Rudolf Brunngraber
Rudolf Brunngraber wuchs als Sohn des Maurers Franz Brunngraber und seiner Frau Maria, geb. Eichhorn, die Hilfsarbeiterin war, in Wien-Favoriten auf. Von 1915 bis 1920 besuchte er das Landes-Lehrerseminar in Wien. Danach ging er mit Kollegen auf die Walz. Er gelangte bis nach Skandinavien, wo er als Fabrikarbeiter, Steinbruchtagelöhner, Kinogeiger, Geschirrwäscher und Zeitungsverkäufer jobbte. Wieder in Wien war er Speditionsarbeiter, bis er 1923 arbeitslos wurde.
Von 1926 bis 1930 studierte Rudolf Brunngraber an der Akademie für angewandte Kunst Malerei und Gebrauchsgraphik. Danach brachte er sich als Elfenbeingraveur und Gebrauchsgraphiker durch, autodidaktisch studierte er Nationalökonomie und Soziologie. 1927 wurde Brunngraber SDAP-Mitglied.
1929 heiratete er Aloisia (Louise) Gettinger (1901 – 1986). Befreundet war er u.a. mit dem Schriftsteller Ernst Waldinger und dem Volksbildner Karl Ziak. Er hielt Vorträge für die sozialdemokratische Bildungszentrale. 1932 bekam er den Julius Reich-Preis. 1932/33 war Brunngraber Mitarbeiter von Otto Neurath am Institut für Bildstatistik im „Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum“. Ende 1932 erschien sein erster Roman „Karl und das 20. Jahrhundert“, der auch in der Arbeiter-Zeitung abgedruckt wurde (18.1.1933 – 22.3.1933). Das Buch war sein erster großer Erfolg, erhielt 1933 anerkennende Besprechungen (Weltbühne, Frankfurter Zeitung), wurde aber Mitte des Jahres in Deutschland als „marxistisch, defaitistisch und pazifistisch“ verboten. Im österreichischen Ständestaat blieb das Buch noch unter dem Ladentisch erhältlich.
Brunngraber wohnte im 4. Wiener Gemeindebezirk, Wiedner Gürtel 38.
Im Jänner 1933 wurde er Mitarbeiter der kurzlebigen Wiener Weltbühne, er gehörte zu den Mitbegründern und Vorstandsmitgliedern (Obmannstellvertreter) der „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“. Im Februar 1934 wurde er deren Obmann. Im März 1933 wurde er Lektor des Verlages Elbemühl. Im Oktober desselben Jahres war er wegen einer Rede bei einer Arbeitslosenveranstaltung für acht Tage in Polizeihaft.
Brunngraber verlegte die Handlungen seiner Bücher ins Ausland. Er selbst hielt sich in den Jahren von 1936 – 1939 in Jugoslawien, Italien, Griechenland und der Tschecholowakei auf.
Sein 1936 erschienenes Buch „Radium – Roman eines Elements“ wurde ein großer Erfolg, es wurde in etliche Sprachen übersetzt. Der Lyriker und Hörspielautor Günter Eich verfasste nach den Motiven dieses Romans ein erfolgreiches Hörspiel. Wegen seiner Kurzsichtigkeit war Brunngraber nicht kriegstauglich. 1939 erschien sein Roman „Opiumkrieg“, 1941 „Zucker aus Kuba“. „Opiumkrieg“ wurde zunächst verboten, dann aber, als England zum Feind wurde, wohlwollend aufgenommen. „Die Nazis erkannten bald, dass er sich gut für ihre Propaganda ausnutzen ließ. In der Tat bestand ja eine gewisse Affinität zwischen der Technikbegeisterung Brunngrabers und der herrschenden Macht“, schreibt Elisabeth Freundlich 1995 ( >> siehe Literatur/Dokumentation). Am 18.10.1939 wurde er in die Reichschriftkammer aufgenommen, am 30.8.1940 wieder ausgeschlossen, der Verkauf seiner Bücher gestoppt. Brunngraber, der sich nach Kärnten zurückgezogen hatte, bekam wegen antinanazistischer Äußerungen Schwierigkeiten mit der Gestapo. Dennoch wurde er ein Erfolgsautor des Dritten Reiches mit sehr hohen Auflagezahlen.
