Karl Schneller
(Pseudonym Hans Rudorff)
Karl Schneller stammte aus einer Offiziersfamilie. Er wurde am 19.4.1878 als Sohn von Arnold und Johanna Schneller in Wien geboren. Sein Vater, Feldmarschall-Leutnant, verfügte, dass Karl die Offizierslaufbahn einzuschlagen habe. Dies entsprach zwar nicht seinen Neigungen, aber er absolvierte ohne Schwierigkeiten die Militärrealschule und die Technische Militärakademie, und wurde 1898 als Artillerieleutnant ausgemustert. Nach dreijährigem Truppendienst und Absolvierung der Kriegsschule (1901-1903) diente er im Generalstab und und bei der Truppe.
Am 3.11.1909 heiratete er Maria Elisabeth Haselberger. Am 21.12.1910 wurde sein Sohn Otto geboren. Die Familie wohnte im 3. Bezirk, Untere Weißgärberstraße 43.
1914, kurz vor Kriegsausbruch, wurde er als Major vom Posten des Generalstabchefs des Infanterietruppendivisions- und Kriegshafenkommandos Castelnuovo in das Operationsbüro des Generalstabes berufen.
Militärwissenschaftliche Studien betrieb Schneller aus beruflichen Gründen, seine Neigung gehörte der Dichtkunst. Autodidaktisch eignete er sich perfekte italienische, englische und französische Sprachkenntnisse an, er lernte Griechisch und Latein, um die Schriftsteller der Antike im Original lesen und verstehen zu können. Später, während des Krieges an der italienischen Front und schließlich bei den Friedensverhandlungen in St. Germain machte ihn seine Sprachenkundigkeit zu einem gefragten Berater. In seinem Gedicht „Zerrissenheit“, das er nach Abschluss seiner militärischen Laufbahn schrieb, beschreibt er die eigene Zerrissenheit, die ihn als „denkendes Kind“ in einen Beruf zwang, der aus Befehlen und Gehorsam bestand. In seinem Beruf schaffte er es aber dennoch bis zum Generalstabsoffizier und zum General.
Karl Schneller wurde im Laufe des Jahres 1914 Leiter der italienischen Gruppe der Operationsabteilung des österreichisch-ungarischen Armeeoberkommandos. Im August 1917 wurde er zum Generalstabschef des 14. k.u.k. Armeekorps, „Edelweißkorps“, ernannt. Im Laufe des Krieges an verschiedenen Fronten eingesetzt, verstärkte das dort gesehene Grauen seinen Abscheu vor Krieg und Gewaltanwendung. 1919 nahm er als Militärexperte der österreichischen Delegation an den Verhandlungen zum Friedensvertrag in St. Germain teil. Seine Kriegserlebnisse und die Mission in St. Germain hielt er in seinem Kriegstagebuch fest. (Das Kriegstagebuch befindet sich im Kriegsarchiv Wien.) Zu Beginn des Krieges, als Major im Generalstabskorps Chef des Pressedienstes im k.u.k. Armeeoberkommando hatte der die amtlichen täglichen Kriegsberichte zu verfassen. Im August 1914 verwendete er dabei die später zum geflügelten Wort gewordene Phrase „Lemberg noch in unserem Besitz“ zur verschleiernden Ankündigung des Rückschlags an der russischen Front.
In der Ersten Republik war Schneller am Aufbau des neuen Bundesheeres beteiligt. Er leitete zwei wichtige Sektionen im Heeresministerium. Nachdem die Sozialdemokraten aus der Regierung ausgeschieden waren, setzten die Christlichsozialen alles daran, alle Machtpositionen im Staat zu besetzten. Theodor Körner, mit dem Karl Schneller eine enge Freundschaft verband, die bis in die Zeit vor dem Krieg zurückreichte, war bereits 1924 vorzeitig als General in den Ruhestand versetzt worden. Heeresminister Karl Vaugoin sorgte dafür, dass auch Karl Schneller, der der Sozialdemokratie nahe stand, vorzeitig pensioniert wurde. 1926 wurde er als Sektionschef im Rang eines Generals in Pension geschickt. Ende desselben Jahre wurde Karl Schneller Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, übernahm aber keine Funktionen. Er widmete sich der Literatur, veröffentlichte Gedichte in der sozialistischen Presse und hielt literarische Vorträge und Lesungen. 1933 schloss er sich der „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“ an.
Im Februar 1934 wurde Schneller verhaftet. Vermutlich, weil man annahm, er habe eine leitende Stellung im Republikanischen Schutzbund eingenommen. Er war allerdings niemals Mitglied dieses Verbandes. Dennoch wurde er am 1. März in das Landesgericht II eingeliefert und dann in das Anhaltelager Wöllersdorf „verbracht“, wo er bis zum September 1934 festgehalten wurde.
