Theodor Kramer Gesellschaft

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Ferdinand Kaiser - Biografisches

Geboren in Innsbruck, 15. 2. 1909; gestorben in Innsbruck, 17. 11. 1997
Ferdinand Kaiser wurde 1909 in Innsbruck geboren. Der Vater war in "einer der untersten Stufen des Dienstes bei der Südbahngesellschaft". Die Eltern konnten ihre sechs Söhne erst so richtig ernähren, als der Vater nicht mehr im Verschub arbeitete, sondern Stockbremser wurde und mit den Zügen nach Italien mitfahren und mit Zigaretten- und Feuerzeugschmuggel etwas dazu verdienen konnte. Bis dahin mussten sogar Hunde und Katzen verkocht werden, schreibt Ferdinand Kaiser in seinen unpublizierten "Erinnerungen". Man wohnte in der Höttinger Au, einem noch nicht erschlossenen Stadtteil Innsbrucks, dann in einem Eisenbahnerhaus in der Fabriksgasse 7. Mit 10 kam er in den Hort der Kinderfreunde, wo es eine Jause gab und Kindertheater. Der um neun Jahre ältere Bruder Wilhelm wurde Soldat beim Bundesheer der Republik und später Ausbildner beim Schutzbund. Alle anderen Brüder machten eine Lehre. Auch Ferdinand und sein Bruder Josef Kaiser begannen nach der Bürgerschule eine Tischlerlehre. Ferdinand flog jedoch bald aus dem Betrieb und wurde Hilfsarbeiter. 1927 und 1928 arbeitete er als Straßenwalzenbetreuer beim Bau der Bundesstraße im Tiroler Unterland. Am 1. Mai 1928 wurde er bei einer Auseinandersetzung mit einer Gruppe von Heimwehrlern zusammengeschlagen.
Als er bald darauf als Monteur beim Bau des Achenseekraftwerks mitwirkte, hatte er ersten Kontakt mit der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ). Rauchen und Trinken waren verpönt, es wurde Theater gespielt und gewandert. Ferdinand Kaiser gehörte, so wie die weiteren älteren Mitgliederder Gruppe SAJ-Dreiheiligen, auch der Schutzbund-Alarmabteilung Matteotti an. In dieser Zeit las er viel, von Marx/Engels bis John Reeds "Zehn Tage, die die Welt erschütterten". Er arbeitete als technischer Helfer in einer Textilfabrik in Innsbruck. Es kam wegen der schlechten Bezahlung zu einem Streik, es war der erste Streik in Ferdinand Kaisers Leben. Die Arbeit war gefährlich und Ferdinand Kaiser überlebte einen Brand und eine Blutvergiftung. Nach erneuter Arbeitslosigkeit entschloss er sich, auf Wanderung ("Walz") durch Europa zu gehen. Er kam nach Deutschland, nach Luxemburg, Ostfrankreich, in die Schweiz. Er übernachtete mitunter in katholischen Pilgerheimen, da dies nichts kostete und schlug sich mit Hilfsarbeiten und Betteln durch.
Nach der Rückkehr engagierte sich der ehemalige "Walzbruder" Ferdinand Kaiser wieder politisch und wurde Kompaniestellvertreter im Schutzbund und war für das Verstecken von Sprengstoff und Waffen mitverantwortlich. Gleichzeitig kam es oft zu Schlägereien mit Mitgliedern der Heimwehr und der Naziorganisationen. In dieser Zeit lernte er ein engagiertes Mitglied der SAJ näher kennen. Sie hieß Maria Neururer, war kaufmännische Angestellte und hatte ihre Kindheit bei Pflegeeltern verbracht und sollte Jahre später Ferdinand Kaiser heiraten. Mit 21 war Ferdinand Kaiser volljährig und konnte aus der römisch-katholischen Kirche austreten. Zugleich wurde er Mitglied des Freidenkerbundes. Als passionierter Bergsteiger gehörte er auch den Naturfreunden und dem Arbeitersportklub (ASKÖ) an.