Albert Speer, Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion, wollte ihn 1944 dafür gewinnen, ein Buch über die Probleme des Nachschubs im Krieg zu schreiben. Brunngraber zögerte die Verhandlungen darüber so lang hinaus, bis sie sich erübrigten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es für Brunngraber zunächst schwierig, sein Roman „Opiumkrieg“ wurde von den Alliierten wegen seiner Anklage gegen England verboten.
Brunngraber wurde wieder Mitglied der SPÖ, schließlich Vorsitzender der neu gegründeten „Vereinigung Sozialistischer Journalisten und Schriftsteller“. Er wurde in Österreich trotz seiner zweideutigen Haltung in der NS-Zeit allgemein als Nazigegner respektiert.
Brunngrabers Roman „Prozeß auf Leben und Tod“, in dem er den Antisemitismus anprangert, wurde zur Vorlage für den Film „Der Prozeß“ von Georg Wilhelm Papst (1947/48). Gemeinsam mit Ernst Marboe schrieb Brunngraber das Drehbuch zu dem Science-Fiction-Film „1. April 2000“ von Regisseur Wolfgang Liebeneiner (1952).
Brunngrabers Werke wurden in 18 Sprachen übersetzt und erreichten hohe Auflagen. 1950 erhielt er den Literaturpreis der Stadt Wien. Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
„Als er 1960 starb, war er, nach allem, was man darüber hört, ein seelisch gebrochener Mann. Ohne NS-Anhänger gewesen zu sein, war er in Teufels Küche geraten“. (Elisabeth Freundlich 1995)
1962 wurde die Wohnhausanlage Wien 10, Arthaberplatz 12-15 Brunngraberhof benannt.
RBR.I: Foto
RBR.I/1: Portrait 1933, Zeitungsauschnitt: Runkfunk, 21. Woche, 21.-27.5.1933/10 >> Dokumente
RBR.II: Dokumente
RBR.II/1: „Ein neuer Arbeiterdichter.“ In: Arbeiter-Zeitung, 31.1.1932, 9 (ANNO) - Beitrag über Rudolf Brunngraber
RBR.II/2: Kurzbericht über die Verleihung des Julius Reich-Preises an R.B., August Scholtis, Friedrich Torberg und Hans Haidenbauer. In: Arbeiter-Zeitung, 11.12.1932
RBR.II/2a: Veranstaltungsankündigungen in Arbeiter-Zeitung, Die Stimme, in einem Polizeibericht, in Rundfunk, Sozialistische Rundschau, Bildungsarbeit
RBR.II/3: Ankündigung und Abdruck eines Vortrages von R.B. über Technokratie. In: Runkfunk, 21. Woche, 21.-27.5.1933, 10
RBR.II/4: „Karl und das zwanzigste Jahrhundert.“ In: Arbeiter-Zeitung, 17.1.1933, (ANNO)
RBR.II/5: „Karl und das 20. Jahrhundert.“ In: Die Unzufriedene, 17.12.1933, (ANNO)
RBR.II/5a: Ankündigung zum Radiumroman. In: Mittelungen der Volkshochschule Wien Volksheim. 8 Jg., Nr. 4, 4.11.1935, 6
RBR.II/5b: Ausschluss von Rudolf Brunngraber aus der Reichsschrifttumskammer, 30.8.1940
RBR.II/5c: Brief vom 11.7.1945 von Staatssekretär Adolf Schärf an den Vorstand der SPÖ, mit der Bitte ihm einen sozialistischen Schriftsteller für den Vorstand der Demokratischen Union der Journalisten und Schriftsteller nennen, denn ihm selbst fiele kein "namhafter Mann" ein.
RBR.II/6: Wolfgang Kraus: „Rudolf Brunngraber. Zucker aus Cuba.“ In: Wiener Zeitung Nr. 69, Zeitungsausschnitt o.D., vermutl. 1947
RBR.II/6a: Rezensionen zu Rudolf Brunngrabers Radiorede "Sozialismus überwindet Nihilismus". Neue Zeit (18.10.1949); Die Presse (6.10.1949); Arbeiter-Zeitung (29.9.1949)
RBR.II/6b, c: Einladung zur 50. Geburtstagsfeier an NRAbg. Otto Probst mit Anwort.
