Jakob Haringer
Eigentlich: Johann Franz Albert H. Ps.: Hans H., Jan Jakob H., Lukas Nell, Robert Ibius.
Exil: 1938 ČSR, dann Schweiz.
Vater: Johann Baptist H. (1860 ─ 1941), Bücherreisender, Kellner, Gastwirt. Mutter: Franziska Albert (1874 ─ 1946), Ladnerin. - Schulbesuch (zuletzt Realschule) in Traunstein (Bayern), Salzburg und Ansbach (Bayern). 16jährig verließ J.H. ohne Abgangszeugnis die Schule. Beginn einer kaufmännischen Lehre in einer Salzburger Feinkosthandlung; ab 1915 unstetes Wanderleben. 1917 zum deutschen Militär eingezogen; nach längerer Krankheit schließlich 1918 wegen Untauglichkeit aus dem Militärdienst entlassen; Bezieher einer geringfügigen Kriegsinvalidenrente. Lebte in München und wurde bei der Niederschlagung der Münchner Räterepublik kurzzeitig arrestiert. Ab 1920 Veröffentlichungen in expressionistischen Zeitschriften. Wieder Wanderleben; Schnorrer. Ab 1926 wegen eines Teppichschmuggels polizeilich verfolgt. 1929 Teilnahme am Internationalen Vagabundenkongreß in Stuttgart-Degerloch. Lebte in Wien, Berlin und vor allem in der Umgebung von Salzburg. Wiederholte psychiatrische Zwangsinternierung. Übers. François Villon. Gefördert von Hermann Hesse und Alfred Döblin. Verbindung zum Paul Zsolnay-Verlag u.a. durch Empfehlung von → F. Werfel und → A. Mahler-Werfel hergestellt. Freundschaft mit dem kommunistischen Schriftsteller Paul Heinzelmann. 1930 Gedichte in der von Friedrich Sacher hg. "Anthologie junger Lyrik aus Ö." Ab 1931 in Ebenau bei Salzburg. 1931-33 Zusammenleben mit der Schauspielerin Hertha Grigat; zwei Kinder aus dieser Verbindung. 1935 sollte J.H. aus Salzburg "abgeschaffft" werden; nach Intervention → C. Zuckmayers, Edwin Rollets u.a. wurde die "Abschaffung" offenbar ausgesetzt. Im Juli 1936 aus dem Deutschen Reich ausgebürgert. März 1938 Flucht aus Ebenau nach Prag, dann über Straßburg (Frankr.) in die Schweiz. 1939 Vorübergehender Aufenthalt in Paris. Ende 1939 illegal in Zürich. 1939 mit "sämtlichen Schriften" auf der "Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums" der RSK. Trotz Befürwortungen durch Albert Einstein und Heinrich Mann erhielt J.H. keine Unterstützung durch AG. Im Oktober 1940 ins Arbeitslager Dietisberg (Baselland) eingewiesen, flüchtete er im Jänner 1941 nach Zürich, wurde im Februar gefaßt und im Internierungslager des Gefängnisses Bellechasse bei Murten in Haft gehalten. Im August neuerliche Flucht. Jänner bis Juni 1942 Aufenthalt in der Nervenklinik Schlößli in Oetwil bei Zürich, danach im Interniertenheim "Les Aroles" in Leysin, im Jänner 1943 im Arbeitslager Brissago (Tessin), dann "Privat-Internierter" in Burgdorf und Bern. Veröffentlichungen in den Zeitschriften "Alte und neue Welt" (Einsiedeln) und "Der Aufstieg" (Bern). Betreut durch den Kreuzritter-Dienst, Bern, der ihm einen Erholungsaufenthalt in den Tessiner Bergen ermöglichte. Mitverfasser der Anthologie "Gesang auf dem Wege" (1945). Seit Frühjahr 1946 Aufenthalt in Köniz bei Bern. Gedichte in "Das silberboot" (Salzburg). 1947 gab er die "Fragmente zur Lebenskunst" des Epikur heraus (Zürich: Werner Classen-Verlag). J.H. starb bei einem Besuch in Zürich. - NL: Schweizerisches Literaturarchiv, Bern; Sammlungen in: Schweizerische Landesbibliothek; DÖW, Salzburger Literaturarchiv, DSt, DLA, Akademie der Künste zu Berlin, Brenner-Archiv (Innsbruck); Briefe u.a. in den NLs von H. Hesse und Rainer Maria Rilke.
