Am Sonntag im Wienerwald, Eva, Hans und Ernst Reichenfeld, ca. 1935. Hans Reichenfeld, 2003
Pressemitteilung:
Der im Februar 1923 in eine alteingesessene jüdische Wiener Familie geborene und 1938 nach England geflüchtete Mitbegründer der geriatrischen Psychiatrie Hans Reichenfeld ist am Samstag, 5. März 2016, im 94. Lebensjahr in Guelph, Kanada, gestorben. Im Vorjahr kam Reichenfeld ein letztes Mal in seine Heimatstadt, zu der er nach der Ermordung eines Teils seiner Verwandtschaft durch die Nazis lange Zeit Distanz gehalten hatte. Das ORF-Magazin ‚Thema' und der Standard widmeten ihm 2015 ausführliche Porträts.
Reichenfelds ganz und gar unsentimentale, höchst lebendige und informative Autobiographie ist 2010 unter dem Titel ‚Bewegtes Exil. Erinnerungen an eine ungewisse Zukunft' in deutscher Sprache erschienen. Dafür konnte sich der Autor auf seine Tagebücher stützen, die er seit dem 9. Lebensjahr ununterbrochen führte.
Als letzte Publikation Reichenfelds wird ‚Literatur und Kritik' in Kürze einen kleinen Aufsatz veröffentlichen, der sich mit einer Facette des österreichischen Widerstands, der Radiokommission von Young Austria beschäftigt. Eine Gruppe junger engagierter Österreicherinnen und Österreicher belieferte die BBC mit privat erhaltenen Nachrichten aus dem und über das besetzte Österreich im Krieg. Hans Reichenfeld leitete die Radiokommission, sein wichtigster Mitarbeiter, der die Texte redigierte, war eine Zeitlang Erich Fried.
Ich durfte Hans Reichenfeld vor etlichen Jahren bei einer Lesung aus ‚Heart Flesh Degeneration' (US-Ausgabe meines Romans ‚Herzfleischentartung') in Ottawa kennenlernen. Gemeinsam mit meiner Tochter Katharina Laher habe ich seine Autobiographie ins Deutsche übersetzt und war ihm seit damals freundschaftlich verbunden.
Ludwig Laher