RBR.II/7: Kasimir Edschmid: „Man wandelt durch Maschinenhallen. Rudolf Brunngrabers Roman über die Funktechnik.“ In: Die neue Zeitung, 24./25. 11. 1951, 10
RBR.II/8: Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträge anlässlich des 50. Geburtstages von R.B. In: Arbeiter-Zeitung, Die Presse, Das Wort, Weltpresse. 7 Beiträge, 1951
RBR.II/9: Oskar Maurus Fontana: „Drei Romane von Rudolf Brunngraber.“ „Opiumkrieg.“ „Heroin.“ „Der tönernde Erdkreis.“ Zeitungsauschnitt ohne Angabe der Zeitung. 13.1.1952
RBR.II/10: Bruno Frei: „Literarische Wurstfabkation. Blick in die Werkstatt eines Schriftstellerei-Inhabers.“ In: Tagebuch, 26.9.1953
RBR.II/10a: Beibrief zur Sendung von Rudolf Brunngrabers Büchern an NAbg. Otto Probst vom Forum-Verlag, 30.9.1954
RBR.II/11: F.H.: „Brunngrabers ‚Roman der Rauschgifte‘.“ In: Arbeiter-Zeitung, Zeitungsausschnit o.D.
RBR.II/11a: Korrespondenz Franz Olah, Bertl Rauscher, Rudolf Brunngraber im Mai 1956. Olah weist auf den "kommunistischen Einfluß" der "Hilfsgemeinschaft der später Erblindeten Österreichs" hin, um Brunngraber, der im Vorstand ist, zu warnen. (3 Briefe, 1 Postkarte)
RBR.II/11b: Ankündigung eines Autorenabends im Hochhaus vom 27.7.1954, mit u.a. Lotte Pirker; Einladung zur Veranstaltung "Der Roman im 20. Jahrhundert" mit Rudolf Brunngraber und Josef Luitpold Stern am 2. April 1958 in der ÖNB. (Kopie)
RBR.II/11c: Mitgliedsausweis für den Journalisten- und Schriftstellerverein Concordia vom 1.9.1958 (Kopie)
RBR.II/12: In memoriam. Nachruf auf R.B. In. Der sozialistische Akademiker, 13.Jg., Heft 5, Mai 1960
RBR.II/12a: Einladung zur Gedenkstunde zum ersten Todestag Rudolf Brunngrabers am 9.4.1961. Vortrag Josef Luitpold Stern, Lesung: Ernst Meister (Volkstheater)
RBR.II/13: Viktor Matejka: „Der Anfang von Rudolf Brunngraber.“ Manuskript, 29.8.1976. 5 Bl., Kopie
RBR.II/14: „Ein Name, den keiner mehr kennt. R.B.: Karl und das 20 Jahrhundert.“ In: Neue Zürcher, 2.12.1978
RBR.II/15: Interview von Konstantin Kaiser mit Prof. Wilhelm Szabo. U.a. über R.B., Manuskript, 18.3.1986, 4 Bl.
RBR.II/16: Bruno Ernst Liszka: Kurzbiographie von R.B. Manuskript, 5. Bl., Kopie, vermutl. 1994
RBR.II/17: Bruno Ernst Liszka: Rededisposition zu R.B. anlässlich der Buchpräsentation von „Zucker aus Cuba“ von R.B. am 24.2.1994, 4 Bl., Kopie
RBR.III: Korrespondenz:
RBR.III/1: R.B. an Theodor Feldmann, 1931 – 1937, 5 Briefe, Kopien, >> New York Public Library, Rare Books and Manuskript Division. Theo Feldmann Papers
RBR.III/2: R.B. an Heinrich Steinitz, 1935 – 1938, 5 Briefe, 1 Postkarte. Kopien >> DÖW
RBR.III/3: R.B. an Meta Steinitz, o.D., 1938, kurz nachdem Heinrich Steinitz im April 1938 nach Dachau verschleppt worden war. Kopie
RBR.IV: Werk / Veröffentlichungen:
Rudolf Brunngraber über sich selbst. Zeitungsausschnitt ohne Angabe der Zeitung, o.D.
