Theodor Kramer Gesellschaft / Theodor Kramer Society
Die Theodor Kramer Gesellschaft betreibt das Erinnern, das heißt, sie zwingt unsere Augen in eine bestimmte Blickrichtung. Wenn sie erwartungsfroh in die Zukunft schauen wollen, dann werden sie erst einmal in den Dienst des Vergangenen gestellt, weil die Zukunft anders nicht zu bekommen ist. Zukunft gibt es nicht mit Preisnachlaß und gratis schon gar nicht. Das Unterlassen, das Ausruhen und das Abstandnehmen wie das Abstandhalten können den Augen nicht gestattet werden.
Elfriede Jelinek (Nobelpreisträgerin)The Theodor Kramer Society is engaged in remembrance, that is, it forces our eyes to look in a certain direction. If our eyes want to look optimistically into the future, they first must serve the past, because that is the only way to receive the future. The future doesn’t come with a discount, and it certainly doesn’t come for free. We may not allow our eyes to look away, rest, take or keep their distance.
Elfriede Jelinek (Nobel Prize Winner)
Geschichte / History
(english)
Die Theodor Kramer Gesellschaft, gegründet 1984, ist eine kulturelle Vereinigung von Menschen, die die Ignoranz und das Unverständnis für die Literatur und Kultur des Exils durch ihre Arbeit zu überwinden sucht. Die Theodor Kramer Gesellschaft gibt daher die Vierteljahrsschrift „Zwischenwelt" (seit 1984) und das gleichnamige Jahrbuch (seit 1990) heraus. Der Verlag entstand 1995 aus der Notwendigkeit, aus Österreich vertriebenen Autorinnen und Autoren eine Möglichkeit zur Publikation ihrer Werke zu bieten. Kulturpolitisch strebt der Verlag eine reale, an konkreten Personen und Werken entfaltete Rezeption der Kultur und Literatur des Exils an. Es genügt nicht, die Ausblendung des Exils aus der Geschichte und Kultur Österreichs diffus als Verdrängung zu beklagen. Mit jeder Publikation des Verlags wird dem Antisemitismus, dem Fremdenhass, der Geschichtsverleugnung und dem Vergessen entgegengetreten.
Am 6. März 1984 wurde die Theodor Kramer Gesellschaft gegründet, um Leben und Werk Theodor Kramers zu erforschen und zur Verbreitung der Literatur des Exils und des Widerstandes beizutragen. Erster Vorsitzender war der Nachlassverwalter Kramers, Erwin Chvojka. Dem Kuratorium der Gesellschaft gehörten u.a. Erich Fried, Bruno Kreisky und Hilde Spiel an. Diesem Ereignis waren 1983 eine Theodor Kramer-Ausstellung im DÖW und ein "Aufruf zur Gründung einer Theodor Kramer-Gesellschaft"[1] voran gegangen.
Die erste Nummer der Zeitschrift Mit der Ziehharmonika, heute Zwischenwelt. Zeitschrift für Kultur des Exils und des Widerstands, die sich inzwischen zu einem international anerkannten wissenschaftlichen Forum der Exilliteratur entwickelt hat, erschien im Mai 1984.
1987 erweiterte sich der Interessensbereich der Gesellschaft in Richtung stärkerer Berücksichtigung der gesamten österreichischen Exilliteratur. Seit 1990 gibt die Theodor Kramer Gesellschaft das Jahrbuch Zwischenwelt heraus.Der Verlag entstand 1995 aus der Notwendigkeit, aus Österreich vertriebenen Autorinnen und Autoren eine Möglichkeit zur Publikation ihrer Werke zu bieten. Wichtig ist uns auch der kritische Blick, den Exilierte oder aus dem Exil Zurückgekehrte auf das Land ihrer Herkunft werfen: Sich mit den Augen anderer und besonders derer sehen zu lernen, die mit Österreich traumatische Erfahrungen verbinden, ist angesichts der offenen Fragen unserer Zeit eine große Aufgabe.
Die Gesellschaft hat bisher eine Reihe wissenschaftlicher Symposien und viele kulturelle Veranstaltungen abgehalten, wie z.B. 2001 Zur Rezeption des Exils in Österreich oder in Salzburg Jiddische Kultur und Literatur aus Österreich, 2005 und 2006 Gespräche über die Rückkehr oder 2009 Subjekt des Erinnerns in Wien und 2010 das Kolloquium Grundprobleme der österreichischen Exilliteratur, ebenfalls in Wien. 2013 fand das Symposium Internationalität des Exils, 2014 die internationale Tagung Zerstörung der Arbeiterkultur durch Faschismus und Nationalsozialismus und 2017 die internationale TagungAutobiographik von Exil, Widerstand, Verfolgung und Lagererfahrungen statt.
