Friedrich zur Welt, er wird 1944 an Tuberkulose sterben. 1940 wurde Ferdinand Kaiser nach Belgien versetzt, 1941 heiratete er Maria Neururer. Im Juni 1941 kam er zur Wehrmacht. Während des Krieges gegen die Sowjetunion wurde er Zeuge der Kriegsverbrechen der Wehrmacht. Im Juni 1944 erfolgte eine Tatbestandsuntersuchung wegen Wehrkraftzersetzung. Er entkam der Verurteilung nur dank des notwendig raschen Rückzugs seiner Einheit. In Tirol hörte Maria Kaiser verbotenerweise BBC, Ferdinand Kaiser fotografierte an der Front heimlich die Wehrmachtsverbrechen in Osteuropa.

    Gleich nach der Befreiung Innsbrucks arbeitete Maria Kaiser bei der Neugründung der Arbeiterkammer Tirols mit. Sie wird ab November 1945 25 Jahre lang für die SPÖ im Innsbrucker Gemeinderat tätig sein. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich Ferdinand Kaiser in US-amerikanischer Kriegsgefangenenschaft, aus der er im Oktober 1946 freikommt. Er bringt ein Tagebuch aus dem Krieg mit. Darin befinden sich all seine Beobachtungen, durch Fotos belegt. Bald arbeitete Ferdinand Kaiser wieder für die SPÖ. Seine erste Aufgabe bestand darin, bei der Entnazifizierung der Ämter der Stadt mitzuhelfen. 1947 kommen Zwillinge zur Welt: Friedrich Konstantin und Leander Maximilian. Ab dieser Zeit hatte Ferdinand Kaiser bis 1974 viele politische Ämter inne. Bis 1960 war er Sekretär der Bezirksorganisation Innsbruck-Stadt, danach Landesparteisekretär und Landtagsabgeordneter der SPÖ-Tirol bis 1974. Nach seiner Pensionierung war er langjähriger Landesobmann der sozialdemokratischen Freiheitskämpfer Tirols, denen er 1949 beigetreten war.

    #1 Innsbruck
    #2 Proletariat
    #3 Bürgerschule, abgebrochene Tischlerlehre, Straßenbau, Hilfsarbeit, Parteiarbeit
    #4 Politisch verfolgt 
    #5 Ab 1934: Haft, Spanienhilfe; Ab 1938: Gestapo-Haft, SA als Tarnung, Technischen Nothilfe, Wehrmacht, Kriegsgefangenschaft

    #6 Revolutionäre Sozialisten, Gefängnis, Tarnung durch kurzfristige SA-Mitgliedschaft, Technische Nothilfe, Wehrmacht
    #7 Rückkehr nach Kriegsgefangenenschaft
    #8 Kinderfreunde, SAJ, Schutzbund, Freidenker, ASKÖ, Naturfreunde, Revolutionäre Sozialisten, SPÖ, Freiheitskämpfer
    #9 Ferdinand Kaiser: Exekutierte Partisanen, Rußland Winter 1942 (Foto); Erinnerungen - Rußland, Sommer 1944. In: MdZ 13.Jg. Nr1/1996, 7 und 40f

    #10 Autobiografie
    #11 Deutsch
    #12 An Konstantin Kaiser
    #13 Archiv der TKG
    #14 Typoskript (Schreibmaschine, Computer, Korrekturen mit Kugelschreiber und Bleistift), 4 Seiten von ca. 430, Kopien und Originale
    #15
    #16 Beschreibung der Arbeit im Schutzbund um 1932, Schlägereien mit Heimwehrleuten und Nazis. Über die Mitgliedschaft bei den Freidenkern
    #17
    #18 Publikation vom Autor intendiert

    Wenige ArbeiterInnen haben Memoiren geschrieben, meist nur jene, die, wie Ferdinand Kaiser, im Laufe ihres Lebens in der Politik oder Kunst Fuß gefasst haben. Selten sind die ausführlichen Berichte von ArbeiterInnen und ihrem Widerstand, die außerhalb vom Roten Wien und in der von Konservativen regierten Provinz lebten, und somit in der Ersten Republik bald massiv unter politischen und sozialen Druck gerieten. In der ausgewählten Passage erzählt Ferdinand Kaiser von den ihn betreffenden Ereignissen im letzten Jahr, da die Republik noch funktionierte, noch ihr Parlament hatte. Seine Erinnerungen gehen jedoch weiter, da er auch von der Zeit erzählt, wie er den Austrofaschismus bekämpft und die Nazi-Zeit überlebte. Ferdinand Kaiser wurde als Soldat Zeuge vieler Verbrechen gegen die Menschlichkeit und hat das Gesehene mit Worten und Fotos festgehalten.

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    Leo Katz

    Geboren in Sereth (Bukowina), 22. 1. 1892; gestorben in Wien, 9. 8. 1954

    Leo Katz, geb. 1892 in Sereth (Bukowina), sollte Rabbiner werden; durch die Erfahrung des rumänischen Bauernaufstands von 1907 Zuwendung zu sozialen Fragen. Studierte Geschichte und Philosophie in Wien. 1919 Mitglied der KPÖ. 1920-22 in New York; 1921 Gründungsmitglied der "Workers Party of America"; Mitarbeit an der jiddischen Zeitschrift "Morning Freiheit" und der "New Yorker Volkszeitung". Ab 1922 wieder in Wien; Mitarbeit am KPÖ-Zentralorgan "Rote Fahne". 1924 Heirat mit Bronia (Bronislawa) Rein (1902 Kolomea/Galizien - 1989 Wien). 1926 als Korrespondent der "Proletarska Prawda" (Kiew) in Paris. 1927 wieder in Wien; Geburt des Sohnes Friedrich. Von 1930 an in Berlin; zuerst in der Auslands-, dann Feuilletonredaktion der "Roten Fahne" (Zentralorgan der KPD). 1933 Flucht nach Paris. Gründer und Redakteur der kommunistischen jiddischen Tageszeitung "Naie Presse". 1936-38 Waffeneinkäufer für die Spanische Republik. 1938 nach New York. Kontakte zu Ernst Bloch und Ernst Karl Winter. Konzentrierte sich von nun an mehr und mehr auf das Schreiben: Zwischen 1938 und dem frühen Tod 1954 entstanden in rascher Folge zwei große historische Essays, zwei Kinderbücher und sechs Romane. 1940 nach México D.F. Vortragstätigkeit an der Arbeiter-Universität; Publikationen in der mexikanischen Tageszeitung "Novedades" und der Zeitschrift "Hoy". Mitarbeit "Austria Libre", "Alemania Libre" und "Austro American Tribune". 1942 Mitbegründer des Verlags "El Libro Libre". Mitarbeit an der 1944 gegründeten Monatszeitschrift "Tribuna Israelita". September 1949 Rückkehr nach Wien; wollte sich mit der Familie zuerst in Israel niederlassen, sah aber nach mehrwöchigem Aufenthalt im Herbst 1949 keine Arbeitsmöglichkeiten als jiddischer oder deutschsprachiger Schriftsteller und Journalist. In Wien Mitarbeiter der "Österreichischen Volksstimme" (Zentralorgan der KPÖ). Starb 1954 in Wien. (TKG/AE)

    • Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser (Hg.): Lexikon der österreichischen Exilliteratur. Wien 2000, 365-368
    • Konstantin Kaiser: Katz, Leo. In: Andreas B. Kilcher (Hrsg.): Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur. Jüdische Autorinnen und Autoren deutscher Sprache von der Aufklärung bis zur Gegenwart. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart, Weimar 2012, 269f.

    #1 Sereth, Bukowina 
    #2 Unternehmerfamilie, Vater war Holzhändler 
    #3 Leo Katz sollte Rabbiner werden, Studium der Geschichte und Philosophie an der Universität Wien. Tätigkeit als Journalist und Parteiarbeit (KP) in Wien und New York (1920-1922). "Rote Fahne" in Wien.
    #4 1933 politisch verfolgt (Kommunist), 1939 rassistisch 
    #5 1933 nach Frankreich, 1938 in die USA, 1940 nach Mexiko. Paris (Frankreich), New York (USA), ab 1940 Mexiko-Stadt (Mexiko) 
    #6 Paris: Gründer, Redakteur: "Naie Presse"; 1936-38 Waffeneinkäufer für die Spanische Republik. New York: Schriftsteller. Mexiko: Vortragstätigkeit an der Arbeiter-Universität; Publikationen in der mexikanischen Tageszeitung "Novedades" und der Zeitschrift "Hoy". Mitarbeit "Austria Libre", "Alemania Libre" und "Austro American Tribune". 1942 Mitbegründer des Verlags "El Libro Libre". Mitarbeit an der 1944 gegründeten Monatszeitschrift "Tribuna Israelita", Schriftsteller

    #7 Rückkehr 1949
    #8 KPÖ
    #9 Zitate aus Leo Katz' unveröffentlichtem historischen Essay „Kirche, Moschee und Synagoge“. In ZW 13.Jg. Nr.2/1996, 26; Und alle werden einen Bund schließen … Zum Symbol des jüdischen Neujahrstages. In ZW 14. Jg. Nr.3/1997, 35; Der Sprung von der Serethbrücke. In: ZW 17.Jg. Nr.2/2000, 54–57.

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung 
    #11 Deutsch 
    #12 von Sohn Friedrich Katz übergeben 
    #13 Archiv der TKG (Leo Katz Box 3)
    #14 Typoskript (Schreibmaschine) in Kopie, 6 Seiten 
    #15
    #16 Zusammenhang zwischen politischen Ereignissen in Paris und Wien
    #17
    #18 Publikation vom Autor intendiert

    Beschreibt den Putschversuch der Faschisten in Paris am 6.2.1934 und den erfolgreichen Widerstand, wobei er die Aktionen der KP hervorhebt, und zieht Parallelen zu den Vorbereitungen zum Putsch in Österreich am 12.2.1934. Leo Katz lebte seit 1933 in Paris, beschreibt die Ereignisse, wie er sie erlebt hat. Den Staatsstreich in Österreich kann er hingegen nur aus der Ferne interpretieren. Bei fast allen linken österreichischen Zeitzeugen ist es umgekehrt, sie haben den Februar '34 in Wien aus der Nähe erlebt und vom Putschversuch in Paris nur gelesen oder gehört.

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    Otto Koenig

    Geboren in Wien, 12.5.1881 Wien; gestorben in Klosterneuburg (NÖ), 13.9.1955

     

    Konstantin Kaiser: Zwischen Goethe und dem Sozialismus - Otto Koenig (1881-1955)

    In: Konstantin Kaiser, Jan Kreisky, Sabine Lichtenberger (Hg.): Rote Tränen. Die Zerstörung der Arbeiterkultur durch Faschismus und Nationalsozialismus. Wien, Klagenfurt/Celovec 2017, 272-279

    Der Vater war ein "Reichsdeutscher", Direktionsbeamter der k.u.k. Staatsbahnen, in evangelischen Kreisen bekannt als Kurator der kleinen Gemeinde in Klosterneuburg, wo die Familie ihren Wohnsitz hatte. Der begabte Sohn, Otto Martin Julius Koenig, geboren am 12. Mai 1881 in Wien, studierte an der Universität Wien Germanistik, Archäologie und klassische Philologie, Epigrafik und Pädagogik. Er schlug zunächst die Laufbahn eines Gymnasialprofessors ein, unterrichtete in Böhmen und supplierte 1903 bis 1905 am Sperlgymnasium (dem heutigen Sigmund-Freud-Realgymnasium) in Wien-Leopoldstadt. Dort überwarf er sich nicht nur mit dem an österreichischen Gymnasien bis in die Gegenwart hinein einflussreichen katholischen Religionslehrer, sondern auch mit dem Schuldirektor, dem Koenigs Interpretation des Faust II wohl zu freigeistig war.

    Die deutsche Klassik, von Lessing bis Heine, bot in jener Zeit noch reichlich Sprengstoff gegen die bestehende Ordnung. Nicht vergessen war, dass das revolutionäre Frankreich Schiller die Bürgerschaft verliehen hatte. Die Vorträge, die Koenig 1905 im Arbeiterbildungsverein über "Friedrich Schiller als revolutionärer Dichter" hielt, machten Victor Adler und Friedrich Austerlitz, den Chefredakteur der "Arbeiter-Zeitung" (AZ), auf ihn aufmerksam; Austerlitz zog ihn zur ständigen Mitarbeit am Feuilleton heran. Bis 1913 arbeitete Koenig als "Pauschalist", auf Zeilenhonorar, denn die Stelle des Kulturredakteurs war bis zu dessen Tod im Jahre 1917 mit Engelbert Pernerstorfer besetzt. Mit Pernerstorfer hat Koenig in jener Zeit vermutlich auch die Bewunderung für die große deutsche Kultur und Richard Wagner geteilt. Jahrzehnte später distanzierte sich Koenig indirekt von den politischen Implikationen der Wagner-Verehrung, indem er kritisch über das Nibelungenlied schrieb (in der Radioprogrammzeitschrift "Rundfunk" für die Woche vom 28.5.-3.6.1933) und die sogenannte Nibelungentreue als ganz lebensfern und verfehlt charakterisierte. Die "Nibelungentreue" war damals eine Chiffre für die unverbrüchliche Zugehörigkeit der Österreicher zum Deutschtum. Den "überragenden sozialen Sinn des Volksepos von den Nibelungen" sieht er in der Tragik des Schatzes der Nibelungen und seines Fluches für die, "die das Heil im Mammon suchen". Dem jungen Richard Wagner, dem Manifestanten von 1848, lag dieser Gedanke nicht fern.

    1909 heiratete er Mathilde Hruby. Der Sohn Otto (1914 - 1992) hat es als Leiter des "Instituts für vergleichende Verhaltensforschung" am Wiener Wilhelminenberg, als Autor zahlreicher Bücher und Fernsehsendungen zu großer Bekanntheit gebracht. (Dem Wirken und den Anschauungen seines gleichnamigen Vaters scheint er ein wenig fremd gegenüber gestanden zu sein.) 1913 wurde Koenig dem sozialdemokratischen "Dresdener Volksblatt" als fähiger Feuilletonredakteur empfohlen. Seine dortige Tätigkeit währte nur bis zu seiner Einziehung 1914 zur österreichisch-ungarischen Armee als Offizier der Reserve. Als er 1918 nach Dresden zurückkehrte, fand er die Verhältnisse völlig verändert und folgte nur allzu gern dem Ruf aus Wien, zusammen mit David Josef Bach (1874 - 1947) die Nachfolge Pernerstorfers als Feuilletonredakteur der AZ anzutreten. Bis zu seinem Tod, am 13. September 1955 in Klosterneuburg, blieb Koenig maßgeblicher Mitarbeiter der AZ, auch nach seiner Pensionierung 1948; unterbrochen wurde diese unermüdliche Arbeit nur durch die Jahre des Austrofaschismus und des Nationalsozialismus 1934 bis 1945. Die lange Liste der Theaterkritiken, Buchrezensionen, populärwissenschaftlichen Abhandlungen, die er in der AZ veröffentlichte, ist nur die "Spitze des Eisbergs". Denn sehr vieles, das er schrieb, blieb ungezeichnet, und dass er jüngeren MitarbeiterInnen bei ihren ersten feuilletonistischen Gehversuchen vielfach durch Rat und sorgfältige Redigierung geholfen hat, ist durch etliche Erinnerungstexte belegt.

    Koenig war es sehr ernst um die deutsche Sprache, um präzisen und grammatikalisch korrekten Ausdruck, um die historischen und landschaftlichen Schattierungen der Rede und um die Möglichkeiten deutscher Verskunst, um Übereinstimmung von Inhalt und Form. Seine Kenntnisse und Fähigkeiten auf diesem Gebiet waren respektgebietend. Selbst Mitglied der 1933 gegründeten und 1934 untersagten "Vereinigung sozialistischer Schriftsteller", schrieb er einem bedeutenden Kollegen 1933 ins Stammbuch: "Kramers herbe Kraft ist und wirkt auch original. Wenn da und dort noch Leerläufe merkbar werden, so kommt dies wohl daher, dass dem Dichter sein eigentümlicher jambisch anapästischer Vers auch dort, wo er sich offensichtlich in fallendem Rhythmus bemüht, so sehr zur ihn selbst zwingend beherrschenden Form geworden ist, dass er auch dieser Form nicht entsprechende Gedanken und Empfindungen in sie pressen muss." Und er empfiehlt Theodor Kramer, sich "im weiten Land der Versmöglichkeiten der deutschen Sprache" umzusehen. (AZ, 15.7.1933) In gewisser Weise ist Kramer in späteren Exiljahren dieser Empfehlung gefolgt.

    Die Tagebücher, die sich im Nachlass Koenigs finden, brechen 1934 ab und setzen erst 1945 wieder an. Es ist verständlich, dass Koenig in der Zeit der Verfolgungen nicht Buch führen konnte über seine Handlungen und darüber, mit wem er in Verbindung stand und mit wem er zusammentraf. Über Koenigs Verhalten in der NS-Zeit legt Felix Hubalek (1908 - 1958), selbst schwer gezeichnet durch Gestapohaft und -folter und nach 1945 zeitweise stellvertretender Chefredakteur der AZ, Zeugnis ab: "Er wurde in diesen Zeiten - ganz privat - so etwas wie eine Fahne, um die sich Menschen sammelten, die Otto Koenig als den Verkünder der echten Kultur und des Sozialismus kannten. Sein Haus in Klosterneuburg stand, ungeachtet der Gefahren solcher Zusammenkünfte, seinen Schülern und Genossen offen. [...] So betrieb er illegale Volksbildung ..." (AZ, 11.5.1951)

    Für die Periode von 1905 bis 1933, also in 28 Jahren, sind weit über 400 gezeichnete Beiträge Koenigs in der AZ nachweisbar. Die Intensität jedoch, mit der er ab Oktober 1945 die Arbeit für die AZ wieder aufnahm, ist erstaunlich: In den knappen zehn Jahren, die ihm noch gegeben waren, verfasste er trotz schwerer Erkrankung über 270 Beiträge, schrieb Theater- und Literaturkritiken, Nachrufe und Erinnerungen an historische Ereignisse. In seinem ersten Artikel in der 'neuen' AZ vom 12.10.1945 verglich er den Militarismus Hitlerdeutschlands mit dem von den Nationalsozialisten gerühmten antiken Sparta, einer auf Sklavenmassen aufgebauten 'Demokratie' weniger Grundeigentümer. Das blutrünstige Sparta ging letztlich ehrlos unter, und auch der deutsche Militärstaat wäre auch dann gescheitert, wenn der Krieg für ihn günstiger verlaufen wäre. Viele der Beiträge Koenigs versuchen nun mit den gefährlichen Illusionen aufzuräumen, die die Nazipropaganda hinterlassen hatte.

    Otto Koenig war den größten Teil seines aktiven Lebens für die AZ tätig - das allein hätte für ein gewöhnliches Arbeitsleben genügt. Doch Koenig hatte eine zweite Achse, auf der er sich entfaltete und vielen im Gedächtnis geblieben ist - als Volksbildner, der vor allem durch seine Vortrags- und Vorstandstätigkeit am 1901 gegründeten Volksheim Ottakring im Gedächtnis blieb, und Referent bei zahllosen Schulungen der SDAP und ihrer Nebenorganisationen.