Die menschliche Geduld. In: Die neue Weltbühne, 11. Jg., Nr. 14, 6.4.1933, 421-425
Acht Tage Rossauer Lände. In: Arbeiter-Zeitung, 29.10.1933, 6
Welt in der Zelle. In: Bildungsarbeit, 20. Jg., Heft 12, 12.12.1933
Die Endeckung der „Uran-Strahlen“. Vorabdruck aus dem Roman „Radium“. In: Echo, o.D., 1936
Schluß mit dem Nihilismus. In: Arbeiter-Zeitung, 10.5.1949, 5
Auch Bücher haben ihre Schicksale. In: Arbeiter-Zeitung, 23.9.1951
Kunst und Wissenschaft. Diskussionsbeitrag von R.B. bei der Kulturenquete der SPÖ am 17. und 18.3.1955. Manuskript, 6 Bl., Kopie
Sozialismus als Überwindung des Nihilismus. Radiomanuskript, o.D., 4 Bl.
Pogrom. Abdruck des Romans von R.B. als Fortsetzungsroman in der Arbeiter-Zeitung, vom 28.8. – 24.11.1955
Zu meinem Roman „Pogrom“. In: Büchergilde 1956
Roman und Gesellschaft. Zeitschriftenausschnitt ohne Angabe der Zeitschrift, o.D.
Kunstreferate. In: Bildungsarbeit 1933, 201
In der Bibliothek Exenberger:
Radium. Roman eines Elementes. Deutsche Buchgemeinschaft, Rowohlt Verlag, Berlin 1936
Karl und das 20. Jahrhundert. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1933. Ausgezeichnet mit dem Julius Reich-Preis
Karl und das 20. Jahrhundert. Steidl Verlag, Göttingen 1999
Zucker aus Cuba. Rowohlt Verlag, Stuttgart Berlin 1941
Zucker aus Cuba. Roman eines Goldrausches. Edition die Donau hinunter. Kommentierte Neudrucke von Texten des zwanzigsten Jahrhundert. Hg: Ruth Aspöck, Wien 1993
Opiumkrieg. Verlag Bernhard Tauchnitz, Leipzig 1942
Opiumkrieg. Büchergilde Gutenberg, Wien, o.D.
Der Tierkreis. Erzählungen. Verlag Georg Fromme & Co, Wien 1946
Wie es kam. Psychologie des Dritten Reiches. Schriftenreihe „Neues Österreich“, 4. Heft, Zeitungs- und Verlagsgesellschaft „Neues Österreich“, Wien 1946
Die Engel in Altantis. Wiener Verlag 1947
Prozess auf Tod und Leben. Paul Zsolnay Verlag. Berlin . Wien . Leipzig 1948
Pogrom. Büchergilde Gutenberg, Wien 1948
Der Weg durch das Labyrinth. Paul Zsolnay Verlag, Wien 1949
Überwindung des Nihilismus. Betrachtungen eines Aktivisten. Wiener Volksbuchverlag 1949
Fegefeuer. Rowohlt Verlag, Hamburg 1955
Der Mann im Mond. Aus dem Nachlass herausgegeben, mit einem Nachwort von Karl Ziak. Volksbuchverlag, Wien 1972
Literatur / Dokumentation:
Karl Ziak: Rudolf Brunngraber. Zu seinem zehnten Todestag. In: Zukunft, Nr. 8, 1970, 27-30
Johannes Pressler: Rudolf Brunngraber „Karl Marx und das XX. Jahrhundert“. Seminar für deutsche Philologie. Neuere Abteilung. Historische Romane in Österreich zwischen 1918 und 1938. Wien 1979
Marianne Jobst-Rieder: Rudolf Brunngraber. Nachlaßverzeichnis und Biobibliographie. Hausarbeit. Gundausbildung für Bibliotheks- Dokumentations- und Informationsdienst. Wien 1980
Wendelin Schmidt-Dengler: Statistik und Roman – Über Otto Neurath und Rudolf Brunngraber. In: Friedrich Stadler (Hg.): Arbeiterbildung in der Zwischenkriegszeit. Otto Neurath – Gerd Arntz. Löcker Verlag, Wien/München 1982, 119-124
