Dr. Ernst Waldinger
Ernst Waldinger war der Sohn des aus Galizien zugewanderten Salomon (Schlomo) Waldinger, Schuhhändler und Schuherzeuger, und seiner Frau Anna (Channa), geb. Spinath. Ernst Waldingers Geburtshaus befand sich in der Neulerchenfeldergasse 5, im Arbeiterbezirk Ottakring. Er hattte drei Geschwister, Schwester Dinah, 1898 geb., sein Bruder Theodor kam 1903 zur Welt und sein Bruder Alfred 1905. Die Schuhwerkstatt und das Geschäft seines Vaters befand sich in der Neulerchenfelderstraße 2, dem „Adlerhof“.
Ernst Waldinger besuchte die Volksschule in der Josefstädterstraße, die Talmud Thora Schule in der Hubergasse, später in der Leopoldstadt. Das Gymnasium besuchte er in Wien-Hernals, nach der Matura meldete er sich mit seiner gesamten Schulklasse freiwillig zum Militärdienst, obwohl er Kriegsgegner war. Als Offizier im heutigen Rumänien wurde er durch einen Granatsplitter schwer verletzt. Er verlor vorübergehend sein Sprechvermögen, was er durch das Rezitieren von Gedichten zu bekämpfen versuchte.
Ab 1917 studierte Ernst Waldinger Germanistik und Kunstgeschichte an der Wiener Universität, 1921 promovierte er mit der Dissertation „Heinrich Leuthold und die Kunst der strengen Form“. Von 1922 bis 1938 war er Angestellter beim „Allgemeinen Tarifanzeiger“, der Alexander Freud, dem Bruder Sigmund Freuds gehörte. 1923 heiratete er Beatrice (Rosa) Winternitz, eine Nichte von Sigmund Freud. Sie bezogen eine Wohnung in der Vegagasse in Döbling, später übersiedelten sie in die Anastasius-Grüngasse in Währing. Sie hatten zwei Kinder Hermann Valentin, geb. 1923 und Ruth, geb. 1926.
Bereits als Jugendlicher hattte Ernst Waldinger Gedichte geschrieben. Erste Veröffentlichungen in den Zeitungen Bohemia (Prag), Prager Tagblatt und den Zeitschriften Das Zelt und Die Wage. Ab 1929 veröffentlichte er zahlreiche Gedichte, auch Essays und Rezensionen u.a. in der Arbeiter-Zeitung und übersetzte Lyrik aus dem Englischen, dem Ungarischen und dem Französischen. 1933 gehörte er zu den Mitbegründern der „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“. 1934 erschien seine erste Buchveröffentlichung „Die Kuppel“. Im selben Jahr erhielt er, gemeinsam mit Hilde Spiel, Ludo Gerwald und Adolf Ungar, den Julius Reich-Preis.
Im März 1938, als die Nazis in Österreich einmarschierten, befand sich Ernst Waldinger fast vollständig gelähmt wegen eines Rückenmarktumors in der Heilanstalt Rosenhügel. Als jüdischer Patient wurde er aus der Anstalt verwiesen. Da er vor den Nazis versteckt werden musste, wurde er nur notdürftig behandelt. Seine Frau verbrannte aus Angst viele seiner Schriften.
Dank der amerikanischen Staatsbürgerschaft von Beatrice konnten die Waldingers Ende August 1938 ausreisen. Über Paris fuhren sie nach London, um die Familie Freud zu besuchen, im September 1938 kamen sie in New York an. Hier musste sich Waldinger zunächst mit verschiedenen Jobs über Wasser halten. 1939 wurde er Mitarbeiter der Austro American Tribune, deren Kulturredakteurin Elisabeth Freundlich war. 1944 gehörte er zu den Mitbegründern des Aurora Verlags.
Nach 1945 nahm Ernst Waldinger rasch wieder Kontakte nach Österreich auf. Das Angebot, nach Österreich zurückzukehren, nahmen die Waldingers allerdings nicht an, da Beatrice Waldinger, deren Mutter im KZ ermordet worden war, dies nicht wünschte. Ernst Waldinger veröffentlichte in einer Reihe von deutschsprachigen Zeitschriften, wie Plan, das silberboot, Der Turm, Österreichisches Tagebuch, Wort in der Zeit und Wiener Bücher Briefe. Von 1947 bis 1965 lehrte Ernst Waldinger deutsche Sprache und Literatur am Skidmore College in Saratoga Springs im Staat New York. Nach seiner Pensionierung lebte das Ehepaar Waldinger wieder in New York City. 1958 erhielt Ernst Waldinger den Theodor Körner-Preis, 1960 den Preis der Stadt Wien und 1966 die Goldene Ehrenmedaille der Stadt Wien.