    Inhaltlich muss das Spektrum seiner Vorträge sehr weit gewesen sein. Er lehrte nicht nur Deutsch, sondern auch Latein, Literatur und Rhetorik. So stammt auch eine 1953 gedruckte Broschüre über "Praktische Redelehre" für "Erfahrene und Neulinge" aus seiner Feder. Einer seiner Schüler am Volksheim Ottakring war der Tapezierergeselle und Schriftsteller Fritz Hochwälder (1911 - 1986), dessen berühmtestes Drama "Das heilige Experiment" (entstanden 1942/43 im Schweizer Exil) auf die Anregung Koenigs, der seinen Hörern von dem Jesuitenstaat in Paraguay berichtete, zurückgehen soll. Und Koenig schrieb nicht nur für die AZ, sondern u.a. auch für den "Arbeiter-Kalender", nach 1945 für "Die Zukunft" und in der von dem Freund Josef Luitpold Stern geleiteten "Bildungsarbeit". Hier verteidigt er den Schriftsteller und Sozialisten Alfons Petzold gegen die sich abzeichnende Vereinnahmung seines bekanntesten Werkes, "Das raue Leben", für deutsch-völkisches Schrifttum. Hier findet er sich im Oktober 1932 in Gesellschaft der Soziologin Marie Jahoda, des Filmtheoretikers und Jugendbuchautors Fritz Rosenfeld, des Dichters und Kunsthistorikers Alfred Weintraub, der Dramatikerin Hedwig Rossi - sie alle wurden gleich Luitpold Stern ins Exil getrieben.

    Obwohl für Otto Koenig die deutsche Klassik und vor allem Goethe immer der Ausgangspunkt und der Maßstab seiner Literatur- und Kulturkritik blieben, entwickelte er zunehmend ein Verständnis für österreichische Eigenart. Das zeigt ein von ihm hinterlassenes Konzept für einen Kurs über deutsche Literatur im 19. Jahrhundert vom November 1932, in dem er systematisch zwischen "Nord- und Mitteldeutschen", "Süddeutschen", Schweizern und Österreichern unterscheidet. Dass Koenig im Sommer 1945 beim "Organ der demokratischen Einigung", dem "Neuen Österreich", eine kurzzeitige journalistische Heimat fand, deutet ebenfalls in diese Richtung.

    Einen Teil der Feuilletons, die er für die AZ verfasst hatte, veröffentlichte Koenig 1923 in dem Band "Gesichte der Vergangenheit", der in leicht veränderter Zusammenstellung 1947 unter dem Titel "Mächte und Menschen" wieder erschien. Der veränderte Titel reflektiert Koenigs Erfahrung und kritische Verarbeitung des Nationalsozialismus. Es gelte nun, nach zwei Weltkriegen, schreibt er in einem kleinen Essay, die "Willenskräfte ... vom Egozentrischen, von allen Machtgelüsten hinweg aufs allgemein Menschliche zu richten". In der Distanzierung von der Macht trifft er sich mit vielen seiner Zeitgenossen nach 1945.

    "Mächte und Menschen" hebt mit einer Erzählung aus dem Leben des Apostels Paulus an, also aus der Zeit der Ausbreitung der neuen christlichen Weltreligion im römischen Reich, und endet mit einer Satire auf das sagenumwobene "Deutsche Schwert", welches den Deutschen immer schon zum Kriegsglück verholfen haben soll. (Und man hört hier wieder verhaltenen Spott über Richard Wagners Schwertfetischismus heraus.) Das mythische Schwert eines germanischen Kriegsgottes erweist sich zwar nicht gänzlich als Fälschung, aber als "ein mittelalterliches, unehrliches Henkerschwert".

    In seinem historischen Bilderbogen befleißigt sich Koenig mit großer Freude und kenntnisreich der Sprachformen und des Stils der jeweiligen Epoche, was er erfindet, bleibt immer im Rahmen des historisch Möglichen, nur einmal unterläuft ihm ein Fehler: Er lässt Friedrich Barbarossa in seinem Kreuzzug 1188 gegen die "Türken" ziehen; der weise Sultan Saladin war aber Kurde, und vom künftigen Osmanischen Reich kündete erst die muslimische Erneuerungsbewegung der Derwische. Doch dieser kleine Fehler dürfte dem Genius loci, dem Ortsgeist von Wien, wo die Geschichte spielt, zuzuschreiben sein. Den gefräßigen Schwarm der Kreuzfahrer schildert Koenig als einen Auswurf der Menschheit, religiös verhetzt und zugleich gierig auf reiche Beute. Den Wiener Juden wird aus gegebenem Anlass gleich das ungeheure Schutzgeld von 18 Silbertalenten abgepresst.

    Immer wieder geht es in Koenigs Geschichten um die Redlichkeit, die Freiheit des Schreibens - ob bei dem Minnesänger Walther von der Vogelweide oder bei dem sächsischen Barockdichter Johann Christian Günther, der August dem Starken, seinem Landesvater, nicht willfährig sein mag und vom königlichen Hofe verstoßen wird. Besonders berührend ist Koenigs Erinnerung an den Niederländer Eduard Douwes Dekker, der gegen die Kolonialwillkür seiner Landsleute auf Java anschrieb. Die Schreibenden widerstehen bei Koenig in ihren Werken der Macht, in der sich politische Gewalt und Reichtum zusammenballen, aber unterliegen ihr in ihrem irdischen Dasein. Ihre die Freiheit und Gleichheit der Menschen verkündenden Botschaften bleiben jedoch bestehen und verknüpfen sich zu einem unsichtbaren Band, das in die Gegenwart führt und die Hoffnung auf ein Leben in Würde und Gerechtigkeit immer von neuem entfacht. Das war Otto Koenigs radikaldemokratische Vision vom Sozialismus, der sich ihm mit der Hoffnung verband, die Errungenschaften der Technik statt in den Dienst der Zerstörung endlich in den der Höherentwicklung des Menschen zu stellen.

    Otto Koenigs politische und vor allem publizistische Tätigkeit schlägt einen Bogen von den Anfängen der österreichischen Sozialdemokratie bis zu ihrer Neuformierung in den frühen 1950er Jahren. Ihm, als einem Protagonisten sozialdemokratischer Bildungsarbeit, schien es selbstverständlich, 1945 wieder dort anzufangen, wo er 1934 aufgehört hatte. Aus den vorübergehenden Triumphen von Faschismus und Nationalsozialismus galt es zwar Lehren zu ziehen, doch erscheinen sie als eine wenn auch katastrophale Unterbrechung eines Weges, der weiter zu gehen ist, und nicht als ein „Kulturbruch“, nicht als Folgen einer tiefgehenden Krise, die noch keineswegs überwunden ist. Die Anpassung an die eingetretenen Veränderungen tritt hinterrücks ein und findet ihren Ausdruck in einer Tendenz zur Distanzierung vom Geschehenen, die auch durch die intellektuelle Anlehnung an ein im Gegensatz zum preußischen Militarismus weniger machtgieriges Österreichertum begünstigt wird. Es würde sich lohnen, die Auseinandersetzung mit faschistischen und nationalsozialistischen Ideologien in der unmittelbaren Nachkriegszeit einer breiteren Untersuchung zu unterziehen, in der z.B. auch die diesbezüglichen Schriften Rudolf Brunngrabers, Karl Renners, Oskar Katanns oder Hans Thirrings zu berücksichtigen wären.

     

    • Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Band 3 Ha-La. Wien 2004, 549

     

    #1 Aufgewachsen in Klosterneuburg, Wien
    #2 Mittelstand
    #3 Studium der Germanistik, Archäologie und klassischen Philologie, Epigrafik und Pädagogik in Wien. Gymnasialprofessor in Kaaden/Böhmen und im Sperlgymnasium, Wien 2., ab 1906 Mitarbeiter der Arbeiter-Zeitung, 1913 bis 1917 Mitarbeiter des sozialdemokratischen "Dresdner Volskblattes, Volksbildner
    #4 1934 beruflich diskriminiert (Sozialdemokrat) 
    #5 Innere Emigration.
    #6 "Illegale" Volksbildung in seinem Haus in Klosterneuburg
    #7 Nach 1945 wieder Redaktionsmitglied der Arbeiter-Zeitung
    #8 SDAP, Redaktion Arbeiter-Zeitung, 1933 "Vereinigung sozialistischer Schriftsteller", SPÖ
    #9

    #10 Lebenslauf
    #11 Deutsch 
    #12 Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger 
    #13 Herbert Exenberger-Archiv  in der TKG: Otto Koenig

    #14 Typoskript (Schreibmaschine), 1 Blatt, Original mit handschriftlichen Ergänzungen
    #15 Vom 5.2.1948
    #16 Kurze Autobiografie, bis 1917
    #17 Gen. [Oscar] Pollak, Arbeiter-Zeitung

    #18

    Der bekannte und langjährige Mitarbeiter der "Arbeiter-Zeitung" und Volksbildner Otto Koenig war nach 1945 wieder für die "Arbeiter-Zeitung" tätig. Anfang Februar 1948 wurde ein Lebenslauf (nach eigenen Schilderungen) verfasst, wahrscheinlich für die "Arbeiter-Zeitung", da von deren Chefredakteur Oscar Pollak gezeichnet.

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    Lili Körber

    Geboren in Moskau, 25. 2. 1897; gestorben in New York, 11. 10. 1982

    Brigitte Lehmann: Lili Körber

    (erschienen in: ZW 30.Jg. Nr.3–4/2013, 17-18)

    Vor ziemlich genau 23 Jahren erschien in der Zeitschrift der Theodor Kramer Gesellschaft, also damals in Mit der Ziehharmonika (Jg.7, Nr.3, September 1990), erstmals ein Beitrag über die Schriftstellerin und Journalistin Lili Körber. Geschrieben von Viktoria Hertling, der Nachlassverwalterin von Lili Körber, die diese 1979, wenige Jahre vor ihrem Tod, kennengelernt hatte. Die Germanistin Viktoria Hertling beschreibt ihre Begegnung mit der Wiener Schriftstellerin in der bescheidenen Wohnung eines verwohnten Mietshauses in New York. Dass die zierlich aussehende und jetzt gebrechliche Emigrantin einst eine bekannte und beliebte Schriftstellerin war, ahnten die Hausbewohner, die sie nur als Krankenschwester Lily Gravé kannten, nicht. Lili Körber hat 1933 zu den besonders engagierten Mitgliedern der "Vereinigung sozialistischer Schriftsteller" gehört.

    Lili Körber kam am 25. Februar 1897 in Moskau zur Welt. Als Tochter von Ignaz Körber, einem österreichischen Importkaufmann für japanische Seide und seiner Frau Jeanette, einer Polin. Ihre Schulausbildung absolvierte sie in Moskau, bis die Familie 1915 aus dem zaristischen Russland ausgewiesen wurde.

    In Lausanne in der Schweiz absolvierte Lili Körber das Gymnasium. 1918 begann sie ein Literaturstudium an den Universitäten Wien und Frankfurt. Während ihrer Studienzeit und noch bis Ende der 1920er-Jahre hatte sie eine enge Bindung mit Theodor W. Adorno. Sie schloss ihr Studium 1923 in Frankfurt mit einer Dissertation über die Lyrik Franz Werfels ab. Ab diesem Zeitpunkt lebte sie als freie Schriftstellerin meist in Wien, im 8. Bezirk, in der Laudongasse. Im Laufe der Jahre wurde sie Mitarbeiterin zahlreicher Zeitungen und Zeitschriften, u.a. "Arbeiter-Zeitung", "Neues Wiener Tagblatt", "Pariser Tageszeitung", "Prager Tagblatt", "Die Rote Fahne" (Wien), "Die Stunde" (Wien), "Volksrecht" (Zürich), "Die neue Weltbühne" (Prag). Sie veröffentlichte Feuilletons, einige Gedichte und Übersetzungen aus dem Russischen.

    Sie war Mitglied der SDAP, 1930 schloss sie sich dem "Bund Proletarisch-Revolutionärer Schriftsteller" an. Von 1930 bis 1932 lebte Lili Körber wieder in Rußland, sie arbeitete einige Wochen als Dreherin in einer Traktorenfabrik (Putilowwerke) in Leningrad, um die neue Gesellschaftsordnung in Rußland kennenzulernen. Ihre Erfahrungen verarbeitete sie zu dem dokumentarischen Roman "Eine Frau erlebt den roten Alltag", der 1932 im Rowohlt Verlag erschien und ihr erster großer Erfolg wurde.

    Im Jänner 1933 reiste sie nach Berlin. Unter dem Eindruck des heraufziehenden Nationalsozialismus schrieb sie den Roman "Eine Jüdin erlebt das neue Deutschland". Das Buch erschien 1934 in Wien und wurde in Österreich verboten. Überraschend erhielt Lili Körber 1934 ein Paket aus Osaka mit der japanischen Übersetzung ihres ersten Buches über die Sowjetunion und zugleich eine Einladung des Übersetzers, bei ihm zu wohnen, falls sie nach Japan käme. Da Lili Körbers Schriften seit 1933 in Deutschland unerwünscht waren und im austrofaschistischen Österreich ebenfalls Publikationsverbot drohte, reiste sie noch im selben Jahr nach Japan und China. Nach ihrer Rückkehr 1934 veröffentlichte sie ihre Erlebnisse u.a. in der "Neuen Weltbühne", den "Europäischen Heften", im "Pariser Tageblatt" und in der "Pariser Tageszeitung". 1936 erschien ihr satirischer Roman "Sato-San, ein japanischer Held", eine Parodie auf Hitler.

    Mit dem Roman "Eine Österreicherin erlebt den Anschluß", der ab April 1938 unter dem Pseudonym Agnes Muth in der Zeitung "Volksrecht" in Zürich erschienen ist, hat sie ein spannendes literarisches Zeitdokument geschaffen. Dieser Roman ist übrigens erst nach ihrem Tod erstmals als Buch erschienen (Verlag Christian Brandstätter, Wien 1988).

    Drei Tage nach dem "Anschluss" im März 1938 flüchtete sie aus Wien, zunächst in die Schweiz, dann nach Paris. Im Herbst 1938 erhielten sie und ihr Mann Eric Gravé eine Aufenthaltsgenehmigung für Lyon.

    Mit Unterstützung des Emergency Rescue Committees konnten beide über Marseille, Madrid und Lissabon schließlich nach New York gelangen. Kurz nach ihrer Ankunft am 23. Juni 1941 bekamen Körber und Gravé mit Hilfe amerikanischer Hilfskomitees ein Zimmer im obersten, billigsten Stockwerk eines Mietshauses. Zunächst arbeitete sie als Näherin in einem Textilbetrieb, schließlich ließ sich Lili Körber zur Krankenschwester ausbilden.

    Körber war dreisprachig aufgewachsen und hatte erfolgreich in russischer, deutscher und französischer Sprache publiziert. Sie hatte aber nur geringe Englischkenntnisse und konnte sich mit dem Amerikanischen auch nur schwer anfreunden. Ihre Versuche, mit englischsprachigen Texten auf den amerikanischen Markt zu kommen, waren nicht sehr erfolgreich. Nur noch gelegentlich veröffentlichte sie Erzählungen, Gedichte und Rezensionen in einigen Zeitungen. Ihr letzter Roman, "Call me nurse", vermutlich 1959 geschrieben, in dem sie ihre Erfahrungen als amerikanische Krankenschwester verarbeitete, blieb unveröffentlicht. Einsamkeit, Isolation und das Gefühl des Vergessenseins im Exil machten ihr zu schaffen. Die brieflichen Kontakte mit den europäischen FreundInnen wurden seltener, mühsamer oder brachen ab. Lili Körber empfand sich als "Strandgut", entwurzelt, keine Amerikanerin, aber auch keine Europäerin mehr.

    Sie starb am 11. Oktober 1982 in New York.

     

    • Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser (Hg.): Lexikon der österreichischen Exilliteratur. Wien 2000, 395f

    #1 Aufgewachsen in Moskau 
    #2 Unternehmerfamilie, Vater Exportkaufmann für japanische Seide
    #3 Presseschule in Zürich, Matura in Bern, Studium der Literaturwissenschaften in Wien und Frankfurt, wo sie über Franz Werfel promovierte. Schriftstellerin, Journalistin
    #4 Rassistisch und politisch verfolgt (Sozialdemokratin) 
    #5 1938 über die Schweiz nach Frankreich, Paris, Lyon, 1941 in die USA mit einem Emergency Rescue Visa für die USA, wo sie in New York lebte
    #6 Schriftstellerin, Journalistin, in USA auch Fabriksarbeiterin und Krankenschwester
    #7 Keine Rückkehr
    #8 "Vereinigung sozialistischer Schriftsteller"
    #9 Lili Körber: Gedichte. In: ZW 30.Jg. Nr.3–4/2013, 18f.

    #10 Brief 
    #11 Deutsch 
    #12 Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger 
    #13 Herbert Exenberger-Archiv  in der TKG: Lili Körber

    #14 Brief maschinschriftlich 
    #15 Vom 29. Juli 1979
    #16 Kurze Autobiografie
    #17
    Viktoria Hertling
    #18

    Ihr Brief an die zukünftige Nachlassverwalterin Viktoria Hertling ist vielmehr eine kompakte, viele Details aufzählende Autobiografie auf zwei Seiten. Als Dr. Viktoria Hertling 1990 für MdZ ihren Beitrag über Lili Körber schrieb, war sie Associate Professor an der University of Nevada-Reno. (Viktoria Hertling: Lili Körber. In: MdZ Jg.7 Nr.3/1990, 3-4)

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    Sophie Leifhelm

    Geboren in Graz, 30. 11. 1890; gestorben in Ravensbrück (Deutschland), März 1945

    Sophie Leifhelm wurde in Graz geboren und war die Tochter von Malvine und Dr. Adalbert Hennicke, der Mediziner (Assistent am Institut für Histologie und Embryologie der Universität Graz) und Amateurfotograf war. 1894 wurde ihr Bruder Oskar geboren. Sie besuchte Volksschule und Mädchengymnasium und studierte in Graz vier Semester Kunstgeschichte.

    1917 heiratete sie den Schriftsteller Hans Leifhelm (Herbert Exenberger-Archiv) mit dem sie eine Tochter namens Elfriede hatte. Das Paar lebte bis 1923 in Berlin, bevor es nach Graz zog. Unter dem Namen Sophie Hennicke verfasste sie um 1925 in der Zeitschrift "Blatt der Hausfrau" mehrere Aufsätze zur rechtlichen und ökonomischen Lage der Frau. Seit 1923 war sie mit dem Grazer Künstler Axl Leskoschek befreundet, der ebenfalls Redakteur bei der sozialdemokratischen Tageszeitung "Arbeiterwille" in Graz war. Sophie Leifhelm war in der Sozialdemokratischen Partei (Parteimitglied seit 1926) sowie bildungspolitisch und in der Fürsorge aktiv. Auch war sie stv. Vorsitzende der Grazer Ortsgruppe der "Internationalen Frauenliga für Friede und Freiheit". 1933 ließen sich Hans und Sophie Leifhelm scheiden.

    Nach 1934 gründete sie eine Rechtshilfe für angeklagte SozialdemokratInnen und arbeitete eng mit der Pariser "Liga für Menschenrechte" zusammen. In diesem Kontext dürfte sie spätestens den Anwalt Heinrich Steinitz kennen gelernt und sich mit seiner Frau Meta angefreundet haben. Heinrich Steinitz ist als Lyriker auch Mitglied der 1933 gegründeten "Vereinigung Sozialistischer Schriftsteller" gewesen (Herbert Exenberger-Archiv: Heinrich Steinitz), der auch Hans Leifhelm angehört hat.

    Axl Leskoschek war inzwischen Kommunist geworden und wahrscheinlich kam Sophie Leifhelm über ihn ins Umfeld der illegalen KPÖ. Im März 1936 wurde sie für mehrere Monate verhaftet. In Wien, wohin sie 1938 übersiedelte, arbeitete sie in der Auslandsbriefprüfstelle der Wehrmacht.