In Wöllersdorf gab es für die Gefangenen weder Bleistift noch Papier, also dichtete er in Gedanken und hielt die im Lager Wöllersdorf entstandenen Sonette nach seiner Entlassung schriftlich fest. 1978, anlässlich des 100sten Geburtstages von Karl Schneller gab Karl R. Stadler diesen Sonettenzyklus, eine Art Tagebuch einer Gefangenschaft, als Buch heraus („Karl Scheller. Gefangenschaft. Ein Buch Sonette.“ Hg. von Karl R. Stadler, Europaverlag, Wien 1978).
Bruno Kreisky schreibt in einem Essay über Theodor Körner, dass nirgendwo auf der Welt, außer in Österreich, hohe Offiziere zur Arbeiterbewegung gefunden haben. Dazu gehören die Generäle Karl Schneller und Theodor Körner. „Karl Schneller ist in Vergessenheit geraten. Er war ein feinsinniger Mensch, ein großer Pazifist und seine Gedichte gegen den Krieg und für den Sozialismus sind in vielen Zeitungen und Zeitschriften Österreichs und Deutschlands in der Zwischenkriegszeit veröffentlicht worden.“ („Werk und Widerhall. Große Gestalten des österreichischen Sozialismus.“ Hg. von Norbert Leser, Verlag der Wiener Volksbuchhandlung, Wien 1964, Seite ?)
Karl Schneller starb am 24. April 1942 an den Folgen eines Motorradunfalls.
K.SC.I: Dokumente:
K.SC.I/1: „Eine Kundgebung des geistigen Wien. Ein Zeugnis für die geistigen und kulturellen Leistungen der Wiener Gemeinde.“ Unterzeichnet u.a. von Sigmund Freud, Robert Musil, Franz Werfel und Karl Schneller. In: Arbeiter-Zeitung, 20.4.1927. Der Aufruf des „geistigen Wien“ zu den Wahlen am 24.4.1927. Nachgeduckt in: Heute. Zeitschrift für Politik, Wirtschaft, Kultur, Nr.4, 12.4.1979, 2
K.SC:I/2: Ankündigung: „Sozialistischer Kunstabend“ am 16.11.1931, 8. Josefstädterstraße 39. Vortragender General Schneller: „Aus eigenen Werken.“ In: Der Menschheitskämpfer. Halbmonatsschrift der Religiösen Sozialisten (Österreichs), Nr. 20, 20.10.1931, 6. Kopie
K.SC.I/3: Einladung der Wiener Theatergilde, Gruppe für Literatur: zu einem „Autorenabend: Karl Schneller liest aus seinem Dramen ‚Ahasver’ und ‚Thermidor’“. Am 10.12.1932 im Bamberger-Saal, 5. Schönbrunnerstraße 26. Kopie. Einladung des Deutschen Schriftstellerverbandes – Landesgruppe Österreich zu einem „Vortragsabend. In memoriam Karl Erasmus Kleinert“. Am 6.3.1933, im Saal des Staatsbeamten-Kasinos, 1. Nibelungengasse 3. U.a. mit der Lesung eigener Dichtungen von Karl Schneller.
K.SC.I/4: Ankündigung des Sängerbundes der Blinden: „VII. Konzert. Leitung von Karl Niedermann“. Am 3.5.1933, im Kleinen Musikvereinssaal. Chöre: u.a. das Gedicht „Specht am Werk“ von K.S., vertont von Carl Frühling. 1 Bl., Kopie
Lied an eine Seerose ???
K.SC.I/5: „Gesprochener Funk.“ Besprechung der Sendung „Lyrik der Gegenwart“, in der u.a. Gedichte von K.S. vorgetragen wurden. In: Arbeiter-Zeitung, 4.12.1933, 5
K.SC.I/6: „Sozialistische Dichtung heute.“ In: Arbeiter-Zeitung, 13.12.1933, 7. Bericht über einen „Arbeiterdichterabend“ mit Lesungen von Willi Miksch, Adolf Unger, Klara Blum und Karl Schneller am 8.12.1933 im Volkshaus Neubau, Zieglergasse 9
K.SC.I/7: Einladung des Deutschen Schriftstellerverbandes, Landesgruppe Österreich, zu einem Vortragsabend u.a. mit einer Lesung von Karl Schneller aus eigenen Werken. Am 8.1.1934 im Saal der Staatsbeamten-Kasinos, 1. Nibelungengasse 3. Kopie
K.SC.I/8: Vernehmungsprotokoll der Bundespolizeidirektion Wien, Sicherheitsbüro. Aufgenommen mit Karl Schneller am 24.2.1934, 3 Bl., Kopie [Blatt2][Blatt3]
K.SC.I/9: „Enthaftungen und Verhaftungen.“ In: Arbeiter-Zeitung, 29.9.1934, 5. Information, dass General Karl Schneller nach sieben Monaten Haft aus Wöllerdorf entlassen wurde.
