Margarete Petrides
Margarete Petrides kam am 25.3.1901als Tochter von Konrad und Auguste Petrides in Wien zur Welt. Konrad Petrides (1864-1943) war akademischer Maler, der vor allem Landschaftsbilder malte. Nach der Grundschule wird Margarete Schneiderin. In den 1930er Jahren lebte sie, wie auch ihre um vier Jahre ältere Schwester Lucia in der elterlichen Wohnung im 17. Wiener Gemeindebezirk in der Leopold Ernst Gasse Nr. 43. Lucia Petrides war wie Margarete ledig und konfessionslos. Lucia Petrides verlor 1932, in Folge der Wirtschaftskrise, nach zehn Jahren ihre Arbeit bei einer Privatfirma. Sie arbeitete für kurze Zeit als Aushilfe im Sekretariat der Sozialdemokratischen Partei, bis sie im Februar 1933 beim Bund der Freien Gewerkschaften angestellt wurde. Nach dem Februar 1934 wurde sie wieder arbeitslos.
Ab Mitte der 1920er Jahre veröffentlicht Margarete Petrides Gedichte in der Zeitschrift Der Naturfreund. Meist auf dem Titelblatt der Zeitschrift (die jeweils eher den Umfang eines Buches hat) abgedruckt. Einige wenige ihrer Gedichte sind in der Arbeiter-Zeitung veröffentlicht. Vom 24. Jänner bis zum 3. März 1932 erscheint der sozialkritischer Roman „Die Leidtragenden“ von Margarete Petrides in Fortsetzungen in der Arbeiter-Zeitung. Am Tag vor dem Erscheinen der ersten Folge ihres Romans stellt Margarete Petrides den Roman und die Ziele, die sie mit ihrem Text verfolgt, selbst vor. Der Roman handelt von einer Schneiderin, die ihren „guten, langjährigen Posten“ verloren hat. Die „aus dem frischen jubelnden Lebensgefühl, das ihr das Bewußtsein ihrer Arbeitskraft, ihrer Existenz bringt, plötzlich herausgeschleudert wird in die Härten, in die Unerbittlichkeit eines Krisenjahres“.
Mit der Beschreibung eines Einzelschicksals, das den Lesern und Leserinnen nahegehen soll, das die Autorin heraushebt aus dem „Massenschicksal der Überzähligen unserer Zeit, der Arbeitslosen“, will sie „die Notwendigkeit des proletarischen Zusammenschlusses klarstellen“.
Margarete Petrides schließt sich der „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“ an. Beim zweiten AutorInnenabend der Vereinigung im Juni 1933, der unter dem Motto „Satire und Pathos im Klassenkampf“ stand, trat Margarete Petrides als Vortragende auf, neben Walter Lindenbaum, Ernst Waldinger, Benedict Fantner und Hans Leifhelm.
Zu den wenigen erhalten gebliebenen Dokumenten, die Auskunft geben über das Leben von Margarete Petrides, gehören staatspolizeiliche Akten aus der Zeit des Austrofaschismus. Nach dem Februar 1934 schloss sie sich der illegalisierten Kommunistischen Partei an. Am 12. Februar 1935 fanden in Wien Großkundgebungen zur Erinnerung an den Februar 1934 statt.
In dem staatspolizeilichen „Situationsbericht“ (Bundeskanzleramt. Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit. Staatspolizeiliches Bureau) vom 12. Februar 1935 ist festgehalten, dass in der Nacht zum 12.2.1935 neben anderen auch „die 34jährige Schneiderin Marie [sic] Petrides, XVII., Leopold Ernstgasse Nr. 43 wohnhaft“, wegen Streuens kommunistischer Flugzettel angehalten wurde. Sie wurde vom Bezirkskommissariat mit sechs Wochen Arrest bestraft.