    1943 trat sie der zwischen 1942 und 1944 aktiven "Anti-Hitler-Bewegung Österreichs" rund um den slowenischen Kommunisten Karl Hudomalj bei. Die meisten Mitglieder dieser Gruppe kamen aus der Arbeiterschaft, Sophie Leifhelm war eine der wenigen Bürgerlichen. Die Organisation, welche die Zeitschrift "Wahrheit" herausgab, war jedoch keine kommunistische, da neben Sozialdemokraten auch Christlichsoziale mitwirkten.

    Bekanntestes Mitglied war der 1944 ins KZ Mauthausen deportierte Sozialdemokrat Alfred Migsch, der nach 1945 ca. 20 Jahre Nationalratsabgeordneter und 1947 Bundesminister war. Er redigierte die Zeitschrift "Wahrheit". Auch waren Zwangsarbeiter in der Bewegung aktiv.

    Sophie Leifhelm wurde wegen kommunistischer Betätigung im Dezember 1943 verhaftet und am 11.1.1944 von der Gestapo in Wien erkennungsdienstlich erfasst. Mit Zwischenstation in Leipzig wurde sie am 12. Juli 1944 nach Ravensbrück überstellt. Ein Kriminalrat Sanitzer hatte sie trotz ihres schweren Herzleidens für den Sammeltransport ins KZ frei gegeben. Im März 1945, kurz vor der Befreiung, wurde Sophie Leifhelm im KZ ermordet. (AE)

     

    • Heimo Halbrainer: "In der Gewissheit, dass Ihr den Kampf weiterführen werdet". Briefe steirischer WiderstandskämpferInnen aus Todeszelle und KZ. Graz 2000, 186f
    • Hans Schafranek: Frauen im Widerstandsnetzwerk um Karl Hudomalj. Die »Anti-Hitler-Bewegung Österreichs« 1942–1944. In: JHK (Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung) 2015. Berlin, 17-38 (==> zur JHK-Seite)

    #1 Graz 
    #2 Mittelstand, Vater war der Universitätsassistent Dr. Adalbert Hennicke
    #3 Studium der Kunstgeschichte, Autorin 
    #4 Politisch verfolgt, Widerstand 
    #5 Graz, Wien, KZ Ravensbrück
    #6 Rechtshilfe, Mitglied der Widerstandsgruppe "Anti-Hitler-Bewegung Österreich"
    #7
    #8 SDAP, Liga für Menschenrechte, KPÖ, Widerstand, "Anti-Hitler-Bewegung Österreich"

    #9

    #10 Brief 
    #11 Deutsch 
    #12 Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger 
    #13 Herbert Exenberger-Archiv im Archiv der TKG, Bestand
    Hans Leifhelm
    #14 handschriftlicher Brief in Kopie, 2 Seiten 
    #15 Entstehungszeit: 26. Mai 1943 
    #16 Sophie Leifhelm schreibt über "traurige Ereignisse", Verluste, betont wie wichtig ihr Meta Steinitz ist und die Lust sie wieder zu sehen
    #17 Meta Steinitz
    #18

    Im Frühjahr 1943 erfuhr Meta Steinitz, dass ihr Mann, der Anwalt und Lyriker Heinrich Steinitz, eben mit 405 anderen Häftlingen vom KZ Buchenwald ins KZ Auschwitz deportiert, im Oktober 1942 in Auschwitz-Birkenau ermordet worden war. Meta Steinitz hatte 1939 dank der Bemühungen Schweizer Sozialdemokraten in der Schweiz Exil gefunden. Sie hatte alles daran gesetzt, ihren Mann frei zu bekommen. Sophie Leifhelm war wahrscheinlich schon im Widerstand tätig. Thema des Briefes sind die "traurigen Ereignisse", die Toten der letzten Zeit, vor allem der Verlust Heinrichs, "der uns alle vielleicht am schwersten getroffen und bewegt hat". Sophie Leifhelm schreibt, dass Meta Steinitz der "Mittelpunkt unserer Gesellschaft" war und sie sich danach sehnt, sie wieder einmal sehen und sprechen zu können.

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    Ilse Mezei

    Geboren in Wien, 13. 5. 1924, gestorben in Wien, 12. 3. 1945

     

    Ilse und ihr Zwillingsbruder Kurt Mezei kamen am 13.5.1924 in Wien zur Welt. Die Eltern waren der Schriftsteller und Übersetzer Moritz (Maurus) Mezei und Margarethe Mezei, geb. Neumann. Moritz (Maurus) Mezei war aktiver Sozialdemokrat und übersetzte ungarische Literatur für "Arbeiter-Zeitung".

    Moritz (Maurus) Mezei wurde von den Nazis im Dezember 1938 verhaftet und gelangte nach einigen Monaten Haft nach Ungarn, wo er ebenfalls mehrfach verhaftet wurde. 1939 konnte er nach Italien flüchten. Er blieb mit seiner Familie in Wien in Briefkontakt. Nach mehrmaligen Verhaftungen, im Lager Urbisaglia, wurde er am 5. April 1944 über das Lager Fosoli nach Auschwitz deportiert. Ende September 1944 wurde er ermordet.

    Margarethe Mezei lebte mit den beiden Kindern in Wien. Margarethe Mezei war die Sekretärin von Benjamin Murmelstein, Ilse Mezei arbeitete als Telefonistin in der IKG, Kurt als Bote. Die Familie wohnte in der Förstergasse 5 im 2. Bezirk. Ilse kam am 12. März 1945 bei einem Bombenangriff in der Seitenstättengasse um, der Zugang zu einem Luftschutzkeller war ihr als Jüdin nicht erlaubt. Kurt Mezei lebte zuletzt als U-Boot und gehörte zu jenen neun Menschen, die am 12. April 1945 von der SS im Keller des Hauses Förstergasse 7 aufgegriffen, gefoltert und ermordet wurden. Margarethe überlebte als einzige der Familie und verstarb 1993.

    2007 hat der Verein Gedenkdienst den Kurt und Ilse Mezei-Fonds zur Unterstützung von Gedenkdienerinnen eingerichtet.

     

    • Herbert Exenberger: Von Italien nach Auschwitz. Der österreichische Schriftsteller und Übersetzer Moritz (Mauris) Mezei. In: ZW 22.Jg. Nr.3/2005, 73-74

    #1 Wien
    #2 Mittelstand, Vater war der Schriftsteller Moritz (Maurus) Mezei
    #3 Schülerin
    #4 Rassistisch verfolgt
    #5 Wien
    #6 Mitarbeiterin der IKG, die ab Mai 1938 in "Jüdische Gemeinde" umbenannt wurde
    #7 Telefonistin
    #8 IKG

    #9

     

     

    #10 Bücherliste, Notiz zur eigenen Lektüre
    #11 Deutsch 
    #12 Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger 
    #13 Herbert Exenberger-Archiv im Archiv der TKG, Bestand Walter Lindenbaum, Original im Jüdischen Museum Wien, Inv.Nr. 4468

    #14 Zwei Seiten aus handschriftlichem Notiz- und Lyrikheft in Kopie, Heft mit ca. 88 Seiten 
    #15 Ab 2. Jänner 1943 
    #16 Auflistung jener Bücher, die Ilse Mezei zwischen 1942 und 1944 gelesen hat
    #17
    #18

     

    Die Liste "Meine bessere Lektüre 1942-1944" umfasst 80 Buchtitel. Viele der aufgezählten Bücher waren verboten. Das zeugt nicht nur vom Mut der jungen Frau, sondern wirft auch die Frage auf, woher sie die Bücher hatte. Weiters praktische Notizen, wie Morsealphabet, Namen der US-amerikanischen Bundesstaaten, chemische Symbole. Adresslisten, Telefonnummern von Bekannten, von offiziellen Stellen. Adressen von Bekannten in Theresienstadt. Die eigenen Körpermaße und jene der Mutter. Gedichte und Lieder, darunter etliche von Walter Lindenbaum, der ebenfalls für die "Jüdische Gemeinde" gearbeitet hat, Armin Berg...

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    Willy Miksch

     

    Geboren in Wien, 26.2.1904; gestorben in Wien, 10.3.1992

     

    Willy Miksch war der Sohn einer Brigittenauer Arbeiterfamilie. Hunger und Armut prägten die Kindheit, nur sechs Kinder der Familie blieben am Leben. Nach der Pflichtschule und einer Lehre als Schriftsetzer begab er sich, wie damals üblich, auf Wanderschaft, die ihn durch halb Europa führte. Er wurde 1922 Gewerkschaftsmitglied. Bereits 1924 erschienen die ersten Gedichte in Zeitungen und Zeitschriften. Während der Zeit der Weltwirtschaftskrise trieb ihn die Arbeitslosigkeit in verschiedene Berufe, u.a. war er Badewart, Hilfsarbeiter und Heimerzieher in „Jugend in Not“. Zur selben Zeit publizierte er Beiträge in der sozialistischen Presse. Er hielt Vorträge zu Jugendthemen und kreierte Sprechchorwerke in der Arbeiter-Festkultur, wie etwa „Funkturm der Welt“ im Ottakringer Arbeiterheim. 1933 wurde er Mitglied der "Vereinigung Sozialistischer Schriftsteller". Nach dem Februar 1934 konnte er in Tarnorganisationen, wie dem Friedensbund oder dem Volksheim, Teile seiner Tätigkeit fortsetzen.

    Im Zweiten Weltkrieg war er Sanitäter in Polen und Frankreich. Er kehrte 1946 aus der US-amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurück und nahm sowohl seine politische, als auch seine literarische Tätigkeit wieder auf. Er gestaltet Rundfunksendungen für den Gewerkschaftsbund und schreibt u.a. zwei Kinderbücher für den Verlag des Gewerkschaftsbundes und engagiert sich in der Sozialistischen Jugend. Seit 1946 ist auch ständiger Mitarbeiter der Gewerkschaftszeitung "Solidarität".

    In einem Literaturwettbewerb der Arbeiterkammer und im Kompositionswettbewerb der Stadt Wien 1950 wurde er ausgezeichnet. Er war als Gemeindebediensteter im Allgemeinen Krankenhaus und Mitarbeiter der dortigen Betriebsbücherei. Auch war er Verwaltungsbeamter der Stadt Wien und im Statistischen Amt beschäftigt.

     

     

    #1 Wien
    #2 Proletariat
    #3 Pflichtschule, Lehre als Schriftsetzer, Schriftsteller
    #4 1934 getarnte politische Tätigkeit, 1938 Innere Emigration
    #5 Wien, in der Deutschen Wehrmacht als Sanitäter, Kriegsgefangenschaft
    #6 Sanitäter beim Militär
    #7
    #8 Gewerkschaft, Vereinigung Sozialistischer Schriftsteller, SPÖ
    #9

     

     

    #10 Skript für Radiosendung
    #11 Deutsch
    #12 Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger 
    #13 Herbert Exenberger-Archiv in der TKG: Willy Miksch
    #14 Typoskript (Schreibmaschine), Original, mit Markierungen, 8 Blätter
    #15 26. 2. 1970
    #16 Rundfunk-Manuskript mit autobiografischen Notizen, illustriert durch folgende Lieder und Gedichte: „Solidaritätslied“, vertont von Erwin Weiß, „Vorstadthäuser“, „Alltagsballade“, „Feierabend“, vertont von Kurt Pahlen, „Eine große Liebe“, vertont von Fritz Simak, „Vorstadtfrühling“, „Es wird Arbeit in den vielen Stuben“, „Lied der Mütter“, „Wenn die schweren Hämmer singen ...“, vertont von Fritz Simak, 8 Bl.
    #17 RadiohörerInnen
    #18

     

    An seinem 70. Geburtstag wurde zwar in einem sehr kurzen Beitrag über Willy Miksch in "Arbeiter-Zeitung" berichtet (Willy Miksch - 70. In: Arbeiter-Zeitung vom 27.2.1974, 8), es gibt jedoch keinen Hinweis, weder in dem Artikel, noch im Radioprogramm von Österreich 1, 2 oder 3, dass es eine Radiosendung über ihn gegeben hätte.

     

     

    #10 Lebenslauf
    #11 Deutsch
    #12 Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger 
    #13 Herbert Exenberger-Archiv in der TKG: Willy Miksch
    #14 Typoskript (Schreibmaschine),
    Original, mit Korrekturen, 1 Blatt
    #15 nach 1979
    #16 Kurzer Lebenslauf.
    #17
    #18

     

    Der kurze Lebenslauf hat den Schwerpunkt auf die politischen, berufliche und literarische Aktivitäten. Aus seinem Privatleben erfährt man nur, dass er aus einer Arbeiterfamilie stammt und, dass er in seiner Jugend Opfer der Weltwirtschaftskrise war. Sein CV beendet er mit dem Hinweis, dass er zu seinem 75. Geburtstag mit dem Silbernen Ehrenzeichen der Stadt Wien gewürdigt wurde.

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    Anton Pariser

    Geboren in Wien, 15. 10.1890; gestorben in Paris, 22. 1. 1965

    Anton Pariser wuchs in Wien auf, sein Vater war Inhaber eines Geschäfts für Küchengeräte. Pariser studierte Rechtswissenschaften, stieg zum Vorstandsstellvertreter der Länderbank auf, war daneben als Übersetzer und Volksbildner tätig. In der 1933 gegründeten, 1934 verbotenen Vereinigung sozialistischer Schriftsteller (VsS) übernahm er die Funktion des Kassiers. Im VsS war auch Elisabeth Steinitz' Vater, der Rechtsanwalt und Schriftsteller Heinrich Steinitz, tätig; er wurde 1942 in Auschwitz ermordet. (==> Herbert Exenberger-Archiv). Als Jude und Sozialdemokrat war Pariser nicht nur rassistisch, sondern auch politisch verfolgt. Im Juli 1938 wurde er in Schutzhaft genommen, im August verlor er seine Position bei der Bank. Im Jänner 1939 flüchtete er mit seiner Frau Josefine, geborene Blankenberg, und der 1927 geborenen Tochter Magdalena/Lene nach Frankreich, hielt sich zunächst in Paris auf, wurde als "feindlicher Ausländer" in verschiedenen Lagern interniert (September bis Dezember 1939 im Stade des Colombes und Meslay-du-Maine, Mai 1940 bis Jänner 1941 unter anderem in Les Milles und Gurs), schließlich kam er in eine prestataire-Einheit bei Montauban. Seine Frau war Ende 1940 infolge der Strapazen der Flucht an ihrer Lungenkrankheit gestorben. Von August 1942 bis August 1944 wurden Anton Pariser und seine Tochter von AntifaschistInnen in einer Hütte auf einem Weinberg in Lafrançaise bei Montauban versteckt.

    Nach der Befreiung blieb Pariser in Frankreich, nahm sich der österreichischen Flüchtlinge an, arbeitete für eine Bank und für das österreichische Kulturinstitut in Paris. Er war weiter als Lyriker und Übersetzer tätig. (TKG)

    • Herbert Exenberger: Anton Pariser, Der sozialdemokratischen Kultur- und Bildungsarbeit verpflichtet. In: Paul Pasteur, Christine Mondon: À la recherche de l'austriacité. Rouen 2003, 121–130.
    • Brigitte Lehmann, Alexander Emanuely: Die ArbeiterschriftstellerInnen und der Französische Geist. In: ZW 29.Jg. Nr.4/2012, 42–45

    #1 Wien 
    #2 Mittelstand, Vater besaß ein Geschäft für Küchengeräte 
    #3 Studium der Rechtswissenschaften. Vorstandsstellvertreter Länderbank, in der Freizeit Übersetzer, Volksbildner, Lyriker 
    #4 Rassistisch und politisch verfolgt (Sozialdemokrat) 
    #5 Flucht vermutlich legal. Im Jänner 1939 nach Frankreich, Paris, Internierungslager (Colombes, Meslay du Maine, Les Milles, Gurs), Montauban, 1942–1944 in Lafrançaise versteckt 
    #6 Gruppe der österreichischen Sozialisten in Frankreich.
    #7 Keine Rückkehr
    #8 Gruppe der österreichischen Sozialisten in Frankreich, Österreichisches Kulturinstitut
    #9 Veröffentlichungen in der Zeitschrift Zwischenwelt: kommentierte Gedichte und ein Brief erscheinen voraussichtlich in ZW 37.Jg. 1/2019.

    #10 Fotos 
    #11
    #12 Von Edith Lunet an Herbert Exenberger. Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger 
    #13 Herbert Exenberger-Archiv in der TKG: Anton Pariser 
    #14 s/w Photos
    #15
    Ostern 1953
    #16 Familie, Freunde
    #17
    #18

    Foto =>1: Magdalena/Madeleine Pariser, Tochter von A.P., Roger Lunet, Anton Pariser. Ostern 1953 vor dem Schloss von Chambord, Frankreich. Aufnahme: Edith Lunet, geb. Kramer, Ehefrau von Roger Lunet. Foto => 2: von links: Anton Pariser, Madeleine Pariser, Roger Lunet. Ostern 1953 vor dem Schloss von Chambord

    Brief:

    #10 Briefe 
    #11 Deutsch und Französisch
    #12 Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger 
    #13 Herbert Exenberger-Archiv in der TKG: Anton Pariser  
    #14 hand- und maschinschriftlich in Original und Kopie 
    #15 Am 1.11.1943 
    #16
    #17 An Lisbeth Steinitz
    #18

    Handgeschriebener Brief Anton Parisers an Elisabeth Steinitz vom 1.11.1943. In französischer Sprache, h.s.. Übersetzung des Briefes ins Deutsche von Elisabeth Steinitz mit der Anmerkung, dass der mit dem Vornamen seiner Tochter gezeichnete Brief von Anton Pariser selbst stammte. Elisabeth (Lisbeth) Steinitz war die 1911 geborene Tochter von Heinrich und Meta Steinitz. Sie hatte wie ihre Mutter und vorerst ihre Geschwister Karl Heinrich, Brigitte und Anna in die Schweiz flüchten können.

     

    #10 Briefe 
    #11 Deutsch und Französisch 
    #12 Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger 
    #13 Herbert Exenberger-Archiv in der TKG: Anton Pariser  
    #14 hand- und maschinschriftlich in Original und Kopie 
    #15 1957-1958 
    #16 Alltag des Exils
    #17 An Theodor Kramer
    #18

    Theodor Kramer verstarb in Wien am 3. April 1958. Die Briefe Anton Parisers erhielt er in den letzten Monaten seines Lebens. Es geht viel um Gesundheit und Lebensbedingungen.

    #10 Briefe 
    #11 Deutsch 
    #12 Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger 
    #13 Herbert Exenberger-Archiv in der TKG: Anton Pariser  
    #14
    Typoskript (Computer)
    #15 Am 22. Dezember 1961 
    #16 Über Theodor Kramer
    #17 Anton Pariser an Erwin Chvojka
    #18

    Aus dem Briefwechsel Anton Parisers mit Prof. Erwin Chvojka (Nachlassverwalter von Theodor Kramer).  Der Brief von Anton Pariser an Erwin Chvojka vom 22. Dezember 1961 (letzter Brief von Anton Pariser). Dieser freut sich über den Einsatz Chvojkas für Theodor Kramer und ist betrübt, dass er all seine Kramer-Bücher 1938 verloren ging.