2001 wurde von uns erstmals der Theodor Kramer Preis für Schreiben im Widerstand und Exil an Stella Rotenberg verliehen, 2021 ging der Preis an Eva Geber und Richard Schuberth.
Den derzeit 500 Mitgliedern der Gesellschaft aus Österreich, Deutschland, Schweiz, Frankreich, Israel, Italien, den USA, aus Südamerika und Asien stehen ein Archiv und eine umfangreiche Buch- und Zeitschriften-Bibliothek zur Verfügung. Es ist uns gelungen mit exilierten SchriftstellerInnen und KünstlerInnen nicht nur in Kontakt zu treten sondern auch intensiv zusammen zu arbeiten. Unter unseren Mitgliedern sind, bzw. waren, viele Exilierte, WiderstandskämpferInnen und Überlebende der nationalsozialistischen Konzentrationslager.
The aim of the Theodor Kramer Society, founded in 1984, is to increase the awareness and understanding of the literature and culture of persons in exile. To this end, the Theodor Kramer Society began publishing the quarterly journal Zwischenwelt in 1984, as well as a yearbook by the same name in 1990. Moreover, in 1995 the Society established a publishing house to give exiled Austrian authors a platform for their works to appear. It is too little to vaguely deplore the fact that the literature of Austrian exiled authors has been erased from the country’s history and culture. The publications of the Theodor Kramer Society enable the tangible reception of the culture and literature of exile through concrete people and their works. Every publication appearing through the efforts of the Theodor Kramer Society is another step in the fight against anti-Semitism, xenophobia, the denial of history and forgetting.
Theodor Kramer Gesellschaft (Theodor Kramer Society) was established on March 6, 1984 to study the work and life of Theodor Kramer as well as to contribute to the dissemination of Exile and Resistance Literature. First chairman of the society was Erwin Chvojka, who at the time administrated Theodor Kramer's estate. Board members, among others, were Erich Fried, Bruno Kreisky und Hilde Spiel.
In May 1984 the first issue of the journal „Mit der Ziehharmonika“ (With the Accordion), now „Zwischenwelt. Zeitschrift für Kultur des Exils und des Widerstands (World in between, Journal for the Culture of Exile and Resistance), was published. Over the years it became an internationally acknowledged scientific forum for Exile Literature. In 1987 the society widened its field of interest towards greater consideration of the entire Austrian Exile Literature.
Since 1990 Theodor Kramer Gesellschaft is publishing the “Jahrbuch Zwischenwelt” (an annual publication that provides documentation of the society's activities throughout the year). Since it was necessary to offer writers, who had been expelled from Austria, a possibility to publish their works, a publishing section within the society was created.
The critical perspective of those who were forced into and/or returning from Exile on their country of origin is very important to us: Learning to see oneself through the eyes of somebody else and especially through the eyes of those who experienced traumatic events in Austria, is a big challenge, given the crucial problems of our time.
Up to this point the society has organized a number of scientific symposiums and various cultural events, for example 2001 "On Exile and its Reception in Austria" or "Yiddish Culture and Literature in Austria" in Salzburg in 2001, "Conversations about Returning" in 2005 and 2006, as well as "The Subject of Remembrance" 2009 in Vienna, the symposium "Internationality of Exile" in 2013, the international conference "The Destruction of Working Class Culture through Fascism and National Socialism" in 2014 in Vienna and the "Conference on autobiographical writing and Exile, Resistance, Persecution and Camp Experiences" in 2017.
In 2001 Stella Rotenberg was first to be awarded with the Theodor Kramer Preis für Schreiben im Widerstand und Exil (Theodor Kramer Award for Writing in Exile and Resistance), Erich Hackl receives the award in 2020 and Eva Geber und Richard Schuberth in 2021.
The archive and library (books and journals) are accessible to the approximatly 500 members of the society. Our members are from Austria, Germany, Switzerland, France, Israel, Italy, USA, South America and Asia. We have been in touch and established extensive collaborations with many writers in Exil. Among our members are exiles, members of the resistance and survivors of the concentration camps.
(Übersetzung Cynthia Peck-Kubaczek)
Anmerkungen
- ^Aus: das pult. Nr. 71/1984, S. 96