Wir trauern um Rudolf Gelbard, der am 24. Oktober 2018 nach langem schweren Leiden verstorben ist. Rudi, einer der wenigen jugendlichen Überlebenden des KZ Theresienstadt, war Zeitzeuge par excellence. Er verband das Gedächtnis für die Verfolgten mit einem wachen politischen Bewußtsein, kapselte das einst Geschehene nie von den Fragen der Gegenwart ab. Ein streitbares Erinnern war seine Sache: Erinnern hieß bei ihm, Partei zu ergreifen für soziale Gerechtigkeit, für Menschenrechte von Flüchtlingen und gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. Historiker aufgrund eines stets fortgesetzten Selbststudiums, wußte er auch um die Nachkriegsgeschichten der meisten europäischen Länder genau Bescheid. Obwohl er zwischen Nationalsozialismus und Stalinismus zu unterscheiden wußte, war seine Kritik stalinistischer Verfolgungspraktiken und Instrumentalisierungen des Antisemitismus unerbittlich.
Rudolf Gelbard übte verschiedene Brotberufe aus, zuletzt den ihm wohl gemäßesten als Redakteur der Tageszeitung Kurier. Beeindruckend war die Fülle seiner nicht beruflichen Aktivitäten - als Mitglied des Bundesvorstands der Sozialdemokratischen FreiheitskämpferInnen und der Kulturkommission der Israelitischen Kultusgemeinde, Mitbegründer des Republikanischen Clubs - Neues Österreich, Zeitzeuge an zahllosen Schulen, Mitarbeiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands... Rudolf Gelbard debattierte für sein Leben gern und war ein unermüdlicher Demonstrant. Auch das, das Demonstrieren, gehört zu seinen wesentlichen Arbeiten. Er wird uns fehlen und zugleich gegenwärtig bleiben.