    #10 Briefe 
    #11 Deutsch
    #12 Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger 
    #13 Herbert Exenberger-Archiv in der TKG: Anton Pariser  
    #
    14 Typoskript (Computer)  
    #15 Am 22.11.2002 
    #16 Über Anton Pariser
    #17 Edith Lunet an Christa Scheuer
    #18

    Brief von Edith Lunet, geborene Kramer, an Christa Scheuer, 22.11.2002. In der Übersetzung aus dem Französischen von Christa Scheuer. Mit Erinnerungen an Anton Pariser. Edith Lunet kannte Anton Pariser noch aus Wien und hat ihn nach der Befreiung in Paris durch Zufall wieder getroffen. Es entstand eine Freundschaft, welche einige Jahre hielt. Christa Scheuer-Weyl war Autorin und Übersetzerin. Sie hat neben ihrer Arbeit für "Wiener Tagebuch" oder "Arbeiter-Zeitung" u.a. auch für "Zwischenwelt" geschrieben. Ihr Schwerpunkt war Exil in Frankreich. Ihr Ehemann war der Schriftsteller und langjährige Korrespondent der "Arbeiter-Zeitung" in Paris Georg Scheuer, der die Verfolgung in Frankreich überlebt hat und Mitglied der Résistance war.

    #10 Gedichte 
    #11 Deutsch 
    #12 Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger 
    #13 Herbert Exenberger-Archiv in der TKG: Anton Pariser  
    #14 Neun Gedichte, hand- und maschinschriftlich im Original 
    #15 Ab 1939 
    #16 Solidarität im Lager
    #17 Für Magdalena Pariser
    #18

    Die handschriftlich und auf der Schreibmaschine verfassten Gedichte sind ab 1939 entstanden. Sie wurden der Theodor Kramer Gesellschaft im März 2013 von Annie Weich übergeben, deren Vater Karl Hartl im diplomatischen Dienst war. Anton Parisers Schwägerin Hedwig Blankenberg, mit der gemeinsam er versteckt lebte, war über viele Jahre Hartls Sekretärin, der Neffe von Blankenberg und Pariser, Ehud Jungwirth, schickte die Gedichte 2013 an Annie Weich.

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    Valentin Pollak

    Geboren in Wiener Neustadt, 1871; gestorben in Oxford (Großbritannien), 1948

    Valentin Pollak kam am 13. Dezember 1871 als Sohn des Kaufmanns Samuel Pollak und seiner Frau Gabriele, geborene Bauer, in Wiener Neustadt zur Welt. Er hatte eine ältere Schwester namens Ida und zwei jüngere Geschwister namens Johanna und Ludwig. Die Familie zog um 1873 nach Wien. Valentin Pollak maturierte 1888/89 am Josefstädter Obergymnasium und studierte anschließend an der Universität Wien „Philosphie Humanistische Richtung“. 1895 schloss er mit einem Doktor der Philosophie ab. 1896 folgte die Lehramtprüfung in Deutsch, Geschichte und Geografie und 1897 der Beginn der Lehrtätigkeit an jener Schule, an der er maturiert hatte, am Josefstädter Obergymnasium.
    Von 1900 wurde Valentin Pollak Professor an der Staatsrealschule in Triest.
    1901 heiratet Valentin Pollak Alice von Zieglmayer, Tochter des ehemaligen Verwalters der städtischen Bürgerversorgungsanstalt, dem kaiserlichen Rath Gustav Ziegelmayer-Hamman, Edler von Hollenfeld. Valentin Pollak ließ sich, um heiraten zu können, taufen. Die Hochzeit fand am 11. Februar 1901 in der evangelischen Stadtkirche in der Wiener Dorotheergasse statt.
    Alice von Zieglmayers Schwester war mit dem späteren Polizeipräsidenten und Bundeskanzler Johann Schober verheiratet. Wie man in Pollaks Erinnerungen erfährt, war es der Schwiegervater Pollaks und Schobers, der letzterem, einem gelernten Juristen, eine Anstellung beim Wiener Magistrat und dann bei der Polizeidirektion verschafft hat. Pollak bezeichnet ihn als einen der „Totengräber Österreichs“ und fügt hinzu, dass er ihn nachhaltig „hasst“.
    Valentin und Alice Pollak hatten drei Kinder, darunter Tochter Ilsa, welche als Erwachsene unter dem Namen Ilsa Barea-Kulcsar eine bekannte Schriftstellerin und Revolutionärin werden sollte.
    1902 kam Valentin Pollak zurück nach Wien, wo er bis 1920 „wirklicher Lehrer an Staatsmittelschulen“ in Wien, am Staatsgymnasium Wien 3 in der Sofienbrückengasse, heute Kundmanngasse war. Weiters unterrichtete er vier Stunden die Woche an der Schule Eugenie Schwarzwalds, dem Mädchen-Lyzeum am Kohlmarkt, deutsche Literatur. Auch hielt Valentin Pollak regelmäßig Vorträge vor wissenschaftlichen Vereinen wie dem Wiener Goethe Verein oder dem Schillerverein „Die Glocke“.
    1906 kam die gemeinsam mit Franz Jelinek und Franz Streinz verfasste didaktische Anthologie Deutsches Lesebuch für österreichische Gymnasien und Realgymnasien heraus. In dieser Anthologie waren auch zeitgenössische AutorInnen vertreten, die damals der Jugend eher noch vorenthalten wurde. Man fand in dem Lesebuch Beiträge von Marie Ebner-Eschenbach, Ferdinand Saar, Gottfried Keller, Richard Dehmel, Detlev von Liliencron, sowie einen Nachruf auf den Arzt Hermann Franz Müller, der 1898 in Wien an der Pest starb, deren Ausbruch er noch verhindern konnte. Die Anthologie gehörte zur Pflichtlektüre mehrerer Generationen an MittelschülerInnen und erfuhr mehrere Neuauflagen. Eines der Hauptthemen Valentin Pollaks war die politische Dichtung im Vormärz. So gab er 1907 eine kommentierte Schulausgabe von Anastasius Grüns Schutt heraus. 1912 war er Mitherausgeber eines Geschichtsbuches für die Unterklasse und 1917 einer Anthologie für den Unterricht in Heftform mit dem Titel „Aus dem großen Kriege“.
    Valentin Pollak war 1910 Gründungs- und Vorstandsmitglied des „Reichsvereins für Mittelschullehrer“, einem landesweiten Dachverband.
    Nach der Gründung der Republik engagierte sich Valentin Pollak in der SDAP, schrieb viele wissenschaftliche Beiträge für die Arbeiter-Zeitung, für die er auch literarische Texte aus dem Englischen übersetzte, war Dozent am Ottakringer Volksheim, häufiger Vortragender der Bildungsakademie der SDAP und 1923, gemeinsam mit Carl Furtmüller und Rudolf Ortmann, Mitbegründer der „Vereinigung sozialistischer Mittelschullehrer“.
    Nachdem er zwölf Jahre Professor am Gymnasium Kundmanngasse war, wurde er am 9. 1. 1920 Direktor des Staatsgymnasiums im 9. Bezirk, dem Wasagymnasium. Damit wurde Valentin Pollak in Wien der erste Sozialdemokrat auf solch einen Posten. Da er einer der Mitgestalter der Schulreform Otto Glöckels war, herrschte am Wasagymnasium ein wesentlich fortschrittlicheres Klima als an anderen Gymnasien der jungen Republik. Das Urteil des ehemaligen Schülers Erwin Chargaffs fiel folgendermaßen aus: „Das war ein wunderbares Gymnasium, die meisten meiner Professoren sind mir mit Namen in Erinnerung. Der Direktor war Dr. Valentin Pollak. Er hatte einen sehr schönen Bart, und da wir damals privat auch antike Kunst betrieben haben, wurde er manchmal Pollak von Otricoli genannt, weil er aussah wie die Zeusbüste von Otricoli.“(Hubert Christian Ehalt (Hg.): Ich stamme aus Wien. Kindheit und Jugend von der Wiener Moderne bis 1938. Weitra 2008, S.34.) Unter Valentin Pollaks Direktion konnten erstmals Mädchen ans Wasagymnasium. Nebenbei gab er Lesungen er an Volkshochschulen und war Vizedirektor des Seminars für Probekandidaten des Mittelschullehramtes. 1928 ging er in den Ruhestand und 1929 wurde er für seine Verdienste von der Republik mit dem Titel Hofrat ausgezeichnet.
    Nach den vielen Jahren in der Administration unterrichtete er wieder, am Vormittag als Lehrer an der Schule der Eugenie Schwarzwald und am Nachmittag als Dozent im Volksheim. Weiters war er pädagogischer Leiter des „Wiener Mittelschulkurs Sozialistischer Arbeiter“ in der Mollardgasse. Er hielt Vorträge im Monistenbund und in verschiedenen Bezirkssektionen der SDAP.
    1931 gründeten Valentin und Alice Pollak mit Hilfe Eugenie Schwarzwalds und der Elternvereinigung des Wasagymnasiums ein eigenes Ferienheim in Eisenkappel (Železna Kapla-Bela) in Kärnten und eine dazugehörenden Verein namens „Jugendland“. Ab 1932 betrieb der Verein in Lunz am See in Niederösterreich ein Ferienheim.
    Im Februar 1934 galt es vor allem den Schwiegersohn Leopold Kulcsar, einen linken politischen Aktivisten, aus dem Gefängnis zu befreien, was dem pensionierten Schuldirektor dann u.a. auch deswegen gelang, weil sein Hofrats-Titel die Beamten beeindruckte. Nach dem Februar 1934 versuchte vor allem der  Obmann des Volksheimes Viktor Matejka Niveau und Unterricht zu halten. Unter der Leitung des Philosophen Leo Gabriel, den Pollak als „Kampfhahn des Dollfuss-Kurses“ bezeichnet, wurden im Sommer 1936, nachdem Matejka seinen Posten verloren hatte, alle DozentInnen, die als SozialdemokratInnen galten, "ausgeschieden", darunter Eduard März, Richard Wagner, Franz Ibaschitz und Valentin Pollak.(Renate Lotz-Rimbach: Zur Biografie Leo Gabriels. In: Zeitgeschichte. Heft 5, 2004, S.381.) Der Verein „Jugendland“ existierte bis 1936, als angeordnet wurde, dass sich die gesamte „Jugendpflege“ der vaterländischen Ideen unterordnen müsse. Unter diesen Umständen lösten die Pollaks den Verein auf.
    Seit seiner Pensionierung arbeitete Valentin Pollak an einer Geschichte der französischen Revolution, welche jedoch mangels Aussicht auf Publikation nie fertig geschrieben wurde. 1936 ging die Tochter Ilsa, die seit 1934 Teil des Widerstandes gegen Austrofaschismus und Nationalsozialismus war, mit ihrem Mann nach Spanien. Leopold Kulcsar sollte eine unrühmliche Rolle als Folterknecht des NKWD spielen(Hans Schafranek: Das kurze Leben des Kurt Landau. Ein österreichischer Kommunist als Opfer der stalinistischen Geheimpolizei, Wien 1988, 491f.) und 1938 in Paris umkommen. Zuvor hatten sich er und Ilsa, die bald den spanischen Schriftsteller Arturo Barea heiratete, getrennt.(Alexander Emanuely: Ausnahmezustand. Jura Soyfers Transit. Weitra 2013, 214.) Vom Ehekonflikt, der Scheidung, der neuen Beziehung in Barcelona erfuhren die Pollaks in Wien aus Briefen. Sohn Willi Pollak war inzwischen Leiter eines Industriekonzerns und lebte in Dänemark, wohin im August 1939 auch Valentin und Alice Pollak auf ihrer Flucht nach England kamen.
    Ein Anfang 1938 geschriebenes Manuskript einer Autobiografie war das einzige Schriftwerk, das man ihm bei der Ausreise in Hamburg nicht abgenommen hatte. In England lebten die Pollaks in Hertforshire Village, wo Valentin Pollak sein Manuskript mit Schreibmaschine abtippte und kommentierte. Im Juni 1940 wurde er interniert und kam auf die Isle of Man.
    Zuletzt lebten Valentin und Alice Pollak in Faringdon, wo beide auch 1948 starben. Alice Pollak starb am 5. Oktober 1948. Sie liegt im All Saints Churchyard in Faringdon, Vale of White Horse District, Oxfordshire, England begraben. Auch Ilsa lebte später in Faringdon, wo sie Gemeinderätin der Labour Party war. (AE)

    #1 Wien
    #2 Mittelstand
    #3 Gymnasialprofessor, Mittelschuldirektor, Übersetzer
    #4 Rassistisch und politisch verfolgt (Sozialdemokrat)
    # 5 Flucht legal. August 1939 nach England via Dänemark. 1940 interniert auf der Isle of Man. Faringdon bei Oxford
    #6
    #7 Keine Rückkehr
    #8
    #9

    #10 Autobiografie
    #11 Deutsch
    #12 im Oktober 2018, von Erich Hackl übergeben, aus dem Nachlass Ilsa Barea-Kulcsar
    #13 Archiv der TKG, Original im Archiv Uli Rushby-Smith
    #14 Typoskript (Schreibmaschine) in Kopie, ca. 300 Seiten
    #15 In den ersten Monaten des Jahres 1938. Am 19. April 1938 beendet, nachbearbeitet und mit Fußnoten versehen im englischen Exil, im Sommer 1940
    #16 Lebensgeschichte bis 1938, mit Fußnoten aus dem Jahr 1940
    #17 Gewidmet: "Meiner Frau" (Alice Pollak)
    #18 Publikation vom Autor intendiert

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung, Einleitung
    #11 Englisch
    #12 im Oktober 2018, von Erich Hackl übergeben, aus dem Nachlass Ilsa Barea-Kulcsar
    #13 Archiv der TKG, Original:
    Valentin Pollak's work. In: ==> Catalogue of the Archive of Arturo and Ilsa Barea (MS 12614/39)
    #14 Typoskript (Computer) in Kopie mit Anmerkungen, 3 Seiten
    #15 Nach 1940
    #16 Über die Autobiografie, die Entstehungsgeschichte und die Zeit nach 1938
    #17
    #18 Publikation vom Autor intendiert

    Valentin Pollak schrieb seine Autobiografie in den ersten Monaten des Jahres 1938. Er konnte das handschriftliche Manuskript ins Exil mitnehmen, wo es abgetippt und mit Anmerkungen versehen wurde. Während seiner Internierung wurde das Original-Manuskript, wie er im Vorwort zur englischen Ausgabe schreibt, weggeworfen, und nur die Schreibmaschinenfassung blieb erhalten.

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    Tamar Radzyner, geborene Fajwlowicz

    Geboren in Łódź, 31.3.1927; gestorben in Wien, 1991

    Die Lyrikerin wurde 1927 als Tamar Fajwlowicz in Łódź als Tochter eines Textilfabrikanten geboren. Ihre Mutter war die Pianistin Hinda, geb. Münzberg. Nach der Besetzung Polens durch Deutschland kämpfte Tamar Radzyner als Widerstandskämpferin im Ghetto von Łódź und überlebte ab August 1944 die KZs Auschwitz-Birkenau, Stutthof und Flossenbürg. Ihre Eltern und vier von fünf Geschwistern wurden von den Nazis ermordet. Die antisemitische Kampagnen im befreiten Polen, wo sie Redakteurin war und erste Gedichte schrieb, beraubten sie ihrer Hoffnungen auf eine neue, bessere Gesellschaft im Kommunismus. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Viktor Niutek Radzyner, ehemaliger Widerstandskämpfer und zwischen 1947 und 1952 Abgeordneter im Sejim (Polnische Parlament), und den beiden Töchtern Joana und Olga emigrierte sie 1959 nach Wien. In Österreich wechselte Radzyner von dem ihr vertrauten Polnischen in das ihr fremde Deutsch, ihre wahre Heimat wurde die Kunst. Bei einem Friseur wartend, fand sie in einem Magazin die Anzeige „Texte für Lieder gesucht“. Sie folgte diesem Aufruf, das war der Beginn ihrer Zusammenarbeit mit Georg Kreisler und Topsy Küppers (z.B. Lieder für die Revue Lola Blau, 1971, oder für die LP Immer wieder Widerstand, 1973). Sie schrieb Gedichte, Liedertexte, Sketches, u.a. auch für durch Dorothea Neff, Angelica Schütz und Eva Zilcher. Auch übersetzte sie aus dem Polnischen, Russischen, Hebräischen und Jiddischen. Unter dem Pseudonym Helene Fawel übersetzte sie z.B. aus dem Jiddischen Mordechai Gebirtyks berühmtes Gedicht „Es brennt, Brüder es brennt“. Tamar Radzyner starb 1991 in Wien. (AE)

    #1 Łódź, Polen 
    #2 Unternehmerfamilie, Vater war Textilfabrikant 
    #3 Jüdisches Gymnasium in Łódź
    , Redakteurin, Lyrikerin, Texterin 
    #4 Rassistisch verfolgt
    #5 Ghetto Łódź,
    Auschwitz-Birkenau, Stutthof und Flossenbürg, 1959 Wien 
    #6 Widerstand
    #7 Blieb in Wien 
    #8 Kommunistische Jugend, Bis in die 1950er-Jahre KP; In Wien: Georg Kreisler, Topsy Küppers, Verlage, Kleinkunst
    #9 Tamar Radzyner: Meine Mutter lebte durch meine Haut .... In: ZW 20.Jg. Nr.2/2003, 62–64; Zeichnung. In: ZW 20.Jg. Nr.2/2003, 63; Die Osterabende. In: ZW 21.Jg. Nr.3-4/2004, 39–41; Nachts. Gedichte (Übersetzung: J.(A.) Radzyner/K. Kaiser). In: ZW 30.Jg. Nr.2/2013, 20f.; Zeichnung. In: ZW 35.Jg. Nr.1-2/2018, 5.

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung, in der Form eines Sketchs 
    #11 Deutsch
    #12 von den Töchtern der Autorin übergeben 
    #13 Archiv der TKG (Nicht aufgearbeiteter Nachlass Tamar Radzyners) 
    #14 Handschrift, 4 Seiten 
    #15 undatiert 
    #16 Straßenszene in Wien
    #17
    #18

    Tamar Radzyner fährt, Gedanken versunken, mit dem Bus der Linie 40. Eine junge Frau möchte wissen, wie sie am schnellsten zum Westbahnhof kommt. Tamar Radzyner gibt ihr eine falsche Auskunft, quält sich mit der Vorstellung, dass wegen ihr die junge Frau einen schweren Schicksalsschlag erleiden wird. Sie beschließt in Zukunft keine Auskunft mehr zu geben: "Ich kann die Verantwortung für das Wort nicht ertragen". In den Gedichten Tamar Radzyners (erschienen im Verlag der TKG) befinden sich viele autobiografische Hinweise. Zwischendurch verfasste die Lyrikerin auch kurze Sketchs aus ihrem Alltag, welche im Nachlass lose verteilt zu finden sind.