Während seiner dritten Österreich-Reise erlitt Ernst Waldinger in Schruns einen Schlaganfall. Infolge der Aufregung starb seine Frau an einem Herzinfakt. Ernst Waldinger wurde nach New York zurückgebracht, wo er, gelähmt, bis zu seinem Tod in Spitalspflege war.
E.WA.I: Fotos:
E.WA.I/1:E.W. mit Elfi Leifhelm am Grundlsee, 1958
E.WA.I/2: Haus der Familie Trieb am Grundlsee, wo E.W. 1958 wohnte
E.WA.II: Dokumente:
E.WA.II/1: Ankündigung einer Lesung von EW „Aus eigenen Werken“in der Volkshochschule Leopoldstadt. In: Arbeiter-Zeitung, 12.1.1934
E.WA.II/2: Ankündigung einer Lesung der Träger/innen des Julius-Reich-Preises 1933: Hilde Spiel, Ludo Gerwald, Adolf Unger, Ernst Waldinger. In: Arbeiter-Zeitung10.2.1934
E.WA.II/3:Heinrich Steinitz: Einführende Worte zum ersten Autorenabend (EW) in der Buchhandlung „Bukum“. Manuskript, 7 Bl., Kopie >> DÖW 19.734, Sammlung Heinrich Steinitz
E.WA.II/4: Verzeichnis über das Vermögen von Juden nach dem Stand vom 27. April 1938 des Dr. EW3.7.1938. Nr. 3570, 4 Bl., Kopie
E.WA.II/5: Unterlagen zur Kündigung der Wohnung „des Juden Dr. Waldinger“ im 18. Bezirk, Anastasius Grüngasse 8. Mai bis Juli 1938
E.WA.II/6: Geheime Staatspolizei an die Abwicklungsstelle, 8.1.1942, 1 Bl., Kopie
E.WA.II/7: „Ernst Waldinger“. In. Zeitspiegel, Nr. 26, 24.7.1943, 7
E.WA.II/8: Kurzes Interview von Peter M. Lindt mit EW. In: Schriftsteller im Exil. Zwei Jahre deutsche literarische Sendung am Rundfunk in New York. Willard Publishing Company, New York 1944, 25f
E.WA.II/9: „Ernst Waldinger – Zum fünfzigsten Geburtstag.“ In: Austro American Tribune. Beilage für Kunst, Literatur, Politik und Wirtschaft. 5. Jg., Nr. 4, November 1946
E.WA.II/10: „Blumen aus Österreich. Zum 65. Geburtstag von Ernst Waldinger“. In: Der Freiheitskämpfer, Nr. 9/10, Sept./Okt. 1961
E.WA.II/11: Dr. Robert Braun: „Exil und Heimat. Die Dichter Karl Wolfskehl und Ernst Waldinger“. Sendung des Studio Wien am 10.9.1963. Manuskript, 12 Bl.
E.WA.II/12: „Österreichische Gelehrte im Ausland“. Ernst Waldinger, Saratoga Springs, N.Y.. Autobiographischer Text von EW. In: Österreichische Hochschulzeitung, 15.10.1964
E.WA.II/13: „Ernst Waldingers Dichtung.“ In: Die Gemeinde, Nr. 104/105, 7.9.1966/14
E.WA.II/14: Todesanzeigen, Nachrufe von EW in: Volksstimme, 4.2. 1970, 7, Wiener Zeitung, 4.2., Volksblatt, 5.2., 7, Die Gemeinde, Weitere Todesanzeigen und Nachrufe In: Arbeiter-Zeitung, 4.2.1970, 8, 6.2.1979, 12, Die Presse, 4.2., Neuer Kurier, 4.2, 9, rathaus-korrespondenz, blatt 2933, 14.10.1971
E.WA.III: Korrespondenz:
E.WA.III/1: EW an Robert Breuer, 13.7.1943
E.WA.III/2: EW an Elfi Leifhelm, 4.11.1958
E.WA.III/3: Briefwechsel zwischen E.W. und Viktor Matejka, sowie Korrespondenzen von Viktor Matejka in Angelegenheiten von E.W. 1946 – 1966 (49 Briefe). (Anm.: Dieser Briefwechsel ist ein Geschenk von Viktor Matejaka an Herbert Exenberger)
E.WA.IV: Werk / Veröffentlichungen:
In der Bibliothek Sammlung Exenberger:
Die Kuppel. Gedichte. Saturn-Verlag, Wien 1934
Der Gemmenschneider. Gedichte. Saturn-Verlag, Wien 1937
Die kühlen Bauernstuben. Gedichte. Verlag A. Sexl, Wien 1946
Glück und Geduld. Gedichte. Frederick Ungar publishing co, New York 1952
Gesang vor dem Abgrund. Stiasny Verlag, Graz und Wien 1961
Ich kann mit meinem Menschenbruder sprechen. Gedichte. Berglandverlag, Wien 1965
Ernst Waldinger: Noch vor dem jüngsten Tag. Ausgewählte Gedichte und Essays. Hg. und mit einem Nachwort von Karl-Markus Gauß. Mit einer Einleitung von Theodor Waldinger: Mein Bruder Ernst Waldinger. Skizze seines Lebens. Otto Müller Verlag, Salzburg 1990.
