Editorial
„Frauen im Exil. Neue Folge“ spielt auf das im Oktober 1995 erschienene Heft dieser Zeitschrift, aber auch auf das Jahrbuch „Frauen im Exil“ der Theodor Kramer, das seit 2007 erhältlich ist, an. 1995 und 2007 ging es um das durch Faschismus und Nationalsozialismus erzwungene Exil von Frauen aus Österreich in vielen Ländern. Doch das Exil von Frauen hat eine „Neue Folge“ in den Frauen, die sich heute in Österreich (wie in anderen Ländern auch) im Exil befinden, geflohen aus vieler Herren Länder. Die Frage, ob eine Kontinuität (und nicht bloß Analogie) zwischen den Verfolgungen, die gegenwärtig Menschen ins Exil treiben, und der Periode eines in Europa triumphierenden Faschismus existiert, soll nicht von vornherein von der Hand gewiesen werden. Für eine Hannah Arendt etwa („Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft“) ist die massenhafte Produktion von Staatenlosigkeit Signatur einer Epoche, die nach wie vor andauert. Die ethnozentristische Formierung von Nationalstaaten gehört keineswegs der Vergangenheit an und treibt immmer von neuem Faschistoides (von scheinbar harmloser „Menschenmäkelei“ bis hin zu mörderischem Terror) hervor.
Der von Ursula Stern, Christine Kanzler, Siglinde Bolbecher betreute Themenschwerpunkt dieses Heftes „Das Exil von Frauen – historische Perspektive und Gegenwart“ jedenfalls versammelt Ergebnisse der Tagung der FrauenAG in der Österreichischen Gesellschaft für Exilforschung und des Instituts für Wissenschaft und Kunst, die im Juni 2011 im Institut für Österreichkunde in Wien stattfand und ‚alte‘ und ‚neue‘ Exilantinnen, Exilforscherinnen und heute auf dem Gebiet der Arbeit mit Flüchtlingen Tätige zusammenführte. Das Referat für Interkulturelle Aktivitäten der Stadt Wien hat die Vorarbeiten zur Publikation in dankenswerter Weise unterstützt.
Auch die Beiträge von Alexander Emanuely, Renate Welsh-Rabady, Eva und Margarete Kollisch, Veronika Pfolz, Sonja Pleßl gehen aus verschiedenen Perspektiven auf das Thema ein.
Bereits in ZW Nr. 1-2/2011, S. 23-30, plädierte Sonja Pleßl nachdrücklich und aufgrund gründlicher Studien für das schwedische Modell „Frauenfrieden“, also u.a. dafür, daß Männer, die sexuelle Dienste kaufen, bestraft würden. Dies wäre auch in Österreich der richtige Weg. Nun geht sie in ihrem Essay „Wessen Töchter?“ auf die aktuellen Entwicklungen ein.
In Österreich, das zu einer Drehscheibe eines mit äußerster Brutalität und Niedertracht betriebenen Frauenhandels geworden ist, wurde zuletzt wieder eine Diskussion über den rechtlichen Status und die ordnungspolizeiliche Behandlung der Prostitution geführt, leider mit Ergebnissen, die den Menschenhändlern entgegenkommen.
Editoriale sind oft Leserbriefe, die Herausgeber an sich selber schreiben. Eigentlich hofften sie, diese Mitteilung von jemand anderem erhalten zu haben. Das ist auch bei Folgendem der Fall. Wie komme ich dazu, könnte ich mich fragen, in notwendig barscher und verkürzter Form auf diesen erneuerten Kultus um Ernst Jünger einzugehen, nur weil sonst niemand daran Anstoß zu nehmen scheint? Und handle mir dabei wieder einmal ein, von diversen Schöngeistern als grobschlächtiger Argumentierer, der immerzu auf denselben langweiligen Fragen herumreitet, angesehen zu werden? Doch will ich mich in der Ecke, in die man micht stellt, nicht verkriechen. Also:
Daß der Österreichische Rundfunk (ORF) auf seiner Homepage ausführlich eine wissenschaftliche Tagung ankündigt, ist auf dem Gebiet der Exilforschung bisher nur selten oder gar nicht vorgekommen. Anders verhält es sich, wenn an einem illustren Ort wie dem schwäbischen Kloster Heiligkreuztal mit den „weit verbreiteten Klischees“ aufgeräumt werden soll, Ernst Jünger sei ein Propagandist des Krieges gewesen und habe eine „Herrenreiter-Prosa“ geschrieben. Denn Jünger, so Nikolaus Halmer von der Wissenschaftsredaktion des ORF, sei es darum zu tun gewesen, „der Oberfläche der Dinge eine tiefere Bedeutung abzuringen und der sogenannten Realität eine neue Dimension hinzuzufügen“.