K.SC.II: Biographische Beiträge:
K.SC.II/1: Peter Lhotzky: „Karl Schneller 19.4.1878 – 24.41.942“. Kurzbiographie, o.J., 1 Bl. [Blatt2]
K.SC.II/2: Alfred Magaziner: „Karl Schneller: General und Kriegsgegner“. In: Rentner und Pensionist, November 1980, 17
K.SC.II/3: Prof. Alfred Magaziner: „Der General, der kein Soldat werden wollte“. In: Rentner und Pensionist, November 1989, 15
K.SC.III: Werk / Veröffentlichungen:
In der Bibliothek Sammlung Exenberger:
Gedichte. L. Staackmann Verlag, Leipzig 1920
Im ewigen Strom. Gedichte. Europäischer Verlag, Wien – Leipzig 1936
Karl R. Stadler (Hg.): Karl Schneller. Gefangenschaft. Ein Buch Sonette. Veröffentlichung des Ludwig Bolzmann Instituts für Geschichte der Arbeiterbewegung. Mit einer Einleitung von Franz Taucher und einem Schlusswort von Karl R. Stadler. Foto von Karl Schneller. Europaverlag, Wien, München, Zürich 1978. Anm.: die Sonette sind 1934 im Anhaltelager Wöllersdorf entstanden.
Augenblicke, nicht verweht. Gedichte. Edition Roetzer, Eisenstadt 1980
Der Menschheit Fluch. Gedichte wider den Ungeist des Krieges. Edition Roetzer, Eisenstadt 1981
Ahasver. Dramatisches Gedicht in einem Vorspiel und vier Aufzügen. Edition Roetzer, Eisenstadt 1982
Gesänge um den Tod, das Leben und die Liebe. Edition Roetzer, Eisenstadt-Wien 1983
Thermidor. Der Untergang Robespierres. Ein Prolog und neun Bilder. Edition Roetzer, Eisenstadt-Wien 1984
K.SC.III/1: Lied der Republik. (Gedicht.) In: Der Schutzbund. Monatsschrift des Republikanischen Schutzbundes, Nr. 3, Wien, März 1928, Kopie
K.SC.III/2: Lied der Republik. (Gedicht.) In: Arbeiter-Zeitung, 13.3.1928. Verfasst anlässlich der 80-Jahrfeier der Märzrevolution des Jahres 1848, vertont von Prof Julius Wachsmann.
K.SC.III/3: Staatfeiertag. (Gedicht.) In: Jugendrotkreuzheft November 1930, 2
K.SC.III/4: Drei Pfeile. (Gedicht.) Verfasst für den sozialdemokratischen Parteitag 1932. Flugblatt, Kopie
K.SC.III/5: Wie es wirklich war. Als Altösterreich zusammenbrach. In: Arbeiter-Zeitung, 28.8.1932, 3
K.SC.III/6: Feierabend. (Gedicht.) In: Neues Wiener Tagblatt, 26.4.1936, 23
K.SC.III/7: In großer Zeit. (Gedicht.) In: Neue Freie Presse, Wien, 10.7.1938, 25
K.SC.III/8: Macht des Stromes. Die Nebel hängen tief ins Tal… (Gedichte) In: Kleine Volkszeitung, 6.11.1938, Sonntags-Beilage, 179, 180
K.SC.III/9: Tod des Helden. (Gedicht.) In: Neues Wiener Tagblatt, 26.5.1940, 9
K.SC.III/10: Reichtum. (Gedicht.) In: Arbeiter-Zeitung, Journal 14.10.1978, 10
K.SC.IV: Literatur / Quellen:
Gaby Bischof-Németh: General Karl Schneller. Offizier aus Pflichtgefühl – Dichter aus Leidenschaft. Zum Leben des Generals im Kontext seines Schrifttums. Diplomarbeit, Wien 2005
Gaby Bischof-Németh: General Karl Schneller. Offizier aus Pflichtgefühl – Dichter aus Leidenschaft. Carl Gerold’s Sohn Verlag, Wien 2012
Bestand im DÖW: Karl Schneller
6017: Akt des Bundeskanzleramtes, 16.12., 23.12.1935
5742: am 1.2.1934 in das Landesgericht II eingeliefert
5982, 5710: Verzeichnis der politischen Häftlinge 1934
UE-HIST - Übung zum Praxisfeld Historische Kommunikationsforschung „Antifaschistische PublizistInnen der Ersten Republik: die Vereinigung Sozialistischer Schriftsteller“
Judith Rosenkranz: Karl Schneller
Bei Fragen kontaktieren Sie bitte Alexander Emanuely (emanuely[a]theodorkramer.at)