Theodor Kramer Gesellschaft

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Aus Widerstand und Solidarität

Kürzlich feierte die Volkshilfe das 75jährige Jubiläum ihres Bestehens. Sie ist mit einem breit gefächerten Aufgabengebiet zu einer der größten sozialen Hilfsorganisationen Österreichs geworden, die auch in der Entwicklungszusammenarbeit und der internationalen humanitären Hilfe aktiv ist. Alexander Emanuely spürt in seiner umfangreichen Arbeit den historischen Wurzeln der Fürsorgearbeit in der Sozialdemokratie nach und rekonstruiert eine beeindruckende Geschichte von Solidarität und tatkräftigem Einsatz im Kampf gegen Armut, aber ebenso gegen die Auswirkungen politischer Verfolgung. Das Ethos, das diesem Engagement zugrunde lag, bleibt bis heute beispielgebend.
Die Habsburgermonarchie war ein Hort sozialer Ungerechtigkeit. Die Linderung des Massenelends blieb privaten Organisationen überlassen. Erst mit der Gründung der Ersten Republik wurden die Grundlagen staatlicher Sozialpolitik gelegt. Die als Folge des Ersten Weltkriegs drohende Hungerkatastrophe konnte nur durch ausländische Hilfslieferungen abgewendet werden und Sozialminister Ferdinand Hanusch setzte bahnbrechende Sozialgesetze durch. Als Rückgrat und Ergänzung des öffentlichen Wohlfahrtswesen wurde 1921 die „Societas“ gegründet, in der alle sozialdemokratischen Fürsorgevereine zusammengefasst wurden. Marie Bock, Amalie Pölzer, Amalie Seidel und Leopoldine Glöckel waren die Pionierinnen dieser Organisation und auch die Mehrzahl der freiwilligen MitarbeiterInnen waren Frauen. Im „Roten Wien“ arbeitete die „Societas“ eng mit den kommunalen Einrichtungen zusammen. Zur nackten Überlebenssicherung konnte mit der Übergabe von Naturalien, Geld- und Kleiderspenden ausgeholfen werden. Für Kinder und Mütter wurden Erholungsurlaube organisiert und 1930 eine Fürsorgeschule ins Leben gerufen. Nach der Zerschlagung der Arbeiterbewegung ist während des Austrofaschismus die „Societas“ mit demselben Namen, aber unter der Führung regimetreuer Personen weitergeführt worden. Als illegale Unterstützungsorganisation wurde die Sozialistische Arbeiterhilfe (SAH) ins Leben gerufen und ihre Tätigkeit kam jenen Familien zugute, deren Existenz durch politische Unterdrückung bedroht war. Abermals standen Frauen – Wilhelmine Moik, Rudolfine Muhr, Frieda Nödl – im Zentrum dieses Netzwerkes, das sich auch auf internationale Solidarität (Quäker, Liga für Menschenrechte, Gruppen der britischen Labour Party) stützen konnte. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten bewirkte nicht nur die Zerschlagung aller noch bestehenden Strukturen, sondern die brutale Verfolgung vieler AktivistInnen, die verhaftet oder ins Exil getrieben worden sind. Namhafte UnterstützerInnen der „Societas“ fielen der Shoa zum Opfer. Nach der Befreiung 1945 waren es exilierte SozialdemokratInnen, die weltweit Hilfslieferungen für Österreich organisierten und dabei bedacht waren, dass Nazis davon keinen Nutzen ziehen konnten. Hierzulande war es vor allem Josef „Beppo“ Afritsch, der mit unermüdlichem Einsatz diese Aktionen koordinierte. Es war auch Afritsch, der die Gründung der Volkshilfe 1947 mitinitiierte und die Funktion des ersten geschäftsführenden Präsidenten (Gründungspräsidentin war Luise Renner) übernahm. Seither kann die Volkshilfe eine stolze Bilanz ihrer Arbeit ziehen. Geschäftsführer Erich Fenninger umreißt in seinem Buchbeitrag die Grundwerte der Volkshilfe mit gesellschaftspolitischem Bezug: Antrieb für das Engagement gegen Armut, für Menschenrechte, für menschenwürdige Pflege und Betreuung und für den Kampf für freie, selbstbestimmte Arbeit muss die Kritik an Verhältnissen sein, die ein gutes Leben für alle verhindern.
Heimo Gruber

Alexander Emanuely: Aus Widerstand und Solidarität. Vorgeschichte und Gründung der Volkshilfe. Mit einem Beitrag von Erich Fenninger: Soziale Zusammen Arbeit. Wien: echomedia Buchverlag 2022. 365 Seiten. ISBN 978-3-903989-33-7. € 24,90