Alfred Magaziner: Rudolf Brunngraber – unbekannter Dichter. In: Rentner und Pensionist, Okt. 1987, 15
Ursula Schneider: Rudolf Brunngraber. Eine Monographie. Dissertation, Universität Wien, 1990
Hermann Hakel: Die pathetische Fassade des Rudolf Brunngraber. (91f) In: Dürre Äste. Welkes Gras. Begegnungen mit Literaten. Bemerkungen zur Literatur. Hg.: Hermann Hakel Gesellschaft. Lynkeus Verlag, Wien 1991
Gerhard Kaldewei: „Karl und das 20. Jahrhundert“ – ein Roman von Rudolf Brunngraber (1932) als epische Form der statistisch-pädagogischen Denkweise Otto Neuraths. In: 257. ÖGL-Heft. Österreich in Geschichte und Literatur, 36. Jg:, Heft 2, März-April 1992, 82-92
Elisabeth Freundlich: Die im Lande bleiben. In: Ziehharmonika. Literatur/Widerstand/Exil, 12. Jg., Nr.3, Okt. 1995, 16-19. Erstdruck in: Frankfurter Hefte 35 (1980)
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Aus: Siglinde Bolbecher/Konstantin Kaiser: Lexikon der Österreichischen Exilliteratur. Wien: Deuticke Verlag 1999, 125-127
Vater: Franz B. (1875 Oberstinkenbrunn/NÖ ─ 1914), Maurergehilfe. Mutter: Maria Eichhorn (* 1876 Mailberg/NÖ), Hilfsarbeiterin. - 1915-20 Besuch des Landes-Lehrerseminars in Wien. Da er keine Anstellung als Lehrer erhielt, ging er zeitweise auf die Walz, bereist u.a. Schweden. In Wien bis 1923 Arbeit in einer Speditionsfirma. Danach arbeitslos; Roman "Die Entwurzelten", der unveröffentlicht blieb. R.B. begann expressionistisch zu schreiben, bis 1929 stark beeinflußt von Friedrich Nietzsche und Oswald Spengler; Freundschaft mit Kasimir Edschmid; schlug dann in "Neue Sachlichkeit" um. 1926-30 der Akademie für angewandte Kunst in Wien. Seit 1927 SDAP-Mitglied. Freundschaft mit → E. Waldinger und dem Volksbildner Karl Ziak, Vortragstätigkeit für die sozialdemokratische Bildungszentrale. 1929 Heirat mit Aloisia (Luise) Gettinger (1901 ─ 1986). 1930-32 Arbeit als Gebrauchsgraphiker. Verbindung zu → Th. Kramer. 1932 Julius Reich-Preis. 1932/33 Tätigkeit als Direktionsassistent in Otto Neuraths "Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum"; auf Neuraths Anregung entstand der Roman "Karl und das 20. Jahrhundert", der im Juli 1933 in Deutschland wegen einer Stellungnahme R.B.s gegen die Bücherverbrennungen verboten wurde, während R.B.s andere Werke ("Opiumkrieg" wurde allerdings bis zum Ausbruch des Krieges mit GB zurückgehalten) ohne Schwierigkeiten und mit großem Erfolg im Dritten Reich verbreitet wurden. Im Jänner 1933 ständiger Mitarbeiter der "Wiener Weltbühne". 1933 Mitbegründer, Mitglied des Vorstandes und ab Februar 1934 auch Obmann der VsS. Ab März 1933 Lektor beim gewerkschaftseigenen Verlag Elbemühl. Im Oktober wegen einer Rede bei einer Arbeitslosenversammlung acht Tage in Polizeihaft.