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    Hans Schauder

    Geboren in Wien, 22. 11. 1911; gestorben in Edinburgh (Großbritannien), 10. 7. 2001

    Hans Schauder wurde in Wien als Sohn des Beamten Josef Schauder geboren und wuchs in Wien Leopoldstadt, in der Untere Augartenstraße 1a auf. Der Vater versuchte an der Börse Geld zu verdienen, scheiterte jedoch daran. Die Mutter war ebenfalls berufstätig und zwar als Bürokraft im Wiener Konsumverein. Einer ihrer Brüder betrieb die Buchdruckerei PAGO (Paul Goldberg). Das Kindermädchen Fanny, katholisch und vom Land, war ein wenig ein Eltern-Ersatz. Hans Schauder kam in die freireligiöse "Knabenvolksschule in Wien 1, Freyung Nr. 6" (genannt Schottenschule), in der sich der Unterricht nach 1918 stark an den „Glöckelreformen“ orientierte. Die Volksschule war „wirklich demokratisch“. Weder in der Volksschule, noch im Wasagymnasium, welches er danach besuchte, hatte er das Gefühl als Jude ausgegrenzt, angegriffen zu werden. Den Antisemitismus, und noch dazu in einer gewalttätigen Form, lernte er erst an der Universität kennen.
    Für die gesamten vier Jahre am Gymnasium hatte Hans Schauders als Klassenvorstand den Deutsch- und Lateinlehrer Erwin Zellwecker. Dieser war auch Volksbildner und Schriftsteller war, 1927 Freimaurer  und 1933 Mitglied der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller wurde. Nach 1945 war er Sektionschef im Unterrichtsministerium und eine treibende Kraft bei der Anfangs konsequenten Entnazifizierung des Schulwesens. Hans Schauder schreibt in seinen Memoiren über ihn, dass er, wie sein Name schon sagte, die „verschlafenen Zellen“ der Schüler geweckt hat. Er führte seine Klasse demokratisch, war „leger und relaxed“, besaß jedoch eine „ungeheure Autorität“. Hans Schauder sollte im britischen Exil einer der wichtigen Vertreter der Anthroposophischen Gesellschaft werden. Die ersten Anthroposophen traf er als Mitschüler am Gymnasium, so Rudi Lissau, dessen Familie mit Rudolf Steiner befreundet war, und der im britischen Exil Lehrer an einer Waldorfschule werden sollte.
    In dieser Zeit wurde bei Hans Schauder jedoch nicht nur das Interesse für Rudolf Steiner geweckt, sondern auch die Leidenschaft für die Musik. Er wollte Pianist werden, übte täglich. Doch ist er ein „Dilettant“ geblieben. Er besuchte oft die Oper und las regelmäßig „Die Bühne“. Er war so oft wie möglich auf seinem Stehplatz in der vierten Reihe, die Reihe der „wirklichen Musikliebhaber“, auch am 31. Dezember 1927, als Ernst Kreneks Jazz-Oper „Jonny spielt auf“ uraufgeführt wurde. Er betätigte sich auch als Claqueur. Neben seine Liebe zur Oper, entwickelte sich bei Hans Schauder auch eine zur Operette. Neben Kunst und Politik beherrschte ein weiteres Thema den Alltag, die vielen, alltäglichen Selbstmorde. Am Ende der Schulzeit musste Hans Schauder einen seiner beiden Berufswünsche wählen: Lehrer oder Arzt. 1930 inskribierte er an der medizinischen Fakultät. Julius Tandler war der Vorstand. Die antisemitischen Übergriffe gingen vor allem von den deutschnationalen Studenten aus. Hans Schauder verbrachte viel Zeit im Caféhaus. Man traf sich mit Freunden oder lernte. 1930 begegnete er auch Liesl Schwalb. Sie wurden ein Paar. Sie war eine glühende „Krausverehrerin“ und „verschlang „Die Fackel“. Hans Schauder lernte durch sie eine Welt kenne, zu der er zuvor keine Beziehung gehabt hatte.
    In den ersten Jahren seines Studiums wurde Hans Schauder Mitglied der Anthroposophischen Gemeinschaft und besuchte diverse Vorträge, lernte anthroposophische Ärzte kennen. Kurz danach kamen er und Liesl der anthroposophischen „Christengemeinschaft“ von Rudolf Frieling näher. Dieser wird das junge Paar stark prägen. Hans Schauder, der in einer nicht religiösen jüdischen Familie aufgewachsen war, entdeckte nun die Religion für sich. Von den anthroposophischen Ärzten die er in Wien traf, hatten vor allem ein Dr. Wantschura und Karl König nachhaltige Einfluss auf Hans Schauder. Karl König war als Kinderarzt ein führende Persönlichkeit der Anthroposophen. Nach dem März 1938 wird er im schottischen Exil Gründer der Camphill-Dorfgemeinschaften werden, für die auch Hans Schauder als Arzt arbeiten wird. Die 1940 ins Leben gerufene Camphill-Bewegung war eine anthroposophische Organisation, die Im 21. Jahrhundert gibt ca. 100 Camphill-Gemeinschaften in ca. 20 Ländern weltweit. Landleben, Landwirtschaft, anthroposophisch inspirierte soziale und pädagogische Regeln prägen den Alltag dieser Kommunen. Die erste Camphill-Runde um Karl König in Schottland bestand, Hans Schauder zufolge, wie er in seinen Erinnerungen schreibt, fast ausschließlich aus jungen Menschen „die aus jüdischen Familien stammten und Anhänger Rudolf Steiners geworden waren“.
    Noch bevor Hans Schauder und Liesl Schwalb nach Großbritannien flüchten konnten, eigentliche noch bevor die Nazis im März 1938 die Macht übernommen hatten, waren sie mit deren Brutalität, vor allem an der Universität, täglich konfrontiert worden. Hans Schauder flog als Tourist nach Mailand und Liesl Schwalb kam nach Großbritannien, wo sie von Quäkern betreut wurde. In Mailand erhielt er dank einer Freundin der Familie ein Visum für die Schweiz. In Basel konnte er sein Studium der Medizin beenden. 1940 kamen Hans Schauder nach Großbritannien, heiratet Liesl Schwalb und wurde bald darauf als „enemy alien“ auf der Isle of Man interniert. Nachdem er frei kam, zog er mit seiner Frau nach Aberdeen zog, wo sich die erste Camphill-Gemeinschaft bildete. Das Paar wird 1944 drei Töchtern haben nach Edinburgh ziehen. In der Umgebung der Stadt, in West Linton, werden sie eine ähnliche Gemeinschaft, die Garvald Community aufbauen. 1949 zog das Paar nach Edinburgh, wo Hans Schauder Arzt der örtlichen Waldorfschule wurde. Auch beriet er Häftlinge des Saughton-Gefängnis in Edinburgh. 1949 wurde bei Hans Schauder Tuberkulose diagnostiziert. Im Laufe der Zeit entwickelte er eine eigene Methode der Beratung, schrieb Fachliteratur und sein Ruf als Experte führte dazu, dass er nicht nur in Großbritannien eine größere Bekanntheit erfuhr, sondern auch, dass in Deutschland ein „Hans Schauder-Institut“ gegründet wurde. 1993 starb Liesl Schauer, 2001 Hans Schauer, kurz bevor die englische Übersetzung seiner Memoiren „Vienna – My Home. Recollections and Biography“ erschien. (AE)

    #1 Wien
    #2 Mittelstand
    #3 freireligiöse "Knabenvolksschule in Wien 1, Freyung Nr. 6" (genannt Schottenschule), Wasagymnasium, Medizinstudium, in Wien abgebrochen, in Basel abgeschlossen. In Schottland Tätigkeit als Lebensberater, Schularzt und Therapeut, schrieb Gedichte
    #4 Rassistisch verfolgt
    #5 Mit Touristenvisum nach Italien, dann in die Schweiz (Basel). Dann nach Schottland/Großbritannien (Aberdeen, Edinburgh)
    #6 Medizinstudium, Anthroposoph
    #7 Keine Rückkehr
    #8 AnthroposophInnen, Christengemeinschaft, Camphill-Gemeinschaft, Garvald Center
    #9

    #10 Memoiren, Erster Teil
    #11 Deutsch
    #12 übermittelt von Horst-Werner Franke, Juni 1998
    #13 Archiv der TKG
    #14 Typoskript (Computer), ca. 70 Seiten
    #15 1990er-Jahre
    #16 Der erste Teil behandelt die Zeit bis zur Flucht 1938
    #17
    #18 Publikation vom Autor intendiert

    In seinen Memoiren erzählt Hans Schauder von seiner Sozialisierung an einem fortschrittlichen Gymnasium und auf den Stehplätzen der Oper. Zentrale Figur seiner Schulzeit war der Klassenvorstand im Wasa-Gymnasium Erwin Zellwecker. Hans Schauder erzählt, wie er über einen Schulfreund und über sein Medizinstudium zu den Anthroposophen rund um Karl König fand und wie er in diesem Kontext seine zukünftige Ehefrau kennen lernt.

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    Robert Schwarz

    Geboren in Wien, 6. 5. 1921

    Robert Schwarz wurde 1921 in Wien als Sohn eines Kurzwarenhändler geboren und wuchs in Ottakring und Hietzing auf. Er besuchte Volksschule und Gymnasium in Wien-Ottakring. Robert Schwarz flüchtete 1939 nach Großbritannien, war ab März 15 Monate Fabrikarbeiter in Hertfordshire, nördlich von London. Ab 1940 in den USA, wurde ihm durch eine jüdische Wohlfahrtsorganisation das Studium in Atlanta ermöglicht; Doktorat 1952 in europäischer Geschichte, Fachgebiet Mittelalter. Verheiratet mit Bluma Bretstein, Psychologin und freie Schriftstellerin; eine Tochter. Schwarz lehrte in Pittsburgh am Carnegie Mellon College und zuletzt Philosophie an der Florida Atlantic University in Boca Raton; seit 1989 im Ruhestand. Zahlreiche wissenschaftliche Publikationen, an die 75 Artikel über europäische Geschichte, Philosophie und Ideengeschichte in Fachzeitschriften und Sammelbänden; zudem Verfasser von ca. 250 Rezensionen, 200 davon in "Books Abroad" und "World Literature Today". Korrespondent für die Wiener Zeitschrift "Medien und Zeit". Literarische Publikationen u.a. in "Wespennest", "Keschet", "Jewish Affairs", ZW. Buch: Sozialismus der Propaganda (Wien 1975). - Robert Schwarz, übrigens ein Cousin von Bruno Schwebel, lebt in Boca Raton, South Palm Beach, Florida. (TKG)

    #1 Wien
    #2 Mittelstand
    #3 Gymnasium in Wien, Studium der Geschichte, Tätigkeit als Historiker an US-Universitäten
    #4 Rassistisch verfolgt
    #5 Flucht 1939 nach England, Herfordshire; 1940 in die USA: in Atlanta, New York State, Madison, Pittsburgh, Boca Raton, Palm Beach (USA)
    #6 Fabriksarbeiter in Großbritannien, Studium der Geschichte, Tätigkeit als Historiker an US-Universitäten
    #7 Keine Rückkehr
    #8
    #9 Robert Schwarz: Zwei Erzählungen. Heidi Blau (Übersetzung: Siglinde Bolbecher), Der Mann im Sechsundvierziger (Übersetzung: L. Rieder). In: ZW 21. Jg. Nr.2/2004, 18–20.

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung (Episode aus den Memoiren "Nie werde ich die Wahrheit wissen")
    #11 Englisch
    #12 übermittelt von Robert Schwarz an Siglinde Bolbecher 2011, für Publikation in ZW (Siehe Nachlass Siglinde Bolbecher)
    #13 Archiv der TKG
    #14 Typoskript (Computer), 4 Seiten
    #16 Erst Zeit im englischen Exil

    #17 Anfang der 2000er Jahre
    #18 Publikation vom Autor intendiert, ZW 2011

    In der kurzen Erzählung berichtet er vom Bloomsbury House, welches für ihn in der ersten Zeit in London "source and symbol of British hospitality" war. In dem Gebäude nahe des British Museum waren etliche jüdische Hilfsorganisationen untergebracht, man bekam Kleidung, Essen und Unterstützung bei allen bürokratischen Angelegenheiten.

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    Dorothea Sella, geborene Sperber

    Geboren in Czernowitz, 23.11.1919; gestorben in Jerusalem (Israel), 2010

    Evelyn Adunka: Dorothea Sella.

    Erschienen in: ZW 19.Jg. Nr.1/2002, 59f.

    Dorothea Sella wurde am 23. November 1919 in Czernowitz als Dorothea Sperber geboren. 1919 wurde Rumänisch zur Landessprache, doch bei ihr zu Hause wurde nur Deutsch gesprochen und gelesen. Sie schrieb darüber in einer autobiographischen Skizze: "Die eindringliche und verherrlichte Weise, in der mir die älteren Familienmitglieder im Verlauf der Jahre ihr Leben in der österreichischen Vorkriegszeit darstellten, vor allem ihre Liebe zur deutschen Sprache, Dichtung und Kultur drangen tief in meine Seele und prägten mich fürs ganze Leben." Ihre Eltern litten unter dem rumänischen Nationalismus und Antisemitismus und wollten deshalb so schnell wie möglich nach Palästina auswandern. Ihre Eltern schrieben Dorothea Sella 1925 in die hebräische Elementarschule "Ssafa Iwrija" ein; danach besuchte sie die achtklassige Mittelschule, in der die Unterrichtssprache Rumänisch war. Die erste Pflichtfremdsprache war Französisch, ab der dritten Klasse wurde Latein gelehrt, ab der vierten Griechisch. Über die Pflege der deutschen Sprache schrieb Sella: "Da in unserer Klasse die Muttersprache aller Schülerinnen Deutsch war, befassten wir uns nicht mit der im Lehrplan vorgeschriebenen elementaren Sprachlehre, sondern, in allen vier Jahren der Oberstufe, mit der Geschichte der deutschen Literatur. Auf diese Weise vertiefte sich die Liebe zur deutschen Sprache und Kultur."

    Mit der Ausnahme der Deutschstunden wurde es den jüdischen Schülern jedoch bei Strafe verboten, in der Öffentlichkeit oder im Schulgebäude deutsch zu sprechen.

    Nach der Matura im Juli 1937 immatrikulierte sich Sella an der Philologischen Fakultät der Czernowitzer Universität. Ihre Hauptfächer waren Philologie (Romanistik), Französisch und Philosophie, ihre Nebenfächer Englisch und Literaturgeschichte. Nach dem Abschluß des zweiten Studienjahres erhielt sie ein Stipendium für einen Sommerkurs in Frankreich, den sie wegen dem Ausbruch des Weltkriegs unterbrechen mußte. Das dritte Studienjahr 1939/40 konnte sie noch ungestört absolvieren.

    Am 28. Juni 1940 wurde Czernowitz von der Roten Armee besetzte und damit zur ukrainischen Stadt Tscherniwtzy. Im September 1940 wurde Sella in die Philologische Fakultät der nun schon Ukrainischen Universität mit der Unterrichtssprache Ukrainisch aufgenommen, mußte aber das dritte Jahr wiederholen, da wegen der zu geringen Studentenzahl kein viertes eröffnet wurde. (1939/40 und 1940/41 war Paul Celan ihr Studienkamerad, auch in der "Ssafa Iwrija" war er ihr Mitschüler.) Am 1. Juli 1941, floh Sella, knapp vor der Geburt ihres ersten Kindes, mit ihrem Mann zusammen mit einer Gruppe Czemowitzer Studenten und Professoren nach Osten.

    Wenige Tage später wurde die Nordbukowina von rumänischen und deutschen Truppen erobert und 35.000 Czernowitzer Juden wurden nach Transnistrien deportiert, darunter auch Sellas Vater, der dabei ums Leben kam.

    In Staropol im Norden des Kaukasus wurde die Czernowitzer Studentengruppe ein Mitglied des Pädagogischen Instituts für Fremdsprache. Da der Studiengang nur auf drei Jahre festgesetzt war, mußte Sella im Schuljahr 1941/1942 zum dritten Mal das dritte Studienjahr absolvieren, aber nur dieses Studium konnte sie, trotz dem schwer erträglichen Arbeitsdienst, am Leben erhalten. Am 3. August 1942, dem Tag der Besetzung Stawropols durch deutsche Panzer, wurde ihr Mann, der kurz vorher einberufen worden war, getötet und Sella floh (ihr Töchterchen war im Jänner gestorben), erneut schwanger, immer weiter nach Süden. In Tbilissi (Tiflis), der Hauptstadt Georgiens, bewilligte ihr der Rektor der Staatlichen Universität (Unterrichtssprache Grusinisch) die Fortsetzung des Studiums, jedoch nur im Rahmen des dritten Jahres, da ihr für das vierte Jahr zu viele Prüfungen fehlten. So mußte sie im Unterrichtsjahr 1942/43, ihrem sechsten Hochschuljahr, das dritte Jahr zum vierten Mal durchmachen. Neben ihrem Hauptfach Französisch studierte sie auch noch viele andere Fächer. Zu gleicher Zeit kämpfte sie verzweifelt um das Leben ihres kleinen Sohnes. Da es ihr an allem fehlte, was zur Pflege und Ernährung eines Kindes gehört, starb er mit acht Monaten im Herbst 1943. In den folgenden zwei Jahren - 1943/44 und 1944/45 - stieg Sella ordnungsgemäß ins vierte und danach auch ins fünfte Jahr auf. Im April 1945, als sie nur noch zwei Monate vom Staatsexamen und von der darauffolgenden Übernahme eines Lehramtes trennten, kehrte sie, trotz aller Hindernisse, nach Czernowitz zurück, um ihre von der Deportation heimgekehrte Mutter und Schwester noch vor ihrer Auswanderung nach Palästina wiederzusehen.

    Am 5. Mai fuhr Sella unter großen Schwierigkeiten nach Bukarest, mit dem Vorsatz, von dort alles mögliche für ihre Auswanderung nach Palästina zu unternehmen. Da die britische Mandatsregierung jedoch den jüdischen Flüchtlingen den Eintritt nach Palästina, erbarmungslos versperrte, blieb ihr nichts anderes übrig, als wieder ihre Zuflucht zum Studium zu nehmen. Im Rektorat der Bukarester Universität konnte sie sich jedoch nicht auf ihre sowjetischen Studienjahre berufen, weil sie die Sowjetunion heimlich verlassen hatte. Zu ihrer Freude traf sie die Professoren der einstigen rumänischen Czernowitzer Universität wieder, die bezeugen konnten, daß sie vor der sowjetischen Okkupation das dritte Jahr absolviert hatte. Sie besaßen noch die Merkbücher, wo die Noten, mit denen sie ihre Studenten klassifiziert hatten, eingetragen waren. Damit war ihr die Möglichkeit gegeben, in den Jahren 1945/46 und 1946/47 ihr Studium fortzusetzen und es zu beenden. Nach einem zehnjährigen Studium an fünf Hochschulen und in vier verschiedenen Unterrichtssprachen hielt sie endlich, im Sommer 1947, ein akademisches Diplom in Händen, von dem sie jedoch aus verschiedenen Gründen, vor allem wegen ihrer Auswanderung nach Israel, keinen Gebrauch machen konnte und wollte. Diesem Wunsche stand nunmehr nach der Gründung des Staates Israel die bereits kommunistische rumänische Regierung, die keine Auswanderung zuließ, entgegen.

    Im Dezember 1948 bot sich ihr und Emil (ihrem zweiten Mann), der im Mai 1948 sein Studium am Bukarester Polytechnikum absolviert hatte, eine scheinbar günstige Gelegenheit, Rumänien auf dem Seeweg zu verlassen. Als sie jedoch im Begriff waren, im Hafen von Constanza einzuschiffen (sie hatten bereits israelische Pässe in Händen), wurden sie von der Hafenbehörde erbarmungslos nach Bukarest zurückgeschickt, weil man draufgekommen war, daß Emil Diplomingenieur war, was ein Grund war, ihm die Ausreise zu verwehren.

    Im Laufe der folgenden sechzehn Jahre wurden ihre häufigen Ausreisegesuche von den rumänischen Behörden immer wieder abgelehnt. (Emils Gehalt war wegen der Gesuche zur Strafe auf die Hälfte reduziert worden.) Im April 1964 wurden sie schließlich gegen hohes Lösegeld, das Verwandte und Freunde für sie zusammengelegt hatten, freigekauft und konnten mit ihren beiden Söhnen (dem 1954 geborenen Gerald und dem 1957 geborenen Edmund) nach Israel auswandern. Den Lehrerberuf hat Sella weder in Rumänien noch in Israel ausgeübt. Beide Söhne sind, wie ihr Mann, als Bauingenieure tätig.

    1996 veröffentlichte Sella im Jerusalemer Verlag Rubin Mass den autobiographischen Roman "Der Ring des Prometheus (Denksteine im Herzen)". Sie ist Mitglied des Verbandes deutschsprachiger Schriftsteller in Israel und des Lyris-Kreises in Jerusalem. Im März 2001 wurde ihr der nach Haim und Sara Janculovici genannte Literaturpreis verliehen.