Ob wir nun mit Jünger den Weg „vom scheinbar Trivialen in das unwegsame Dunkel des Geheimnisvollen“ antreten wollen oder nicht – dem eifrigen ORF-Redakteur geht es in seinem am 13. April 2012 veröffentlichten Aufsatz vor allem um Rehabilitierung des kriegsbegeisterten Protofaschisten und Dezisionisten Jünger, als den ihn seinerzeit Peter de Mendelssohn und Christian Graf von Krockow gezeichnet haben. Dazu dient eine beigegebene Jünger-Biografie, die den national-revolutionären Aktivisten der Zwischenkriegszeit ausblendet und seine reservierte Haltung dem Liebeswerben der Nationalsozialisten gegenüber fast schon zum Widerstand aufschminkt. „... er verachtete“, heißt es, „besonders deren Antisemitismus und ihr gewalttätiges Auftreten“.
(Jünger, ich skizzierte das in einem Aufsatz in ZW Nr. 1-2/2011, S. 12-14, bevorzugte einen Antisemitismus ohne persönlichen Affekt, er trat ‚bloß‘ für die reinliche Scheidung von Juden und Deutschen ein. Noch 1993 meinte er, er habe 1930 „... nur festgestellt, daß sich die Deutschen und die Juden auf eine Weise entfremdet hatten, daß es besser gewesen wäre, sie wären auseinandergegangen. ... Die Juden hätten auswandern können. Das wäre sicher zu ihrem Vorteil gewesen.“)
ORF-Redakteur Halmer unterläßt auch nicht den beliebten Hinweis auf Jüngers „Kriegsjahre“ in Paris, „wo er mit den Schriftstellern André Gide, Marcel Jouhandeau, Henri de Montherlant und Jean Cocteau freundschaftliche Gespräche über Kunst und Literatur führte“. Halmer hätte auch andere Gesprächspartner nennen können, außer dem einen bekennenden Antisemiten Jouhandeau (Verfasser des Pamphlets „Die jüdische Gefahr“, 1938), z.B. Louis-Ferdinand Céline, mit dem sich Jünger nicht so gut verstand wie mit Drieu La Rochelle.
Und dann wird dieser feine und kultivierte Ernst Jünger nach „dem Ende des 2. Weltkriegs ... als Kriegsbefürworter und vermeintlicher Wegbereiter Hitlers“ gar bis 1949 mit Publikationsverbot belegt, offenbar von der sogenannten Siegerjustiz. (Jünger hatte sich geweigert, den Entnazifizierungsfragebogen auszufüllen.)
Einen spirituellen Höhepunkt des Halmer-Aufsatzes stellt für Connaisseurs übrigens die Behauptung dar: „Jüngers Kritik an der eindimensionalen Lebenswelt, die an die Lebensweise von Lemuren erinnert, trifft sich mit der Analyse von Theodor W. Adorno.“
Sei dem, wie es sei. Die Diskussion um die literarische Bedeutung Ernst Jüngers, die so alt ist wie die Bundesrepublik Deutschland, mag weitergehen. Aber eine Frage muß doch gestattet sein: Ist es denn unbedingt nötig, mit Halbwahrheiten und Beschönigungen für Jünger einzutreten? Und ist es nötig, für Jünger einzutreten?
Neuerdings wird ZW seitens der Verwertungsgesellschaften wieder einmal die Anerkennung als „monothematische Fachzeitschrift“ verweigert, was bedeutet, daß VerfasserInnen wissenschaftlicher Beiträge nicht in den Genuß der sonst üblichen Ausschüttungen aus der Verwertung von Nebenrechten kommen. Da ZW in vielen Bibliotheken gerade als Fachzeitschrift geführt und gesammelt, von Fachleuten als solche geschätzt wird, bitten wir unsere LeserInnen, die VG Wort beim Wort zu nehmen: Wir traktieren ja nicht beliebige Themen, von Höhlenforschung bis hin zu Strickmustern, sondern entfalten ein großes Thema.
Konstantin Kaiser