1936 Berlin-Reise ─ der Roman "Radium" ein großer Erfolg (u.a. verfaßte Günter Eich danach ein Hörspiel). Freundschaft mit → O.M. Fontana, → W. Szabo, dem R.B. behauptete, für den Ständestaats-Kanzler Kurt von Schuschnigg die Innsbrucker Rede vom 6.3. 1938 (Ankündigung einer Volksabstimmung am 13. März) geschrieben zu haben. 18.10. 1939 Eintritt in die RSK. Im Dezember verweigerte R.B. Joseph Goebbels propagandistische Mitarbeit. Im Frühjahr 1940 von der Gestapo vorgeladen; am 30.8. 1940 aus der RSK ausgeschlossen, Verkauf und Auslieferung seiner Bücher gestoppt. R.B. war wegen großer Kurzsichtigkeit nicht kriegsdiensttauglich. 1941 hielt sich R.B. bei W. Szabo und seiner Frau (→ V. Lorenz) in Weitra bei Gmünd auf; wegen unbedachter antinazistischer Äußerungen im Dorfwirtshaus kam es zu einer Denunziation bei der Gestapo ─ die Untersuchung endete dank W. Szabos Geschick glimpflich. "Zucker aus Cuba" wird mit Sondergenehmigung gedruckt. R.B. arbeitete an einem Auftragswerk über die Gewinnung von künstlichem Kautschuk, "Buna", an dem auch Kasimir Edschmied und → O.M. Fontana mitwirken sollten. Im Frühjahr 1944 erhielt er von Albert Speer, dem Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion, den Auftrag, ein Buch über das Nachschubwesen im Krieg zu schreiben.
Nach 1945 schrieb R.B. Drehbücher für G.W. Pabst ("Prozeß auf Leben und Tod", 1948) und Wolfgang Liebeneiner ("1. April 2000", 1952). Nach 1945 auch Vorsitzender der "Vereinigung sozialistischer Schriftsteller und Journalisten". 1950 Würdigungspreis der Stadt Wien für Literatur. Profilierte sich als Gegner der SU; gegen die Veröffentlichung von "Der tönende Erdkreis" bei Zsolnay erhob die sowjetische Besatzungsmacht Einspruch. R.B.s Interpretation der NS-Zeit entsprach ganz dem Geist der unmittelbaren Nachkriegszeit: Er schlug vor, die "Ungeheuerlichkeiten" der KZs als "einen allgemein möglichen atavistischen Rückfall des Menschlichen" anzusehen, der ansonsten durch die "aufrechten Ordnungsverhältnisse hintangehalten würde". In Ö. nach 1945 allgemein als Nazigegner respektiert, erscheint R.B.s Haltung doch als zutiefst zweideutig und weiterhin klärungsbedürftig. - NL: DSt (Teile); DLA (Teile). Darf nach einer Verfügung der Tochter Erika B. erst nach deren Tod zugänglich gemacht werden.
Werke
Karl und das 20. Jahrhundert. (Roman.) Frankfurt: Societätsverlag 1932. 289S. ÖNB 631.128-B (Zuerst in Fortsetzungen in: AZ, 18.1.-22.3. 1933. Neuausgabe unter dem Titel: Karl und das 20. Jahrhundert oder Die Zeitlawine. Vorwort von Kasimir Edschmied. Frankfurt, Wien: Forum 1952. 306S. Und: Vorwort von Thomas Lange, Nachwort von Karl Ziak. Kronberg 1977. Und: Nördlingen: Greno 1988/Die andere Bibliothek. ─ Auch Engl. ─ durch Empfehlung von Dorothy Thompson ─, Italienisch, Schwedisch, Polnisch, Tschechisch, Serbokratisch, Japanisch).
Radium. Roman eines Elements. Berlin: Rowohlt 1936. 394S. ÖNB 647.243-B (Neuausgabe: Wien: Neues Ö. 351S.)
Der Engel in Atlantis. (Roman.) Berlin: Rowohlt 1938. 527S. ÖNB 661.319-B (Neuausgaben: Wien: Neues Ö. 1947. 569S. Und: Frankfurt, Wien: Forum 1954. 394S.)