Am 1. März 1937 wurde Margarete Petrides wegen Streuens kommunistischer Flugblätter am Dornerplatz im 17. Wiener Gemeindebezirk erneut verhaftet (staatspolizeilicher „Situationsbericht“ vom 4.3.1937) und im Polizeigefangenenhaus festgehalten. Kurz darauf, am 16. April 1937 wird sie „zwecks Hintanhaltung von Störungen der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit“ zu drei Monaten Anhaltehaft verurteilt. In der Begründung zum Urteil („Bescheid“. Polizeipräsident der bundesunmittelbaren Stadt Wien. Pr. Zl. IV-4-176/37) heißt es, dass Margarete Petrides seit langem „als kommunistische Parteigängerin“ bekannt ist und „die Funktion einer Bezirkskassiererin“ ausübt. Am 11. Jänner 1938 wurde Margarete Petrides im Zuge einer Hausdurchsuchung wiederum verhaftet und wegen Kontakten zu illegal tätigen Kommunisten und Besitzes von politischen Aufzeichnungen nochmals zu drei Monaten Anhaltehaft verurteilt (Pr. Zl. IV-4- 21/38).
Auch Margaretes Schwester Lucia Petrides wurde zweimal wegen illegaler Betätigung verhaftet, im April 1934 befand sie sich 5 Tage in Haft im Gefangenenhaus Rossauerlände, das zweite Mal vom 19. März bis 27. Mai 1936.
Was die Zeit nach dem „Anschluss“ bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges betrifft, konnten wir bis jetzt nichts darüber erfahren, wie es ihr ergangen ist. Es ist aber davon auszugehen, dass ihre Romane autobiographische Züge haben. In dem Roman „Hedwig Zadinek. Roman einer Wiener Arbeiterin“ berichtet ihre Protagonistin über ihre Kinderzeit, die Zeit, die sie bei den Naturfreunden verbracht hat, den Februar 1934, über Madrid und die Nazizeit. Gegen Ende des Buches (S. 343) erzählt sie: „Die Kerkerzelle, in der sie sich befindet, gleicht jener Kerkerzelle, aus der man sie vor eineinhalb Jahren entlassen hat; - das System hat sich geändert, die Namen, die Farben, - der Kerker ist derselbe geblieben. Sie ist in Haft genommen worden, - nicht weil man sie bei irgend was ertappt hätte - nein, nur so; als Polizeibekannte in Schutzhaft genommen des Krieges wegen“. Also können wir zumindest annehmen, dass sie bei der Generalamnestie im Februar 1938 entlassen und eineinhalb Jahre später von den Nazis in „Schutzhaft“ genommen wurde.
Nach 1945 war Margarete Petrides Funktionärin der KPÖ. Nach einer langen Phase, in der sie keine Texte veröffentlicht hat, erschien 1947 der Roman „Hedwig Zadinek. Roman einer Wiener Arbeiterin“ im Wiener Globus-Verlag. Armut und Elend beschreibt sie nicht in pathetischer Breite, sondern umso eindringlicher in knappen Details. Petrides schreibt pointiert, spannend und klar. Sie hat nur ein schmales Werk hinterlassen, dennoch ist sie eine bemerkenswerte Vertreterin der Arbeiterliteratur. Erich Hackl erwähnt in einem Artikel über die Ärztin und Schriftstellerin Marie Frischauf ( Erich Hackl: Vom Grau des Mitleids. In: Die Presse, 23.12.2000, Spectrum, 7), dass deren Literatur ebenso wie die der Literatinnen Margarete Petrides, Doris Brehm und Susanne Wantoch in Germanistikseminaren nicht einmal erwähnt werden. In ihren Romanen aber „glaubte ich einer seltsamen Vertrautheit zu begegnen, die vor meiner eigenen Lebenszeit liegt, und doch war es mir“ als wäre es „meine Gegenwart“.
Ihre letzten Lebensmonate verbrachte Margarete Petrides im Pensionistenheim Laaerberg in Wien Favoriten. Sie starb am 19.2.1973 in Wien. Ihre Schwester Lucia starb elf Jahre später. Beide sind bei ihren Eltern in einem Grab am Friedhof Ottakring begraben.
