Thekla Merwin
Wer leben bleibt, ist Sieger
Der Tag vergeht im Dämmer bald,
Die letzten Lichter löscht ein Grauen,
Es fährt ein Wagen und macht halt,
Ein Wagen, düster anzuschauen.
Ein Allgewaltiger, mitleidsleer,
Holt täglich stillgeword'ne Krieger.
Klang eine Stimme nicht daher?
Wer leben will, ist Sieger!
Aus Buschenschenken dröhnt der Takt,
Dort jauchzt die Freude, licht und heiter.
Zieh' du mit deiner stummen Jagd,
Der Puls der Menschheit schlägt doch weiter.
Wenn deine Hand das Glück zerbricht,
Die Liebe forgt für neue Krieger,
Und jeder heiße Kuß, er spricht:
Wer leben bleibt, ist Sieger!
Lang kann doch der Erinnerung Hauch
Nicht über Menschensehnsucht schweben,
Du wirst vergessen und ich auch,
Wirst überschrien vom heißen Leben.
Die junge Rose blüht am Hag,
Die alte nahm der düft're Pflüger...
Über die Gräber jauchzt der Tag:
Wer leben bleibt, ist Sieger!
Arbeiter-Zeitung, 7. 12. 1930, 11