Theodor Kramer Gesellschaft

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Alexander Emanuely

Horst Jarka 1925 – 2021

 

And did a thousand years go by in vain?

And does another thousand start again?

Alun Lewis

 

In den 1980er-Jahren interviewte der austro-amerikanischer Literaturwissenschaftler Horst Jarka knapp 50 Menschen in Europa, den USA, Israel und Australien zu Jura Soyfer. Befragt wurden Verwandte, Freund:innen, Mitstreiter:innen, Kolleg:innen des 1939 im Alter von 27 Jahren in Buchenwald ermordeten Schriftstellers befragt. Ohne diese Arbeit wäre unser Wissen über Jura Soyfer um ein Vielfaches bescheidener.

Doch wer war Horst Jarka, der sich mit so viel Einsatz über Jahre hinweg um das Werk und das Andenken Jura Soyfers bemüht hat?

Horst Jarkas Mutter, Marianne Jarka, hatte sich während des Ersten Weltkrieges zur Krankenschwester ausbilden lassen. 1918 befand sich die in Gloggnitz aufgewachsene junge Frau als Operationsschwester in einem Feldlazaret in Udine. Sie geriet in Kriegsgefangenschaft und kehrte nach dem Krieg nach Wien zurück. Dort lebte ihr verwitweter und pflegebedürftiger Vater. Sie war inzwischen Mutter einer unehelichen Tochter, Ruth, geworden, deren Vater ein Soldat namens Franzen war. Sie lebte als Alleinerzieherin, unterstützt von einer Tante, und versuchte über mehrere Jahre erfolglos eine Anstellung zu finden. Kurz nach dem Tod ihres Vaters lernte sie den Vater von Horst Jarka kennen, der 1925 auf die Welt kam. Auch er unehelich. Schließlich fand Marianne Jarka eine Stelle als Näherin in einer Fabrik, in der sie 25 Jahre arbeitete. Der Verdienst reichte aus, die Kinder durchzubringen und eine etwas größere Wohnung zu mieten.

1943 wurde Horst Jarka zur Wehrmacht eingezogen. 1944 geriet der 19-jährige in Frankreich in britische Kriegsgefangenschaft. Dreizehn Monate in einem Lager in Wales folgten. Er fand Anschluss an eine walisische Familie, die den fast noch Jugendlichen mehr oder minder adoptierte. In dieser Zeit lernte er englische Sprache und Literatur kennen und lieben.

1946 kehrte Horst Jarka nach Wien zurück und studierte Anglistik und Germanistik. Nur sechs Jahre später gehörte er zur ersten Gruppe österreichischer Studierender, die mit einem Fulbright Stipendium in die USA gehen konnten. Er kam an die Universiy of Minnesota, wo er die Anglistikstudentin Lois Huntoon kennenlernte und ein Jahr später heiratete. Das Ehepaar zog nach Wien, wo er als Lehrer arbeitete und mit einer Dissertation über Prosa und Lyrik des walisischen Dichters Alun Lewis promovierte.

Nach der Geburt des ersten Kindes Hannes, bald folgte Tochter Käthe, zog die Familie wieder in die USA. 1960 holte er seine Mutter, Marianne Jarka, nach. Ein Jahr später schrieb sie ihre Autobiografie.

Horst Jarka erhielt an der University of Montana eine Lehrstelle für deutsche Literatur. In den folgenden Jahrzehnten war er als Forscher und Lehrender maßgeblich am Aufbau seines Instituts und an den Austrian Studies beteiligt. Lois Jarka spezialisierte sich ihrereseits auf Shakespeare-Studien.

Bei den Studierenden war Horst Jarka äußerst beliebt. Sie wählten ihn 1968 sogar zur Lehrkraft des Jahres. 1969 wurde er Professor. Legendär soll sein Puppentheater gewesen sein, entwickelt mit seinen Student:innen im Rahmen der „drama courses“. Er beschäftigte sich verstärkt mit der antifaschistischen Literatur Österreichs und entdeckte dabei für sich und bald auch für ein breites Publikum in den USA und in Europa Jura Soyfer, dessen gesammelte Werke er Ende der 1970er-Jahre zusammenstellte und 1980 herausgab. Ohne diese Herausgeberschaft und die nachfolgende Soyfer-Biographie Jarkas (1987 gäbe es bis heute keine gesicherte Grundlage der kulturellen und wissenschaftlichen Arbeit mit Jura Soyfer. Auch übersetzte er Soyfer ins Englische. Als im Dezember 1989 in Wien das I. Internationale Jura Soyfer Symposium stattfand, war er einer der Vortragenden. Das Symposium ist im Jahrbuch

Zwischenwelt 2 der Theodor Kramer Gesellschaft dokumentiert.

1991 gab Jarka die Briefe Jura Soyfers in dem Band “Sturmzeit” in der Buchreihe “Antifaschistische Literatur und Exilliteratur – Studien und Texte heraus”. Die Entfremdung zwischen Jarka und der Wiener “Jura Soyfer Gesellschaft” beruhte nicht auf persönlichen Animositäten, sondern auf schwerwiegenden inhaltlichen und editorischen Differenzen und dem Bedürfnis der in dieser Gesellschaft etablierten Geschäftsführung, sich ausgerechnet gegen den Forscher, der die größten Verdienste um das Werk Jura Soyfers hatte und hat, zu profilieren. Jarka blieb Mitglied der Theodor Kramer Gesellschaft und, schrieb für MdZ. 1996 publizierte er Jimmy Bergs Texte und Chansons und erschloss damit das Werk eines für Jura Sofer wichtigen Weggfährten. 2006 brachte er, gemeinsam mit seiner Frau Lois,”The Other’s Austria”, Berichte von britischen und amerikanischen Reisenden aus zwei Jahrhunderten über Österreich heraus.

Es nimmt nicht Wunder, dass Jura Soyfer, ohne dessen Werk die österreichischen antifaschistische Literatur eine schmälere Grundlage hätte, literaturwissenschaftlich gewissermaßen aus dem Exil entdeckt wurde.

Horst Jarka starb am 9. Februar 2021 in Missoula, Montana.