M.PE.I: Fotos:
M.PE.I/1: Jugendfoto
M.PE.I/2: Foto mit Eltern und Schwester in den 30er Jahren. M.P. links
M.PE.I/3: von links: Lucia, Angela und Margarete Petrides
M.PE.I/4: Altersfotos
M.PE.II: Dokumente:
M.PE.II/1: M. P.: „Abend“, Gedicht, in: Der Naturfreund. Zeitschrift des Touristen-Vereins „Die Naturfreunde“, 32. Jg. 1928
M.PE.II/2: M. P.: Mein Roman „Die Leidtragenden“ in: AZ 23.1.1932, S.6, (ANNO) ein Blatt, Kopie
Auf demselben Blatt: „Genossin Pedrides gestorben“, Zeitungsausschnitt Volksstimme 21.8.1984. Dieser Nachruf bezieht sich auf Margaretes Schwester Lucia Petrides > DÖW 5855
M.PE.II/3: Bericht zur polizeilichen Anhaltung von M.P. am 12.2.1935 wegen Streuens kommunistischer Flugzettel. In: Bundeskanzleramt (Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit) Staatspolizeiliches Bureau. Situationsbericht vom 12.2.1935, S. 4, Kopie > DÖW 6109
M.PE.II/4: Bericht zur Verhaftung von M. P. am 4.3.1937. In: Bundeskanzleramt (Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit) Staatpolizeiliches Bureau. Situationsbericht vom 4.3.1937, Beilage. Kopie > DÖW 6708, Heft 4
M.PE.II/5: Bescheid zur Verurteilung von M.P., 16.4.1937, Kopie > DÖW 20.000/P155
M.PE.II/6: Bericht zur Verhaftung von M. P., 11.1.1938, Kopie > DÖW 6932 b.
M.PE.II/7: „Ein Wiener Arbeiterroman“, Rezension von Margarete Petrides Roman „Hedwig Zadinek“, gez. mit H. Sch., in: Österreichisches Tagebuch, Nr. 5, 30.1.1948, Kopie
M.PE.II/8: Bestätigung der Haft von Lucia Petrides wegen illegaler Bestätigung von Nationalrätin Wilhelmine Moik, 8.6.1953, angeheftet: Ergänzende Eingabe von L.P. an das Opferfürsorgereferat, Magistrat der Stadt Wien, mit der Darstellung der Schädigungen, die ihr durch die Haftzeiten erwachsen sind 4.3.1954 > DÖW 20.000/P154
M.PE.II/9: Nachruf auf M. P. in der Volksstimme vom 25.2.1973, S. 8 (hs von H. Exenberger)
M.PE.III: Werk / Veröffentlichungen:
Hedwig Zadinek. Roman einer Wiener Arbeiterin. Globus-Verlag, Wien 1947 >> Bibliothek Sammlung Exenberger
Proletarierurlaub. Essay. In: Der Naturfreund, 1926, S 189
Abend, Gedicht. In: Der Naturfreund, 32. Jg. 1928
Luxusarbeit. Gedicht. In: Arbeiter-Zeitung, 8.4.1928, S. 23
Brüder, wir kennen uns! Gedicht. In: Der Naturfreund, Heft 5/6,1929
„Die Leidtragenden“, sozialkritischer Roman, vom 24.1. bis 3.3.1931 in Fortsetzungen in der Arbeiter-Zeitung
M.PE.IV: Dokumentation:
Evelyne Polt-Heinzl: Thema Arbeitslosigkeit. Eine Untersuchung zum Feuilleton sozialdemokratischer Zeitungen und Zeitschriften 1927-1934. Dissertation, Wien 1986
Brigitte Lehmann: Die Schneiderin, die eine Schriftstellerin war. In: Zwischenwelt. Literatur / Widerstand / Exil. 30. Jg., Nr. 1, April 2013
Bei Fragen kontaktieren Sie bitte Alexander Emanuely (emanuely[a]theodorkramer.at)