Eine ausführliche Bibliographie seiner Werke in: John M. Spalek: Ernst Waldinger (1896-1970). In John M. Spalek, u.a. (Hg.): Deutschsprachige Literatur seit 1933. Band 4: Bibliographien. Schriftsteller, Publizisten und Literaturwissenschaftler in den USA. K.G. Sauer Verlag, Bern, München 1994
E.WA.V: Dokumentation / Literatur:
Ernst Schönwiese: Literatur in Wien zwischen 1930 und 1980. Amalthea-Verla, Wien, München 1980, 103-110
Johann Holzner: Das Verschwinden der Aurora: die Lyrik Ernst Waldingers und ihre Rezeption in Österreich. 203-213. In: Helmut E. Pfanner (Hg.): Kulturelle Wechselbeziehungen im Exil. Bouvier Verlag Herbert Grundmann, Bonn 1986
Harry Zohn: „ ... ich bin ein Sohn der deutschen Sprache nur ... „ Jüdisches Erbe in der österreichischen Literatur. Verlag Amalthea, Wien, München 1986, 151-163
Hans J. Schütz: Manhattan ... und österreichische Bauernstuben. Ernst Waldinger. In: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, 1/5.1.1988, 36-39
Hans J. Schütz: Waldinger Ernst. In: Hans J. Schütz: „Ein deutscher Dichter bin ich einst gewesen“. Vergessene und verkannte Autoren des 20. Jahrhunderts. Verlag C.H.Beck, München 1988
Robert Kauf: Ernst Waldinger. In: John. M. Spalek, Joseph Strelka (Hg.): Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933. Band 2: New York. Francke Verlag, Bern 1989. 985-996
Karl-Markus Gauß: Ernst Waldinger. Notizen zur Arbeit an einer Werkausgabe. In: Mit der Ziehharmonika. Zeitschrift der Theodor Kramer Gesellschaft. 7. Jg., Nr. 1, März 1990
Hohann Holzner: Ernst Waldinger, ein Vergessener. In: Mit der Ziehharmonika. Zeitschrift der Theodor Kramer Gesellschaft. 7. Jg., Nr. 4, Dezember 1990, 14
Gerhard Moser: „Ich bin ein Sohn der deutschen Sprache nur“. Werkauswahl des Dichters Ernst Waldinger. In: Die Presse, 15./16. 12. 1990
Francesco Campagner: „Heimatdichter“ im Exil. Zu einem Sammelband des Lyrikers Ernst Waldinger. In: Wiener Zeitung, Lesezirkel, Literaturmagazin, 6. Jg., Nr. 49, 1990
Will Schaber: Waldingers Botschaft. Ein Sammelband über den großen Lyriker. In: Aufbau. New York. Nr. 13, 21.6.1991, Vol. LVII
Hermann Hakel: Dürre Äste. Welkes Gras. Die Autoren des Jahrbuches 1935. Lynkeus Verlag, Wien 1991
John M. Spalek: Ernst Waldinger (1896-1970). In John M. Spalek, u.a. (Hg.): Deutschsprachige Literatur seit 1933. Band 4: Bibliographien. Schriftsteller, Publizisten und Literaturwissenschaftler in den USA. K.G. Sauer Verlag, Bern, München 1994
Harry Zohn: The autro-american jewisch poet Ernst Waldinger. In: Harry Zohn: Austriaca and Judaica. Essays and Translations. Verlag Peter Lang, New York, u.a. 1995
Gerhard Frisch: Porträt Ernst Waldinger. In: Die Gemeinde. Offizielles Organ der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Nr. 481, März 1998
Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser: Lexikon der österreichischen Exilliteratur, Wien-München 2000
Christian Teissl: Ein „Heimatdichter“ im Exil – Ernst Waldinger. In: Exil. Forschung. Forschung, Erkenntnisse, Ergebnisse. 21. Jg. Frankfurt am Main 2001
Bei Fragen kontaktieren Sie bitte Alexander Emanuely (emanuely[a]theodorkramer.at)