Werke (Auswahl)
Die Dichtungen. Potsdam: G. Kiepenheuer 1925. 241S. (Bd.1).
Heimweh. (Gedichte.) Wien: P. Zsolnay 1928. 206S.
Abschied. (Gedichte.) Berlin: P. Zsolnay 1930. 124S. ÖNB 578.648-B
Der Reisende oder Die Träne. Ebenau: Grigat 1932. 67S. (Die Denkmäler. 48-51. - Fiktiver Verlag, fiktive Werkausgabe). ÖNB 636.595-C.48-51
Andenken. Amsterdam: Christof Brundel 1934. 83S. ÖNB 293.642-B (Fiktiver Verlag und Erscheinungsort, in Wirklichkeit Selbstverlag in Ebenau).
Mein Leben. Wien: Selbstverlag o.J. (um 1934). 1Bl. (MS). ÖNB 637.182-C
Vermischte Schriften. Salzburg, Leipzig: Anton Pustet 1935. 255S. DBF ÖNB 643.888-B
Das Fenster. (Gedichte.) Zürich: Pegasus 1946. 159S. UB I 573.428
Der Orgelspieler. (Gedichte.) Fürstenfeldbruck: Steinklopfer 1955. 17S. (Neuausgabe mit einem Aufsatz von P. Heinzelmann: J.H. in memoriam. Egnach: Steinklopfer 21963. 34S., 8Bl.)
Das Rosengrab. (Gedichte.) Ausgewählt von Vino Schwertl. Fürstenfeldbruck 1960. 27S. (Neuausgabe: Egnach: Steinklopfer 1963).
Lieder eines Lumpen. Aus dem Gebetbuch des armen J.H. Einleitung Peter Härtling. Zürich: Werner Classen 1963. 125S.
Der Hirt im Mond. (Gedichte.) Hg. von Theodor Sapper. Graz: Stiasny 1965. 128S. (Das österr. Wort. 135).
Das Schnarchen Gottes und andere Gedichte. Hg. von Jürgen Serke. München, Wien: Hanser 1979. 124S.
In die Dämmerung gesungen. Ausgewählte Gedichte. Hg. und mit einem Nachwort von Wulf Kirsten. Berlin, Weimar: Aufbau 1982. 188S.
Leichenhaus der Literatur oder Über Goethe. Hg. und eingeleitet von Hansjörg Viesel. Berlin: Karin Kramer 1983. 32S. (Lager-Schaden. 1. - Zuerst 1929 in der von J.H. hg. Zeitschrift "Die Einsiedelei. Ein Stundenblatt").
J.H. 1898 - 1948. Prosa und Gedichte. Hg. von Kurt Faecher. Wien: Gratis und Franko 1983, 1986. 32, 47 S. (Noch mehr...) ÖNB 1,225.511-C.Neu-Per.
Aber des Herzens verbrannte Mühle tröstet ein Vers. Ausgewählte Lyrik, Prosa und Briefe. Hg. von Hildemar Holl. Nachwort W. Kirsten. Salzburg: Residenz 1988. 206S. UB I 1,090.673 ÖNB 1,280.337-B (Mit Literaturangaben und Werkverzeichnis, S.197-200).
Leichenhaus der Literatur. (Aufsätze.) Hg. und mit einem Nachwort von Christoph Krahl. Siegen: Universität-Gesamthochschule 1997. 37.S.
Sekundärliteratur
Killy: Literaturlexikon 5, 18f. Handbuch der deutschsprachigen Emigration II, 459. Handbuch der Nachlässe (1995), 136. Walter Dettwiler (Hg.): J.H. Materialien 1-20 (Köniz).
Werner Amstad: J.H. Leben und Werk. Diss. Freiburg 1966.
J. Serke: Die verbrannten Dichter. Weinheim 1977, 144-159.
C. Zuckmayer in Sachen J.H. In: Literatur und Kritik (Salzburg), Nr. 261/262 (Februar 1992), 71f.
M.G. Hall: Der Paul Zsolnay Verlag. Tübingen 1994, 234-236.
Hildemar Holl/Britta Steinwendtner: J.H. In: MdZ 16 (1999) 2, 40-44.
Bei Fragen kontaktieren Sie bitte Alexander Emanuely (emanuely[a]theodorkramer.at)