     

    Nachsatz: Die Autorin verstarb 2010.

     

    #1 Czernowitz, Rumänien
    #2 Mittelstand
    #3 hebräische Elementarschule "Ssafa Iwrija", Mittelschule, Studium an der philologischen Fakultät der Czernowitzer Universität (Philosophie, Philologie und Literaturgeschichte), Pädagogischen Instituts für Fremdsprache in Staropol (SU), Staatlichen Universität Tiflis, dann Ausbildung zur Lehrerin. – Beruf nie ausgeübt
    #4 Rassistisch verfolgt
    #5 1. Juli 1941 Evakuierung durch die Rote Armee vor den anrückenden Nazi-Truppen in die Sowjetunion, Staropol, Tiflis. 1945 nach Rumänien. 1964 Alija.
    #6 Studium
    #7
    #8 Mitschülerin und Studienkollegin von Paul Celan, Universitätsstudium bis 1947
    #9 Veröffentlichungen in der Zeitschrift Zwischenwelt: Dorothea Sella: Die Welt meiner Kinder (Auszug). In: ZW Nr. 19.Jg. 1/2002, 58f.; Ameisengeschichten. In: ZW Nr. 19.Jg. 1/2002, 60

    #10 Tagebuchauszug, lebensgeschichtliche Aufzeichnung
    #11 Deutsch
    #12 über Vermittlung von Siglinde Bolbecher
    #13 Archiv der TKG
    #14 Typoskript (Schreibmaschine), 54 Seiten
    #15 2001
    #16 Auswanderung nach Israel, Schiffsfahrt
    #17
    #18 Publikation von Autorin intendiert

    Die Autorin beschreibt die Schiffsfahrt und ihre Ankunft in Israel Mitte/Ende April 1964. Sie wird von ihrer Schwester Edith am Kai in Haifa erwartet. Sie erzählt von ihrem Sohn, der mit auf dem Schiff war, und gibt seinen Brief wieder, den er am 25. April 1964, vier Tage nach der Ankunft, an einen Freund in Israel geschickt hat und war er seiner Überzeugung Ausdruck verleiht, dass für ihn die Alija der beste Weg gewesen ist.

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    Willi Sheridan, ursprünglich Willy Silber

    Geboren in Stanislau, Polen, 23. 12. 1910; Um 2002, hat zuletzt in Lichfield, Großbritannien gelebt.

    Elsa, Tochter eines Musikers und Gesangsschülerin am Wiener Konservatorium, war 18 Jahre alt, als ihre Eltern 1908 starben. Sie musste ihr Studium aufgeben und heiraten. Ihr Ehemann war ein Geschäftsmann aus Stanislau, der sich auf die Heiratsannonce der Familie gemeldet hatte. Willy kam somit in Stanislau, bis 1918 Teil der Donaumonarchie, danach Polens, auf die Welt. Der Vater war ein erfolgreicher Elektroinstallateur, doch zugleich auch Spieler und Alkoholiker. Elsa überstand diese für sie schlimmen Jahre nur dank der Hilfe seiner Schwester Stella. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges kehrte Elsa mit ihrem Sohn Willy nach Wien zurück. Willy Silber war nach dem Krieg unterernährt und wurde nach Holland geschickt. Nach seiner Rückkehr entschieden die Verwandten, dass er nicht mehr bei der Mutter leben, welche in einer kleinen Wohnung in der Dianagasse lebte, sondern in die „Heimstätte für jüdische Kinder“ in der Herklotzgasse 21 kommen soll. Vom Jänner 1919 an blieb er sechs Jahre und erlebt auch den Umzug der Heimstätte 1922 in ein modernes Gebäude in der Goldschlagstraße 84. 1925 kam Willy Silber als Liftboy ins Hotel Astoria, wo er jedoch nicht lange bleiben wollte, vor allem als klar war, dass Sexarbeit durchaus zum Job gehört. Dank eines Schulfreundes kam er zu einer Lehre als Elektrotechniker. Er schloss sich der Sozialdemokratie an und marschierte begeistert am 1. Mai oder 12. November mit. Der 15. Juli 1927 hat ihn tief geprägt, er verlor einen Freund und zwei weitere wurden verletzt. 1933 zog Willy Silber zu seinem Vater nach Stanislau und blieb bis 1935. Nach einiger Zeit in der Tschechoslowakei, wo er erste Kontakte zur KP hatte, kehrte 1936 nach Wien zurück. Am 12. März 1938 flüchtete er in die Tschechoslowakei. Nach überschreiten der Grenze wurde er von einem Bauern sofort als Flüchtling erkannt und freundlich aufgenommen. Er engagierte sich politisch, wobei ihm seine Polnisch- und Tschechischkenntnisse zugute kamen. Ende März 1939 flüchtete er nach England. Nach Ausbruch des Krieges wird Willy Silber interniert und kommt in ein Lager in Sherbrooke, Kanada. 1942 kehrte er nach England zurück und bewarb sich in der britischen Armee. In der Zwischenzeit arbeitete er als Elektrotechniker wurde er im Anglo-Austrian Club in Leeds aktiv, wo er seine zukünftige Frau Trude kennen lernte, die aus Salzburg geflüchtet war. 1942 änderte seinen Namen auf Sheridan, wegen der bekannten Schauspielerin Ann Sheridan. Im Oktober 1943 kam er zur KOYLI, der King's Own Yorkshire Light Infantry. Nach dem Krieg arbeitete er als Elektriker in Leeds, Bradford. Willi und Trude Sheridan engagierten sich sozial und bekamen einen Sohn, den sie Peter nannten. Dieser wird Chemie an der University of Manchester und of Kent studieren und Dozent am Sandwell-Collage werden. Er wird schließlich in Lichfield leben. 1985 sollten Willi und Trude in seine Nachbarschaft ziehen.

    #1 Wien 
    #2 Mittelstand, Mutter Alleinerzieherin, Kinderheim 
    #3 Lift-Boy im Hotel Astoria in Wien, Elektrikerlehrling. Elektriker in Stanislau und der Tschechoslowakei 
    #4 Rassistisch verfolgt 
    #5 1938 in die Tschechoslowakei, Prag, Moravska Ostrava, 1939 Polen, Katowice , 1939 Großbritannien, 1940 Kanada,
    Sherbrooke, 1942 wieder Großbritannien, London, Manchester, Leeds, Portsmouth, Peterborough, Bradford, Leeds, Lichfield (Großbritannien)
    #6 Elektrotechniker, Soldat
    #7 Kehrt nicht zurück
    #8 Im Anglo-Austrian Club in Manchaster, ab 1943 bei der King's Own Yorkshire Light Infantry, Soziales Engagement
    #
    9

    #10 Memoiren 
    #11 Englisch 
    #12 am 5. Dezember 2002 von Dr. Robert Rosner übergeben 
    #13 Archiv der TKG (Robert Rosner) 
    #14 Typoskript (Computer), 76 Seiten 
    #15 Vorwort ist mit März 1998 datiert 
    #16 Lebensgeschichte
    #
    #18 Publikation von Autor intendiert

    Der Autor beschreibt, wie er in einer Gruppe, die Tschechoslowakei zehn Tage nach der Besetzung durch die Deutschen, in Richtung Polen verlässt. Ziel ist Katowice. Am 27. März kommt die Gruppe nach einer 12-stündigen Reise in der polnischen Industriestadt an. Von Katowice geht es weiter in die Hafenstadt Gdynia, wo ein Schiff in Richtung London bestiegen wird. Es beschreibt die Freude, als alle sicher in England ankommen und fügt hinzu, dass sie die einzigen waren, welche den "Holocaust" überlebt haben. Ein Teil der Gruppe reiste nach Süd- oder Nordamerika weiter. Er beschreibt, wie ihm ein Fremder Geld und Zugticket für die Weiterreise nach Manchester schenkt und ihm dabei sagt: "Remember, he said, there are more good people in the world than bad ones".

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    Irene Spiegel, geborene Goldin (Golden)

    Geboren in Brooklyn (USA), 10. 1. 1910; gestorben in Wien, 15. 1. 2004

    Die US-amerikanische Krankenschwester Mabel Irene Goldin/Golden (Brooklyn, 2.1.1910 – Wien 15.1.2004) stammte aus einer jüdischen Familie, wuchs in Connecticut auf, war in den 1930er Jahren Mitglied der Gewerkschaft "United Professionals". Als sie hörte, dass Freiwillige für Spanien gesucht wurden, dachte sie: "[...] it would be nice to take care of people without having to do it for money", schloss sich dem Abraham-Lincoln-Bataillon an und meldete sich als Freiwillige für den Spanischen Bürgerkrieg. Ihr erster Einsatzort war Huete in der Provinz Cuenca, weitere Einsätze in Frontnähe in El Escorial und bei Teruel folgten. Im Interbrigaden-Hospital in Mataró lernte sie den österreichischen kommunistischen Ex-Philosophiestudenten Harry Spiegel, Polit-Kommissar im Bataillon 12. Februar der XI. Internationalen Brigade, kennen; er war an der Ebro-Front verwundet worden. Im September 1938, als die internationalen Brigaden aufgelöst wurden, heirateten die beiden und gingen nach Frankreich. In Paris arbeitete Irene als Privatkrankenschwester und im amerikanischen Krankenhaus. Gemeinsam mit dem Ehepaar Alfred (Pädagoge) und Fritzi (Ärztin) Brauner betreuten die Spiegels im Château de la Guette der Œuvre de secours aux enfants (OSE) bei Paris jüdische Flüchtlingskinder aus Deutschland und Österreich. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Harry als feindlicher Ausländer interniert, Irene als ehemalige Spanienfreiwillige von ihrer Stelle entlassen. An Tuberkulose erkrankt, flüchtete sie beim deutschen Einmarsch aus Paris. Im unbesetzten Süden arbeitete Harry, wieder in Freiheit, in den Wäldern um das kleine Dorf Cazaux-Debat in den Pyrenäen, am Berg Cole d'Aspin, mit einer Gruppe anderer ehemaliger österreichischer Spanienfreiwilliger als Köhler und Holzfäller. Irene brachte im nahe gelegenen Arreau 1941 den Sohn Peter/Pierre auf die Welt.

    Ab Jänner 1943 wurde Harry Spiegel unter dem Decknamen Henri Verdier im Rahmen des Travail anti-allemand, der antideutschen Arbeit, als Dolmetscher in der Bauaufsicht der Deutschen Kriegsmarine in Marseille eingesetzt. Oskar Grossmann, der die Sektion Südfrankreich der Organisation österreichischer Kommunisten im Exil leitete, trug Irene auf, sich ihrem Mann bzw. der Résistance anzuschließen. Diese gemeinsame Arbeit war unüblich und laut dem Résistance-Kollegen Walter Stein "gegen die Regel". Irene arbeitete als "Quartiermeisterin" im deutschen Marine-Spital, nach der Niederlage der Deutschen im amerikanischen Spital von Marseille. 1945 bis 1947 leitete sie das Büro des Unitarian Service Committee in Marseille, lebte danach ein Jahr lang in den USA und zog schließlich zu ihrem Mann, der schon 1945 nach Österreich zurückgekehrt war. Sie fand eine Anstellung in der unter sowjetischer Verwaltung stehenden Akkumulatoren-Fabrik in Wien-Liesing, nach deren Rückstellung 1955 war sie als Übersetzerin tätig. (KS)

     

     

    #1 Aufgewachsen in Connecticut, USA 
    #2 Mittelstand
    #3 Ausbildung zur Krankenschwester
    #4 Résistance, KP
    #5
    1937 freiwillig nach Spanien, um für die Internationalen Brigaden zu arbeiten, war bis 1946 in Frankreich, danach kurz in den USA
    #6 Als Krankenschwester tätig im Spanischen Bürgerkrieg, später für die Résistance in Frankreich, nach Kriegsende für die NGO Unitarian Service Committee, in Wien in Akkumulatoren-Fabrik, danach als Übersetzerin 
    #7 Zog 1947 zu ihrem Ehemann Harry Spiegel nach Österreich 
    #8 KPUSA, Abraham-Lincoln-Brigade, ehemalige SpanienkämpferInnen, österreichische KommunistInnen in Frankreich, Résistance.
    #9 Irene Spiegel: Die Milchration. Eine Erinnerung an Exil und Widerstand in Frankreich (Übersetzung: A. Reinfrank). In: ZW 17.Jg. Nr.1/2000, 31–34; kommentierter Text „Gegen den Faschismus kämpfen“ erscheint voraussichtlich in ZW 37.Jg. Nr.1/2020.

    #10 Memoiren 
    #11 Deutsch, Übersetzung aus dem Englischen von Robert Fallenstein 
    #12 2015 von Erich Hackl übergeben, der den Text von Irene Spiegel erhielt
    #13 Archiv der TKG 
    #14 Typoskripts (Schreibmaschine) in Kopie, ca. 130 Seiten 
    #15 Entstanden frühe 1990er-Jahre, ca. 1993
    #16
    Lebensgeschichte
    #17
    #18 Publikation von Autorin intendiert

    Irene Spiegels Memoiren entstanden vermutlich Anfang der 1990er Jahre. Die Autorin verfasste in ihrer Muttersprache Episoden, die sie, so wird vermutet, US-amerikanischen Magazinen anbieten wollte. Die Theodor Kramer Gesellschaft ließ das Typoskript von Robert Fallenstein übersetzen. Für den Frankreich-Schwerpunkt der Zeitschrift Zwischenwelt wurde die Marseille-Episode ausgewählt. Die vollständigen Erinnerungen sollen im Verlag der Theodor Kramer-Gesellschaft erscheinen.

    Laut Konstantin Kaiser bedeuteten für Irene Spiegel die zehn Jahre in Spanien und Frankreich, "im Servicio Sanitario der Brigadas Internacionales, im Travail Anti-Allemand, im Untergrund und auf der Flucht, in der Flüchtlingshilfe der Unitarier in Marseille, den entscheidenden Relais in ihrem Leben. War sie vorher eine linksorientierte, gewerkschaftlich organisierte Krankenschwester in New York gewesen, lebte sie danach im Beziehungs- und Spannnungsgeflecht österreichischer KommunistInnen in Wien [...]" Das Schreiben von Erinnerungen über die Periode 1937 bis 1945 stellt, so Kaiser, "einen trotzigen Akt der Vergegenwärtigung dar, der sich gegen die Vorstellung richtet, dies alles gehöre einer längst abgeschlossenen, 'abgekapselten' Vergangenheit an."

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    Gerda Spiegler

    Geboren in Wien, 7. 1. 1925

    Gerda Spiegler wurde am 7.1.1925 in Wien als Tochter von Leopold Bermann und Alice (geb. Koppel) geboren. Sie kam mit 14 mit einem Kindertransport nach Palästina. Sie studierte von 1951-55 in New York an der "New School for Social Research". Sie war Französisch- und Hebräischlehrerin und ab 1977 Sprachlehrerin bei den "Israel Defense Forces" (IDF). Sie war auch als Übersetzerin tätig. Gerda Spiegler veröffentlichte Gedichte und Erzählungen in "Jerusalem Post", "Maariv" und in "Israel Nachrichten". Sie lebt in Tel Aviv.

    • Susanne Blumesberger, Michael Doppelhofer, Gabriele Mauthe (Red.): Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft: 18. bis 20. Jahrhundert. München 2002, 1292.

    #1 Wien 
    #2 Mittelstand 
    #3 Gymnasium in Wien, 1951–55 New School of Social Research, New York, Tätigkeiten als (Sprach-)Lehrerin, Übersetzerin 
    #4 Rassistisch verfolgt 
    #5 Flucht legal. 1939 mit Kindertransport nach Palästina, 1939 Tel Aviv (Israel), 1951–1955 New York (USA), danach wieder Israel
    #6 Schule, 1951 Studium in NY
    #7 Keine Rückkehr
    #8 Studium, NachhilfeschülerInnen
    #9 Gerda Spiegler: Gibt es ein Zurück nach Wien … in die verzauberte, verlorene Heimat?. In: ZW 32.Jg. Nr.1/2015, 41–44; Zahal. Mein israelisches Militär und ich. In: ZW 32.Jg. Nr.4/2015, 68–70; Mein dritter Pass war grün. In: ZW Jg.33 Nr.4/2016, 43–45.

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung, Kurzgeschichte 
    #11 Deutsch 
    #12 Übermittelt von der Autorin 
    #13 Archiv der TKG 
    #14 Typoskript (Computer), 14 Seiten 
    #15 undatiert 
    #16 Schabbatfeier im Wien der Kindheit
    #17
    #18 Publikation von Autorin intendiert

    Beschreibung des Abendessens am Freitag den 11. Februars 1938, einem der letzten Schabbat-, also Fest-Abende vor dem "Anschluss".

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung, Möglicherweise Kapitel eines geplanten Romans (Vermerk 1A)  
    #11 Deutsch 
    #12 2014 von der Autorin an die TKG übermittelt 
    #13 Archiv der TKG 
    #14 Typoskript (Schreibmaschine), handschriftliche Korrekturen, 7 Seiten 
    #15 September 1961 
    #16 Ansuchen um US-Staatsbürgerschaft
    #17
    #18 Publikation von Autorin intendiert

    Träumt von einem Spaziergang durch Wien, beschreibt, wie sie im Alter von 43 Jahren um die US-amerikanische Staatsbürgerschaft ansucht und von einem Richter namens Marani befragt wird.

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung, Brief,
    #11 Deutsch 
    #12 Brief Gerda Spieglers an die Redaktion ZW, Alexander Emanuely 
    #13 Archiv der TKG 
    #14 Manuskript (Kugelschreiber), 1 Seite 
    #15 undatiert, ca. 2014 
    #16 Erklärung für das Gedicht "Dein Gott", Kellnern in den Catskills, Rückkehr nach Israel. 
    #17 Redaktion ZW
    #18 Publikation von Autorin intendiert

    Erzählt die Geschichte zur Entstehung des Gedichts "Dein Gott", das sie im "Hotel Morningside", Bear Mountain, NY 1954 geschrieben hat. Nach dem Ende ihres Studiums in den USA, war Gerda Spiegler 29 Jahre alt und brauchte  Geld für ihre Rückreise nach Israel. Sie ging Kellnern in einem "riesigen koscheren Hotel" in den "jüdischen Alpen". Danach ging es mit der "Queen Mary" nach Southampton, dann mit einem "übelriechenden Schiff" nach Calais, über Paris nach Rom und von Genua mit dem Schiff "Arza" nach Haifa.

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung, Möglicherweise Kapitel eines geplanten Romans (Vermerk 2. Teil) 
    #11 Deutsch 
    #12 Übermittelt von Gerda Spiegler
    #13 Archiv der TKG 
    #14 Typoskript (Schreibmaschine), 18 Seiten 
    #15 undatiert 
    #16 Erinnerung an Schulzeit in der Josef Gall Gasse (Realschule II.), Arbeit  als Dolmetscherin in der Chase National Bank 
    #17
    #18 Publikation von Autorin intendiert

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung 
    #11 Deutsch
    #12 2002 von Gerda Spiegler an die TKG übermittelt 
    #13 Archiv der TKG 
    #14 Typoskript (Computer), 6 Seiten 
    #15 undatiert 
    #16 Ein jüdisches Kind im Wien des Jahres 1938 sein 
    #17
    #18 Publikation von Autorin intendiert

    #10 Möglicherweise Kapitel eines geplanten Romans 
    #11 Deutsch
    #12 Übermittelt von Gerda Spiegler 
    #13 Archiv der TKG 
    #14 Typoskript (Computer), 8 Seiten 
    #15 undatiert 
    #16 Geht mit ihrem Vater zu Yom Kippur in den "Großen Tel Aviver Tempel". Vater als Opernliebhaber 
    #17
    #18 Publikation von Autorin intendiert 

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung 
    #11 Deutsch 
    #12 Übermittelt von der Autorin 
    #13 Archiv der TKG 
    #14 Typoskript (Computer), 35 Seiten 
    #15 Undatiert 
    #16

    #17
    #18 Publikation von Autorin intendiert

    Autobiografisches ergibt sich aus Romanfragmenten, Bemerkungen zu einem Gedicht, Kurzgeschichten. Man erfährt über ihre Erlebnisse als Kind, über ihre Situation in den USA und in Israel und ihre Jobs als Übersetzerin, als Kellnerin.