Nachdem 1933 der Schutzbund verboten worden war, durchsuchte die Polizei mehrfach die Wohnung der Eltern, wo tatsächlich eine Zeit lang Waffen versteckt waren. Bei sich zuhause hatte Ferdinand Kaiser für den Notfall Sprengstoff gelagert. Im Jahr 1933 wurde noch friedlich demonstriert, am 12. Februar 1934 kam es zum Bürgerkrieg. Doch kam dieser zu überraschend und der lang trainierte Einsatz konnte nicht stattfinden. Die Führung wurde verhaftet, die Schutzbündler standen ohne Waffen da. Ferdinand Kaiser kam ebenfalls in Haft. Die Zellen waren überfüllt, so dass alle stehen mussten, man sang Arbeiterlieder, revolutionäre Lieder. Das Standrecht wurde verhängt, weswegen schwere Strafen, bis hin zur Todesstrafe, all jenen drohten, die nach wie vor im Besitz von Waffen oder Sprengmitteln waren. Nach der Haftentlassung gründete er mit anderen ehemaligen SAJ- und "Alabaleuten" (Alarmabteilung des Schutzbundes) Zellen der Revolutionären Sozialisten. Man bildete kleine Gruppen von fünf Personen, da die den Behörden bekannten SozialdemokratInnen, wie Ferdinand Kaiser, unter Beobachtung standen und auch regelmäßig, an wichtigen Feiertagen, wie am 1. Mai oder am 12. November, wochenlang in Schutzhaft genommen wurden. Man verteilte Flugzettel, Informationen und eine Zeitung, die in einem Ziegenstall im damals ländlichen Vorort von Innsbruck Reichenau gedruckt wurden. Offiziell arbeiteten manche als Vertreter für eine politisch harmlose Buchgemeinschaft, für die sie dann ganz Tirol bereisten, nebst Büchern auch politisches Material verteilend. Die Gruppe besaß auch ein Motorrad. Ferdinand Kaiser war bis 1934 Mitarbeiter der Konsumgesellschaft. Nach dem Bürgerkrieg war er nicht nur zu fünf Monaten Haft verurteilt worden, sondern hatte wegen dieser Vorstrafe auch ein Arbeitsverbot.
Ab 1936 war er an Hilfsaktionen für die Spanische Republik beteiligt. Er half Freiwilligen aus ganz Europa, wenn sie über Tirol nach Spanien wollten, um für die Internationalen Brigaden zu kämpfen. Dies war ab Dezember 1937 von Bedeutung, da die Grenze zur Schweiz gänzlich unpassierbar wurde. Zwischen 1934 und 1938 wurde Ferdinand Kaiser mehrfach verhaftet.
Als Antifaschist und Nazigegner bekannt, wurde er, am 16. Februar 1938 gerade amnestiert, auch sofort nach dem Einmarsch der Nazis von der Gestapo inhaftiert, es drohte eine Überstellung in das KZ Dachau. Um der Deportation zu entgehen und aus Tarngründen trat er der SA bei. Ab Herbst trafen sich Maria Neururer und Ferdinand Kaiser immer häufiger. Heimlich unterhielten sie auch Kontakt zu anderen ehemaligen Mitgliedern der SAJ, des Schutzbundes und der Partei. Fast alle männlichen Freunde und Bekannte kamen zur Wehrmacht. Im Herbst 1939 wurde Ferdinand Kaiser zur "Technischen Nothilfe" dienstverpflichtet und nützte die Gelegenheit, um aus der SA auszutreten. 1940 kam der erste Sohn Friedrich zur Welt, er wird 1944 an Tuberkulose sterben. 1940 wurde Ferdinand Kaiser nach Belgien versetzt, 1941 heiratete er Maria Neururer. Im Juni 1941 kam er zur Wehrmacht. Während des Krieges gegen die Sowjetunion wurde er Zeuge der Kriegsverbrechen der Wehrmacht. Im Juni 1944 erfolgte eine Tatbestandsuntersuchung wegen Wehrkraftzersetzung. Er entkam der Verurteilung nur dank des notwendig raschen Rückzugs seiner Einheit. In Tirol hörte Maria Kaiser verbotenerweise BBC, Ferdinand Kaiser fotografierte an der Front heimlich die Wehrmachtsverbrechen in Osteuropa.
Gleich nach der Befreiung Innsbrucks arbeitete Maria Kaiser bei der Neugründung der Arbeiterkammer Tirols mit. Sie wird ab November 1945 25 Jahre lang für die SPÖ im Innsbrucker Gemeinderat tätig sein. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich Ferdinand Kaiser in US-amerikanischer Kriegsgefangenenschaft, aus der er im Oktober 1946 freikommt. Er bringt ein Tagebuch aus dem Krieg mit. Darin befinden sich all seine Beobachtungen, durch Fotos belegt. Bald arbeitete Ferdinand Kaiser wieder für die SPÖ. Seine erste Aufgabe bestand darin, bei der Entnazifizierung der Ämter der Stadt mitzuhelfen. 1947 kommen Zwillinge zur Welt: Friedrich Konstantin und Leander Maximilian. Ab dieser Zeit hatte Ferdinand Kaiser bis 1974 viele politische Ämter inne. Bis 1960 war er Sekretär der Bezirksorganisation Innsbruck-Stadt, danach Landesparteisekretär und Landtagsabgeordneter der SPÖ-Tirol bis 1974. Nach seiner Pensionierung war er langjähriger Landesobmann der sozialdemokratischen Freiheitskämpfer Tirols, denen er 1949 beigetreten war.