Opiumkrieg. (Roman.) Berlin, Stuttgart: Rowohlt 1939. 326S. ÖNB 671.236-B (Bis 1945 in etlichen Ausgaben. Neuausgaben: Wien: Danubia 1951. 355S. Und: Reinbek: Rowohlt 1963. 213S.)
Zucker aus Cuba. Roman eines Goldrausches. Stuttgart, Berlin: Rowohlt 1941. ÖNB 710.281-B (Erschien von Oktober 1941 bis Februar 1943 in drei Auflagen von insgesamt 40.000 Exemplaren. Neuauflage: Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1944. 399S. Unveränderte Neuausgabe: Wien: Erasmus 1948. 420S. ÖNB 790.552-B Gekürzte Neuausgabe: Mit einer Einleitung von Ruth Aspöck und einem Vorwort von Bruno Ernst Liszka. Wien: Edition die Donau hinunter 1993. 288S./Kommentierte Neudrucke von Texten des zwanzigsten Jahrhunderts).
Der Tierkreis. (Erzählungen.) Wien: Fromme 1946. 131S. ÖNB 745.295-B
Wie es kam. Psychologie des Dritten Reiches. (Studie.) Wien: Neues Ö. 1946. 54S. ÖNB 743.034-B.4 (Schriftenreihe. 4).
Was zu kommen hat. Von Nietzsche zur Technokratie. (Essays.) Wien: Neues Ö. 1947. 109S. ÖNB 754.287-B
Irrelohe. (Erzählung.) Wien: Fromme 1947. 189S. ÖNB 752.150-B
Prozeß auf Tod und Leben. (Roman.) Berlin, Wien, Leipzig: Zsolnay 1948. 265S. ÖNB 760.067-B (1948 verfilmt von G.W. Pabst. Auch unter dem Titel: Pogrom. Wien: Büchergilde Gutenberg 1948. 223S. ÖNB 293.675-B)
Der Weg durch das Labyrinth. (Roman.) Wien: Zsolnay 1949. 325S. ÖNB 776.137-B (Geschrieben 1934/35 im Anschluß an die Februarkämpfe, deutliche autobiographische Hinweise).
Überwindung des Nihilismus. Betrachtungen eines Aktivisten. (Essay.) Wien: Volksbuchverlag 1949. 261S. ÖNB 786.325-B
Der tönende Erdkreis. Roman der Funktechnik. Hamburg: Rowohlt 1951. 574S.
Heroin. Roman der Rauschgifte. Wien: Volksbuchverlag 1951. 302S. (Neuausgabe mit dem Titel: Roman der Rauschgifte. Hamburg: Rowohlt 1952. 282S.)
Fegefeuer. Hamburg: Rowohlt 1955. 234S.
Die Schlange im Paradies. (Roman.) Wien, München, Basel: Desch 1958. 408S. ÖNB 911.123-B
Der Mann im Mond. (Autobiographischer Roman.) Hg. von K. Ziak. Wien, Frankfurt, Zürich: Büchergilde Gutenberg 1972. 303S. (Aus dem NL). ÖNB 1,079.228-B
Sekundärliteratur
Kosch: Deutsches Literatur-Lexikon, 182. Killy: Literaturlexikon 2, 264f. Handbuch der Nachlässe (1995), 44. Wilpert/Gühring, 218f.
Marianne Jobst-Rieder: Katalog des Nachlasses R.B.s. Wien, ÖNB, bibliothekarische Hausarbeit 1982.
Gerhard Renner: Bestandskatalog des Nachlasses von R.B. in der DSt. Wien 1990.
Ursula Schneider: R.B. Eine Monographie. Phil.Diss. Wien 1990. 545S.
Evelyne Polt-Heinzl: Das Kommando der Dinge oder Was ein Bimmerling lernen kann. Überlegungen zu R.B.s Arbeitslosenroman "Karl und das 20. Jahrhundert" (1932). In: Fausto Cercignani: Studia austriaca II. Milano 1995, 45-63.
Christoph Fuchs: R.B. (1901 - 1960). In: Literatur und Kritik (Salzburg) Nr.317/318 (September 1997), 103-109.
Bei Fragen kontaktieren Sie bitte Alexander Emanuely (emanuely[a]theodorkramer.at)