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    Walter Stein

    Geboren in Wien, 13. 2. 1902; gestorben in Wien, 6. 1. 1982

    Walter Stein stammte aus einer assimilierten jüdischen Familie und war ab den frühen 1920er Jahren Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs. In den 1920er-Jahren war er Mitglied des Zentralkomitee des "Kommunistischen Jugendverbandes". Er hatte eine Ausbildung zum Textildesigner absolviert und war als Angestellter der sowjetischen Handelsvertretung in Wien tätig. Im Herbst 1938 flüchtete er mit seiner Frau Martha, geborene Magaziner, die er 1933 geheiratet hatte, per Zug über Köln nach Frankreich. Stein sprach sieben Sprachen (er hatte sie sich selbst beigebracht), in Frankreich schlug er sich mit dem Verkauf selbstgebauter Radios durch. Im September 1939 wurde er im Stadion Colombes als "Ressortissant Allemand" (Deutscher Staatsangehöriger) interniert und von dort am 17. des Monats in das Lager Meslay-du-Maine überstellt. Im Februar 1940 wurde Stein vorübergehend in das Zivilgefangenenlager Damigny bei Alençon gebracht, wo die Unterbringung besser war, kam aber schon Mitte April wieder nach Meslay. Ende Mai kam er zur 313. Compagnie de Travailleurs Étrangers und wurde nach Marolles bei Blois zum Bau einer Pipeline gebracht. Die Einheit zog sich nach Bellac, nördlich von Limoges, zurück.

    Martha Stein blieb in der zentralfranzösischen Kleinstadt Bellac, wo sie im Mai 1941 ihr Kind Paul Victor gebar. Jüdische bzw. politische Flüchtlinge vor Ort unterstützten Mutter und Kind, der Bürgermeister von der Parti Socialiste überreichte ihnen allen "offiziell" auf amtlichem Papier erstellte Urkunden mit falschen Namen. Walter Stein flüchtete erst im Februar 1943, nach Limoges und wurde von dort nach Lyon geschickt, ins Zentrum der Résistance.

    Von Anfang des Jahres 1944 bis zu seiner Verlegung nach Avignon (Juli 1944) lebte Walter Stein bei und mit der Familie Spiegel.19 Im August 1944 schloss er sich unter seinem Alias-Namen20 den Forces Françaises de l'Intérieur (F.F.I.) an. Er verließ Marseille Ende Oktober 1944 und zog nach Lyon, wo er mit Emanuel Edel ("Roger", "Richard") gemeinsam wohnte.24 Im Frühjahr 1945 war er Délégué temporaire au Bureau Central du Front National Autrichien für Lyon, diese Mission sollte bis zum 15. Juli 1945 dauern.

    Im Herbst 1945 kehrte das Ehepaar Stein nach Wien zurück, Paul aus gesundheitlichen Gründen erst Anfang 1946. Walter Stein wurde Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung beim Zentralkomitee der KPÖ und blieb dies bis zu seinem Pensionsantritt ca. 1970. Er war Mitglied der Sektion Wieden des "Bundesverband Österreichischer Widerstandskämpfer und Oper des Faschismus (KZ-Verband)". (KS/TKG)

    #1 Wien 
    #2 Mittelstand 
    #3 Textildesigner, Angestellter der sowjetischen Handelsvertretung in Wien, sprach sieben Sprachen (Autodidakt), Parteifunktionär des KJV und der KPÖ, ab 1945 Leiter wirtschaftswissenschaftliche Abteilung beim Zentralkomitee der KPÖ bis zu seinem Pensionsantritt ca. 1970
    #4 rassistisch und politisch verfolgt (Kommunist)
    #5 Flucht vermutlich legal. 1938 per Zug via Köln nach Frankreich. Lager Meslay du Maine, Damigny; dann Marolles, Bellac, Limoges, Lyon, Marseille, Avignon, St. Rémy-de-Provence
    #6 Verkauf selbstgebauter Radios, Österreichische KommunistInnen in Frankreich, Résistance, FFI, Front National Autrichien
    #7 Rückkehr 1945 
    #8 KPÖ, KZ-Verband
    #Veröffentlichungen in der Zeitschrift Zwischenwelt: kommentierter Text erscheint in ZW 37.Jg. Nr.1/2020.

    #10 Lebensgeschichtliche Aufzeichnung 
    #11 Deutsch 
    #12 Im Herbst 2018 von Sohn Paul Stein übermittelt 
    #13 Archiv der TKG (Box „Exil Frankreich“) 
    #14 Typoskript (Schreibmaschine), 27 Seiten 
    #15 Entstehungszeit: ca. Mitte der 1970er Jahre, vermutlich auf Anfrage aus dem DÖW, ev. Herbert Steiner oder Selma Steinmetz 
    #16 Beschreibung der Tätigkeit in der Résistance
    #17
    #18 Publikation vom Autor intendiert

    Walter Stein hat seine Erinnerungen (27 Typoskriptseiten) ungefähr Mitte der 1970er Jahre verfasst, laut Vermutung seines Sohns wohl auf Anfrage von jemandem aus dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands – eventuell Herbert Steiner oder Selma Steinmetz. Aus welcher Zeit und von wem die handschriftlichen Korrekturen mit Kugelschreiber stammen, ließ sich nicht eruieren, höchstwahrscheinlich vom Verfasser selbst. Im Herbst 2018 sandte sein Sohn Paul Stein das Typoskript per Post an die Theodor Kramer-Gesellschaft, eine zweite Ausgabe erging an das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands.

    Bei dem Auszug handelt es sich um die Erlebnisse zwischen März 1943 und August 1944 der speziellen Abteilung der Résistance, der "T.A."-Arbeit ("Travail allemand").

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    Josef Luitpold Stern, Pseudonym Josef Luitpold

    Geboren in Wien, 16. 4. 1886; gestorben in Wien, 13. 9. 1966

    Josef Luitpold Sterns Vater war gelernter Meerschaumdrechsler, war jedoch ab 1889 Administrator bei der neu gegründeten "Arbeiter-Zeitung" (AZ) in Wien, wohin die Familie auch gezogen war. Die Mutter hieß Ernestine, geb. Fischer, und war Weberin. Er besuchte das Gymnasium, was für ein Kind aus einer Arbeiterfamilie eher ungewöhnlich war. Es war das Piaristen-Gymnasium. Da der Vater früh starb, musste der 15-jährige Schüler auch Geld für die Familie verdienen und arbeitete als Hauslehrer. Er war Mitglied des "Verbandes jugendlicher Arbeiter" und Redakteur des gleichnamigen Verbands-Organs. Mit 16 veröffentlichte er sein erstes Gedicht in Memorian des eben verstorbenen Emile Zolas im "Brünner Volksfreund".

    Nach dem Gymnasium studierte Josef Luitpold Stern Rechtswissenschaften in Wien und wurde Vorsitzender der "Freien Vereinigung sozialdemokratischer Studenten". Bereits als Student hielt er Vorträge im "Ottakringer Volksheim", wo er bald als Bibliothekar angestellt wird und schloß sich dem "Sozialwissenschaftlichen Bildungsverein" an. Er beteiligte sich an der "Volksbühnebewegung" und war Mitarbeiter der Zeitschrift "Strom". 1909 Aufenthalt in Dresden und Mitarbeiter der Zeitschrift "Der Kunstwart". Ab 1911 Mitarbeiter im Kulturteil der AZ, ein Jahr darauf Leiter der Arbeiter-Bildungs-Zentrale, 1914 Leiter der "Volksbühne".

    Nach 1918 wurde er wieder Leiter der sozialdemokratischen Bildungszentrale. 1919 heirate er Maria Kaspar und es wurde Sohn Hans Martin geboren. Im Mai 1922 war er Mitbegründer der Wiener Sektion der französischen Friedensinitiative "Clarté", doch übernahm Stern im selben Jahr die Leitung der Zentralstelle für Bildungsarbeit der sudetendeutschen Arbeiterpartei in Aussig (Tschechoslowakei). Nach seiner Rückkehr 1926 Rektor der Wiener "Arbeiter-Hochschule". Von 1926 bis 1930 ist er auch der Herausgeber des seit 1872 existierenden "Arbeiter-Kalender". Nebenbei ist er auch als Übersetzer tätig. Auch war er Mitbegründer der österreichischen Büchergilde Gutenberg. Er gehörte 1933 zu den Gründern der "Vereinigung sozialistischer Schriftsteller" und war deren erster Obmann.

    Nach dem Februar 1934 flüchtete Stern zunächst nach Brünn, wo er an der Masaryk-Hochschule, bald aber auch in der Schweiz Vorträge hielt. Die Flucht nach Brünn war nur dank des nachbearbeiteten Passes Oskar Scheuers möglich gewesen, weshalb Stern sich in der Tschechoslowakei auch wegen Betrugs angeklagt wurde. Gleichzeitig fing er mit der Herausgabe seiner "Hundert Hefte" an. 1935 wurde in Wien seine Frau verhaftet. Im November 1938 gelangte er mit dem letzten Flugzeug aus Prag nach Paris. Er hält weiterhin Vorträge, schreibt Gedichte und wird Führer im Louvre. Nach Ausbruch des Weltkrieges schlug er sich nach Montauban durch. In Vichy-Frankreich wird er interniert und flüchtet schließlich über die Pyrenäen, Spanien, Lissabon, per Schiff in die USA. In New York hatte er vorerst nur ein Visitor-Visum für sechs Monate. In New York schlug er sich mit Hilfsarbeiten durch, traf aber seinen Sohn Hans Martin wieder, der schon 1938 nach New York gekommen war. bis er 1941 in Philadelphia durch eine Quäkerorganisation eine Anstellung als Lehrer und Fürsorger im Armenviertel Pendle Hill fand. Er schrieb regelmäßig für die "Austrian Labor Information".

    Ende April 1948 kehrte Stern nach Österreich zurück und wurde Rektor des Bildungsheimes Schloss Weinberg in Kefernmarkt/OÖ (bis 1953). Danach war er im ÖGB-Bildungsreferat tätig. Er erhielt eine Reihe von Ehrungen, u.a. 1948 den Preis der Stadt Wien für Volksbildung. 1958 erhielt er den Staatspreis für Volksbildung und wurde ihm der Professorentitel verliehen. Josef Luitpold Stern starb nur einige Monate nach seinem 80. Geburtstag, der von der SPÖ und dem ÖGB gebührend gefeiert wurde. So gab es am 14. Mai 1966 im Konzerthaus das feierliche Konzert "Sternstunde" mit Stern Vertonungen und Kompositionen von Marcel Rubin, Erwin Weiss, Robert Schollum. Seit 2005 verleiht der ÖGB den "Luitpold-Stern-Preis" für besondere Verdienste um die Volksbildung.

     

    • Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser (Hg.): Lexikon der österreichischen Exilliteratur. Wien 2000, 615-618
    • Marcus Strohmeier: Lernen um zu kämpfen. Kämpfen um zu siegen. Josef Luitpold Stern (1886-1966). Wien 2011, 48 Seiten

    #1 Wien
    #2 Proletariat
    #3 Volksschule, Piaristengymnasium in Wien, Studium der Rechts- und Literaturwissenschaften in Wien und Heidelberg. – Dichter, Übersetzer, Vortragender, Erwachsenenbildner
    #4 1934 Politisch verfolgt (Sozialdemokrat), 1938 Rassistisch und politisch verfolgt
    #5 Mit falschem Pass 1934 in die Tschechoslowakei (Brno), 1938 nach Frankreich (Paris, diverse Internierungslager), 1940 in die USA, anfangs nur mit einem Visitor-Visum (New York, Philadelphia)
    #6 Hilfsbibliothekar, Lehrer
    #7 Rückkehr Mitte 1948
    #8
    Verband jugendlicher Arbeiter, Freien Vereinigung sozialdemokratischer Studenten, Sozialwissenschaftlichen Bildungsverein, Volksbühnenbewegung, sozialdemokratische Bildungszentrale, Arbeiter-Hochschule, Clarté, Vereinigung sozialistischer Schriftsteller, Quäker, ÖGB.
    #9 Josef Luitpold Stern: Aus Josef Luitpold's Grabrede auf Theodor Kramer. In: MdZ 9.Jg. 3/1992, 21; Brief an Dora Schuster (Müller), 7.3.1935. In: MdZ 10.Jg. Nr. 2/1993, 27; Klassenkampf und Massenschulung. In: ZW 31.Jg. Nr.4/2014, 42f.; Josef Scheu. In: ZW 31.Jg. Nr.4/2014, 43f.

    #10 Lebenslauf
    #11 Deutsch
    #12 Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger
    #13 Aufbewahrungsort: Herbert Exenberger-Archiv in der TKG: Josef Luitpold Stern
    #14 Handschrift, 1 Blatt, in Kopie
    #15 ca. 1938
    #16 Einige biografische Daten, Publikationen, Adressen in Paris und Brno
    #17 Verlag, Zeitschrift
    #18

    #10 Brief
    #11 Deutsch
    #12 Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger
    #13 Aufbewahrungsort: Herbert Exenberger-Archiv in der TKG: Josef Luitpold Stern
    #14 Brief, handschriftlich, 1 Blatt, in Kopie
    #15 1. 11. 1941
    #16 Stern berichtet über das Erscheinen seiner Werkausgabe in fünf Bänden "Das Sternbild". Von diesen sind vier in Brno erschienen, die dann von dort nach Zürich übersiedelt wurden. 1941 wollte er Band fünf herausbringen, in dem neben Erzählungen und Lyrik auch zwei Bühnenwerke abgedruckt sind. Er berichtet von den Kosten des fünften Bandes und fragt um einen Unterstützung durch die "
    Auslandsvertretung der österreichischen Sozialisten" an.
    #17 Genosse Buttinger: Joseph Buttinger war vor 1934 ein junger Bezirks-Parteisekretär der SDAP in Kärnten. Von 1935 bis 1938 Vorsitzender der Revolutionären Sozialisten und Mitbegründer der Auslandsvertretung der österreichischen Sozialisten (AVOES). Seit 1934 war er mit der US-amerikanischen Psychoanalytikerin Muriel Gardiner, die in Wien bei Freud studieren wollte, verheiratet. Nach seinem Ausscheiden aus der AVOES im Jahre 1942 und einem Universitätsstudium wurde er Europadirektor des International Rescue Committee in Paris und Genf und in ein international renommierter Ostasienexperte.

    #18

    #10 Brief
    #11 Deutsch
    #12 Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger
    #13 Aufbewahrungsort: Herbert Exenberger-Archiv in der TKG: Josef Luitpold Stern
    #14 Brief, handschriftlich, 2 Blätter, Original
    #15 10. 9. 1947
    #16 Er antwortet auf eine Anfrage bezüglich Publikation, berichtet von Verlagsprojekten, stellt zur Überlegung die "Hundert Hefte" in Wien erscheinen zu lassen, und fragt an, inwieweit eine Kooperation zwischen "The Luitpold Booklets" und der Kunststelle möglich sei.
    #17 AdressatInnen: Adolf Planek, in Wien geboren, 21. März 1903 Wien, in Wien gestorben, 22. November 1990. Maschinenschlosser, Politiker. Von 1945 bis 1969 Abgeordneter zum Wiener Landtag und Mitglied des Gemeinderates (kandidierte im Wahlkreis 1 im 1. Bezirk, 1954 ein Restmandat im 1. Bezirk).
    #18

    Die kurze Selbstbeschreibung aus dem Jahr 1938 zeigt, wie sich der geflüchtete Autor und Lehrende im Exilland präsentieren wollte. Die beiden Briefe zeigen, wie während des Exils in den USA und wie nach der Befreiung Josef Luitpold Stern versucht hat, verlegerisch tätig zu sein.

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    Isa Strasser

     

    Geboren in Coburg, am 29. 3. 1891 – gestorben in Wien, am 24. 8. 1970

     

    Isa Strassers Vater war der preußische Hauptmann Friedrich Ernst von Schwartzkoppen, die Mutter Frieda geb. „Freifrau“ von Seebach. 1912 heiratete sie den Chefredakteur der nordböhmischen sozialdemokratischen Tageszeitung "Vorwärts" Josef Strasser (geb. 11.9.1870), der eine führende Rolle im linken Flügel der nordböhmischen Arbeiterbewegung hatte. Isa Strasser engagierte sich organisatorisch und propagandistisch in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, v.a. bei den Kinderfreunden, der Jugendbewegung und in der Frauenbewegung.1908 schloss Isa Strasser eine Ausbildung als Kindergärtnerin im Berliner Pestalozzi-Fröbel-Haus ab.

    Ab 1913 lebten Isa und Josef Strasser in Wien. Sie hatten zwei Kinder: Peter (1917 geb., 1949 Abgeordneter zum Nationalrat) und Lotte Strasser (später Ärztin). Isa Strasser schrieb Feuilletons, Kurzgeschichten, Gedichte und Essays für sozialdemokratische Zeitungen. Josef Strasser und sie traten 1918 neu gegründeten Kommunistischen Partei ein.

    Isa Strasser schloss sich 1919 der KPÖ an, sie wurde Mitglied des Frauenzentralkomitees und Mitarbeiterin der Rote Fahne. Anfang der 1920er Jahre wurde Josef Strasser nach Moskau berufen, wo sie ab 1923 lebte. In Moskau arbeitet Isa Strasser in verschiedenen, arbeitsrechtlichen Bereichen. Von der Revolution desillusioniert, kehrte das Ehepaar Strasser 1928 wieder nach Wien zurück. Zunächst arbeitete Isa Strasser wieder als Redakteurin der "Roten Fahne". 1930 mussten sie und ihr Mann wegen „linker Abweichungen“ die Komintern verlassen. Isa und Josef Strasser standen in den nächsten Jahren ohne ein festes Einkommen da. Als engagierter Sozialdemokrat flüchtete nach dem 12. Februar 1934 Peter Strasser aus Österreich. 1935 Josef Strasser. Er wurde in einem Armengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt. Die Tochter studierte Medizin. Von 1929 bis 1938 schrieb Isa Strasser für verschiedene Zeitungen, u.a. für das Prager Tagblatt. Sie veröffentlichte Reportagen, Kurzgeschichten und Buchbesprechungen.

    1938 entschloss sie sich zu einer Ausbildung zur Krankenschwester für Physikalische Heilmethoden bei Professor Kowarschik und arbeitete im Dianabad und ab 1941 bei der Gebietskrankenkassa. Dazwischen war sie auch arbeitslos oder arbeitete als Schreibkraft.

    Sie veröffentlichte 1949 den historischen Roman „Hzu Hsi, Chinas letzte Kaiserin“ im sozialistischen Linzer Tagblatt. Zwei weitere Romane blieben unveröffentlicht.

    Nach ihrer Pensionierung 1955 betätigte sich Isa Strasser in dem Bereich der Fürsorge für alte Menschen und war weiterhin schriftstellerisch tätig.

     

    #1 Coburg
    #2 Aristokratin
    #3 Ausbildung zur Kindergärtnerin, Ausbildung zur Krankenschwester, Journalistin, Schriftstellerin
    #4 Politisch verfolgt (Kommunistische Opposition)
    #5
    #6 Ausbildung zur Krankenschwester, arbeitslos, Arbeit als Schreibkraft, Arbeit bei der Gebietskrankenkassa.
    #7
    #8 Krankenschwester,
    Versorgung alter Menschen
    #9

     

     

    #10 Familiengeschichte, politischer Lebenslauf, Berufstätigkeiten
    #11 Deutsch 
    #12 Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger
    #13 Aufbewahrungsort: Herbert Exenberger-Archiv in der TKG:
    Isa Strasser
    #14 Typoskript (Schreibmaschine), 4 Blatt, Kopie. Original im DÖW (18922/6)
    #15 nach 1955
    #16 Biografische Informationen: Familie, politische Tätigkeiten, zu Josef Strasser, zu sonstigen beruflichen Tätigkeiten
    #17 Biografische Informationen für einen Verlag
    #18

     

    Auf den vier Blättern verschafft Isa Strasser, wahrscheinlich für einen Verlag oder eine politische Stellung, einen Überblick über ihre Herkunft, ihre Aktivitäten in der Partei, über ihre Zeit in Moskau, über die Arbeit als Journalistin in Wien und Prag nach dem Ausschluss aus der Partei, über ihren verstorbenen Mann und ihre beginnenden schriftstellerische Arbeit. Auf der vierten Seite berichtet sie von ihren "sonstigen beruflichen Tätigkeiten". 1938 fragte sie sich, ob sie wie Sohn Peter flüchten oder bei der Medizin studierenden Tochter in Wien bleiben sollte, was sie schließlich auch tat. Sie schreibt über ihre Arbeitsverhältnisse bis 1955.

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    Hans Ungar

    Geboren in Wien, 29. 8. 1916; gestorben in Bogotá (Kolumbien), 23. 5. 2004

    Hans Ungar wuchs in Wien, Josefstadt auf. Seine Eltern Paul und Alice (geb. Kranner) betrieben den Modesalon "S. Ungar, k.u.k. Hoflieferant" in Wien, Karlsbad und Berlin (Kohlmarkt 20 und Unter den Linden 15). Zu deren Freundeskreis zählten Stefan Zweig und Hermann Bahr. Hans hatte einen um vier Jahre älteren Bruder namens Fritz Heinz. Nach dem Besuch des Gymnasiums und der Matura und vor dem Studium an der "Hochschule für Welthandel" ließ sich Hans Ungar zum Reserveoffizier ausbilden. Er absolvierte auch ein Lehrjahr als Schneiderlehrling im Betrieb seiner Eltern. Wegen der Annexion Österreichs durch Deutschland konnte er sein Studium nicht beenden.

    Dank eines ehemaligen Offizierskollegen gelang ihm Ende Juli 1938 die Flucht nach Kolumbien. Seine Eltern und sein Bruder konnten Wien nicht mehr verlassen und wurden ermordet, Paul und Alice Ungar in Sobibor und Fritz Heinz Ungar am 22. Februar 1942 in Auschwitz.

    Hans Ungar kam über Hamburg nach Cartagena und schließlich nach Bogotá. Dank seiner Kenntnisse der Modebranche organisierte er bald nach seiner Ankunft eine der ersten Modeschau in kolumbianischen Hauptstadt. Auch war er einige Zeit Inhaber eines kleinen Filmvertriebs, dessen Teams in verschiedenen Städten Filme projezierten. Er wurde Privatsekretär eines englischen Geschäftsmannes und lernte bei einer Zugfahrt seine zukünftige Ehefrau, die ebenfalls aus Wien geflüchtete Elisabeth Bleier (Lilly) kennen. Das Paar hatte zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Während des Weltkrieges engagierte er sich im "Comité de los Austríacos en Colombia" und in der "Asociación de los Austríacos Libres".

    Ein Jahr nach Ende des Krieges übernahm er die seit 1926 existierende bogotaische Buchhandlung "Libreria Central", deren Stammkunde er zuvor gewesen ist. Die "Libreria Central" war vom mexikanischen Dichter Gilberto Owen gegründet und 1930 von Pablo Wolf, der aus Österreich ausgewandert war, übernommen worden und war die älteste Buchhandlung des Landes. In der Buchhandlung wurde auch deutschsprachige Literatur verkauft. Weiters entwickelte sie sich zu einem Treffpunkt für Intellektuelle aus Kolumbien und aller Welt. Zum Freundeskreis des Ehepaars Ungar zählte auch die Exilösterreicherin und Lyrikerin Trude Krakauer.

    1948 gehörte er zu den Unterstützern des jungen Mario Laserna Pinzón, der in diesem Jahr die "Universidad de los Andes" gegründet hat. An dieser Privatuniversität, die inzwischen zu den den fünf besten Lateinamerikas zählt, wird Hans Ungar einige Jahre als Dozent für Geschichte unterrichten.

    1954 gründete das Paar in der kolumbianischen Hauptstadt die Kunstgalerie "El Callejón", in der 1961 eine der ersten Einzelausstellungen Fernando Boteros gezeigt wurde.

    Hans Ungar war ein fanatischer Buchsammler, dessen Privatbibliothek 26.000 Bände umfasst haben soll, darunter Schriften aus dem 15.Jahrhundert. Für den Radiosender HJCK besprach er auch viele Bücher.

    Für seine Arbeit wurde Hans Ungar von der Stadt Bogotá mit dem San Carlos-Orden ausgezeichnet, sowie mit dem "Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland", dem "Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich" (1964) und dem "Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst" (1976). Auch war Hans Ungar korrespondierendes Mitglied der "Academia Colombiana de la Lengua".

    Hans Ungar starb 2004, seine Ehefrau Lilly Ungar führte noch viele Jahre die "Libreria Central". Sie lebt in einer Villa und den 26.000 Büchern, der größten Privatbibliothek des Landes. Die Tochter Elisabeth Ungar Bleier war von 1975 bis 2009 Professorin am Institut für Politikwissenschaften an der „Universidad de los Andes“ und zwischen 2009 und 2016 als Direktorin des kolumbianischen Tochtervereins der internationalen NGO „Transparency International“ in der Korruptionsbekämpfung aktiv. Der Enkelsohn Antonio Ungar ist einer der bekanntesten Schriftsteller Kolumbiens. (AE)

     

    #1 Wien 
    #2 Unternehmerfamilie 
    #3 Matura, Reserveoffizier, Hochschule für Welthandel. Buchhändler, Galerist, Publizist.
    #4 Rassistisch verfolgt 
    #5 Flucht: Ausreisepapiere dank eines Offizierkollegens. Über Hamburg nach Kolumbien, Bogotá
    #6 diverse Jobs, Sekretär eines Bankiers, ab 1946 Buchhändler, ab 1948 Dozent, ab 1954 Galerist, Publizist, Radiomoderator
    #7 Nicht zurückgekehrt
    #8 Exilierte und kolumbianische Intellektuelle, KünstlerInnen. Comité de los Austríacos en Colombia, Asociación de los Austríacos Libres. Als Buchhändler und Galerist mit Fernando Botero, als Universitätsdozent mit Mario Laserna Pinzón. Büchersammler.
    #9

    #10 Transkribiertes Interview 
    #11 Deutsch 
    #12 Im Zusammenhang mit Kolumbien-Schwerpunkt der TKG gesammelt 
    #13 Archiv der TKG (Box „Exil Kolumbien“) 
    #14 Typoskript (Computer), 4 Seiten 
    #15 Am 20. Juni 1993
    #16 Die ersten Jahre des Exils
    #17 Interview mit Hanny Hieger 
    #18 Publikation von Interviewerin und Interviewtem intendiert

    Die Interviewerin Hanny Hieger hatte als Kind selbst aus Österreich flüchten müssen und hat in Großbritannien überlebt. Nach 1945 hat sie viele Jahre in Südamerika gelebt, wo sie in der Pharmaindustrie, in einem Reisebüro, für die UNO und für das österreichische Außenministerium tätig war. Das Interview wurde oft zitiert, wobei der falsche Vorname "Heinz" im Titel scheinbar nie hinterfragt wurde. Auf den vier Seiten des wohl noch längeren Interviews erzählt Hans Ungar viel über seine Jugend, seine Flucht und vor allem über seine ersten Jahre im Exil.

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    Armin Verkauf

    Geboren in Wien, 2. 6. 1928; gestorben in Israel, 14. 5. 2007

    Armin Verkaufs Vater war Bernhard Verkauf, Schneidermeister aus Lemberg. Dieser war nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs als überzeugter Pazifist in Zürich geblieben, was dazu geführt hat, dass er in der Donaumonarchie in Abwesenheit als Deserteur zum Tode verurteilt wurde. In Zürich hat er seine zukünftige Frau Rebekka (Berta) Schaier aus Galati, Rumänien, kennen gelernt, die als Verkäuferin in einem Kaufhaus arbeitete. Da der ältere Bruder Willy 1917 geboren wurde, kam er in Zürich zur Welt. Armin kam elf Jahre später zur Welt und zwar in Wien, wohin die Familie 1921 gezogen war. Er war fünf Jahre alt, als Willy Verkauf seine Eltern überredete nach Palästina auszuwandern. Er war Mitglied der „Roten Falken“ und seit März 1933 konnte das Parlament nicht mehr zusammentreten, wurden sukzessive von der rechtskonservativ bis faschistischen Regierung Dolfuß alle demokratischen Institutionen und vor allem die SDAP und ihre Vorfeldorganisation zerstört oder verboten. Gleichzeitig genossen die Nazis, die seit Jahren einen unaufhörlichen Terror mit Bombenanschlägen etc, in Wien führten, immer mehr Sympathie in der Bevölkerung.

    Die Familie hatte Wien im September 1933 verlassen, war über Belgrad nach Athen gereist, um am 29. September 1933 auf dem rumänischen Schiff „Dacia“ in Haifa anzukommen. Die Einwanderung erfolgte auf illegale Weise, da die Verkaufs nur mit Touristenvisas ausgestattet war. Armin und Rebekka Verkauf verließen zuerst das Schiff, damit den Behörden nicht auffällt, dass es sich um eine ganze Familie handelt. Die Familie kam in einer Zweizimmerwohnung am nördlichen Stadtrand von Tel Aviv unter. Während der um elf Jahre ältere Bruder nicht nur nach Arbeit suchte, sondern sich auch sogleich politisch in der kommunistischen Partei engagiert, ging Armin in Tel Aviv in die Schule. 1936 zog der große Bruder aus der kleinen Wohnung aus, um mit seiner späteren Frau Hanna Lipschiz zusammenzuziehen. Zwischen 1936 und 1938 erfolgte ein Aufstand von Teilen der arabischen Bevölkerung, die mit Terroranschlägen das Land in einen Bürgerkriegszustand zog. Willy Verkauf und Hanna Lipschiz wurden wegen ihrer politischen Tätigkeit von den britischen Behörden inhaftiert und eingesperrt. Nach ihrer Freilassung 1940, engagierten sie sich verstärkt m Kampf gegen die Nazis. Willy Verkauf wurde zugleich Verleger.

    Der große Bruder kehrte gleich nach Ende des Krieges nach Wien zurück, um beim Globus-Verlag zu arbeiten. Noch vor der Unabhängigkeit folgten ihm die Eltern und der zwanzigjährige Armin nach. Die Familie kam getrennt zurück, Armin in einem tschechoslowakischen Flugzeug.

    Wieder wohnten alle beisammen, bis 1950 Willy Verkauf und seine Frau Hanna auszogen. Armin Verkauf lebte mehrere Jahre in Wien und erwarb in der Riemergasse 14 ein Geschäftslokal, von dem aus er eine Versandbuchhandlung betrieb. Er kehrte jedoch schon vor 1958 nach Israel zurück, die Mutter hatte inzwischen das Geschäft in der Riemergasse weiter geführt, als es Willy Verkauf übernahm, um dort seine Galerie für moderne Kunst einzurichten. Armin Verkauf wird im Sechstage-Krieg als Soldat kämpfen. Als Anfang der 1970er-Jahre Hanna Lipschiz schwer erkrankt, wird Armin viel Zeit mit ihr und seinem Bruder verbringen. Armin erwarb ein Haus im ehemaligen Künstlerdorf „Bezalel“ nah dem Dorf Ben Shemen, wo sich ein Kinderdorf befindet und seit seit 1978 Modan Publishing House, eines der größten Verlagshäuser Israels seinen Sitz hat. Armin Verkauf schreibt und veröffentlicht Gedichte. Er stirbt 2007. (AE)

     

    • Willy Verkauf-Verlon: Situationen. Eine autobiografische Wortcollage. Wien 1983.
    • Willy Verkauf-Verlon: Mit scharfer Optik. Wien 1989.

    #1 Wien
    #2 Mittelstand, Proletariat
    #3
    #4 Alija 1933, Einwanderung nach Palästina illegal, da mit Touristenvisum
    #5 Palästina/Israel: Tel Aviv
    #6 Buchhandel, Lyrik
    #7 Hat von 1948 bis in die 1950er-Jahre in Wien gelebt und einen Buchversand betrieben.
    #8
    #9 Armin Verkauf: 5 Minuten Ruanda. In: MdZ 12.Jg. Nr.2/1995, 13.

    #10 Gedicht
    #11 Deutsch
    #12 übermittelt von Armin Verkauf
    #13 Archiv der TKG
    #14 Typoskript (Computer), 1 Seite
    #15 Vor Jänner 2001
    #16 Israel mit Erinnerung an das Wachauerlandl
    #17
    #18
    Publikation vom Autor intendiert

    Wenig ist über Armin Verkauf, im Gegensatz zu seinem Bruder Willy Verkauf-Verlon, bekannt. Er hat einige Gedichte geschrieben, manche davon mit Szene aus seinem Leben. "Melodien von hier und dort" ist so eines. Armin ist ein Kind. Er sitzt auf einem Topf in der Küche, es schneit, es ist Krieg am Strand, die Mutter summt die Hatikwa, man singt "ein Hafen wird gebaut", der Bruder singt "Die Thälmann-Kolonne/Spaniens Himmel" und Armin denkt an das Lied Mariandl aus dem Wachauerlandl.

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    Ernst Waldinger

    Geboren in Wien, 16.10.1896; gestorben in Saratoga Springs, NY, 1.2.1970

    Ernst Waldinger wurde 1896 als Sohn von Anna (1872-1962; geb. Spinnath, in Schlesien) und dem aus Galizien stammenden Schuhfabrikanten Salomon (Schlomo) Waldinger (1869-1933) geboren und hatte drei jüngere Geschwister. Aufgewachsen im ArbeiterInnenbezirk Wien-Ottakring besuchte er das Gymnasium in Wien-Hernals sowie Kurse im Volksheim Ottakring und war Mitglied einer sozialistischen Mittelschülervereinigung. Von 1915-1917 war er als Soldat im Ersten Weltkrieg, für den er sich, obwohl gegen den Krieg, gemeinsam mit seiner gesamten Schulklasse freiwillig gemeldet hatte, und besuchte die Offiziersschule. Im August 1917 wurde er durch einen Kopfschuss schwer verwundet, wodurch er vorübergehend sein Sprechvermögen verlor. Er studierte dann an der Universität Wien Germanistik und Kunstgeschichte und war von 1922 bis 1938 als Verlagsangestellter tätig. Seit 1923 war er mit Beatrice Winternitz, einer Nichte Sigmund Freuds, verheiratet, mit der er zwei Kinder hatte. Ab 1924 veröffentlichte er Gedichte, ab 1929 vermehrt in der „Arbeiter-Zeitung“, aber auch im „Prager Tagblatt“. Auch übersetzte er Lyrik, vor allem aus dem Englischen, dem Ungarischen und dem Französischen. 1933 zählte er zu den Gründungsmitgliedern der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller. Im August 1938 flüchtete er nach Paris und London, von dort im September 1938 in die USA. In New York war er als Mitarbeiter der „Austro American Tribune“ und als Mitinitiator des „Austrian Council“ tätig. 1944 figurierte er als Mitbegründer des „Aurora-Verlages“. 1947 bis 1964 Professor für deutsche Sprache und Literatur am Skidmore College, Saratoga Springs. Er starb 1970 an den Folgen eines Schlaganfalls.
    Neben Waldingers 1934 mit dem Julius-Reich-Preis ausgezeichneter Lyrik sind sein essayistisches Werk (mit Essays über den Fall des Jugendfreundes Josef Weinheber, über die Entwicklung der österreichischen Literatur seit 1918, u.a.) und seine Tätigkeit als Übersetzer (u.a. von Andreas Ady und Louis Aragon) beachtenswert.
    Werke (Auswahl): Die Kuppel. Gedichte. Wien 1934; Der Gemmenschneider. Neue Verse. Wien 1937; Die kühlen Bauernstuben. Gedichte. New York 1946; Zwischen Hudson und Donau. Gedichte. Wien 1958; Ich kann mit meinem Menschenbruder sprechen. Wien 1965.  (CP)

    • Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser (Hg.): Lexikon der österreichischen Exilliteratur. Wien 2000, 665-667

    #1 Wien
    #2 Unternehmerfamilie, Vater war Schuhfabrikant
    #3 Gymnasium, Studium Germanistik und Kunstgeschichte. Angestellter, Dichter
    #4 Rassistisch und politisch verfolgt (Sozialdemokrat)
    #5 Flucht vermutlich legal. Über 1938 über Frankreich und Großbritannien in die USA, New York, Saratoga Springs (USA)
    #6 In den USA Arbeiter, Bibliothekar, Professur am College
    #7 Keine Rückkehr
    #8 politische, kulturelle, religiöse, soziale Vernetzungen:
    #9 Ernst Waldinger: In memoriam Leutnant Beer/Dies war Theodor Kramer. In: MdZ 7.Jg. Nr.1/1990, 2; „Die hundert Hefte“ von Josef Luitpold. In: MdZ 9.Jg. Nr.3/1992, 4.

    #10 Korrespondenz
    #11 Deutsch
    #12 Übernahme des Archivs von Herbert Exenberger
    #13 Herbert Exenberger-Archiv im Archiv der TKG: Ernst Waldinger
    #14 Brief vom 24. September 1946, 1 Seite. Korrespondenz von 50 Briefen von 1946 bis 1966, maschinschriftlich, jeweils 1 bis 2 Seiten.
    #15 24. September 1946
    #16
    #17 Viktor Matejka
    #18

    Dies ist der erste Brief der Korrespondenz zwischen Ernst Waldinger und dem Wiener Kulturpolitiker Viktor Matejka. Ernst Waldinger scheut sich ein wenig davor, Viktor Matejka noch eine "Korrespondenzverpflichtung" aufzubürden. Die KZ-Haft, der Film "Die Todesmühlen" werden thematisiert. Ernst Waldinger erzählt, wie er als Krebspatient 1938 kurz vor einer lebenswichtigen Operation von der SS aus der "Heilanstalt Rosenhügel" geworfen wurde. Er informiert, dass er sich bemüht den "Wiener Arbeiter- und Volksbibliotheken" tausende Bücher zukommen zu lassen und dass er Leopold Liegler (Karl Kraus-Freund und Biograf) und Rudolf Felmayer (Schriftsteller) Lebensmittelpakete zukommen hat lassen. Kontakt und Hilfsleistungen liefen über den Psychotherapeuten und Schriftsteller Alfred Farau, der mehrmals erwähnt wird. Dieser ist vor 1938 Schüler Alfred Adlers gewesen. Hatte für die RAVAG erste Hörspiele geschrieben. In der Pogromnacht vom 9. November 1938 war er verhaftet worden und und wurde vier Monate ins KZ Dachau eingesperrt. Er konnte nach Triest flüchten und 1940 nach New York. In den USA wurde er ab 1944 Pionier der Individualpsychologie und schrieb Gedichte und Kinderbücher. 

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