Theodor Kramer Gesellschaft

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Editorial

Wir haben im letzten Heft statt eines Editorials nur eine kurze Notiz „In eigener Sache“ geschrieben, nämlich über die Abschaffung von Förderungen durch das österreichische Wissenschafts- und Forschungsministerium. Die Ministerin, die außeruniversitären wisssenschaftlichen Publikationen und Einrichtungen (mit einigen Ausnahmen, versteht sich) die Förderungswürdigkeit absprach, ist mittlerweile ins Justizministerium übersiedelt, wo sie auf ihrem Spezialgebiet, dem Arbeitsrecht, hoffentlich nicht weiteres Unheil stiften wird. Was uns indes zu schaffen macht, ist nicht nur die finanzielle Einbuße, sondern mehr noch der ideologische Druck, der auf uns ausgebübt wird: Zum Xten Male wird gefordert, sich den Problemen der Gegenwart zuzuwenden, als wären es nicht Widersprüche und Verwerfungen unserer sozialen und kulturellen Zustände, die uns mit Dringlichkeit dazu trieben und treiben, uns mit dem Exil, seiner Geschichte und Literatur auseinanderzusetzen.
Zu bewerkstelligen wäre, eine Internationalisierung des Problems – nicht nur in Deutschland und Österreich wurden Intellektuelle und Künstlerinnen, Schriftstellerinnen und Musiker verfolgt, ermordet, vertrieben, sondern in sämtlichen faschistischen und vom NS-Machtapparat überwältigten Ländern. Wir hatten in ZW bzw. MdZ bisher nur wenige Beiträge dazu, so über Miklós Radnóti, Bruno Schulz, Jannis Ritsos, und es wäre uns ein tiefes Bedürfnis, zumindest ein oberflächliches Panorama der Internationaliät der Exile zu entwerfen. (Dem tiefen Bedürfnis eigne der oberflächliche Zugriff, soll Betrolt Brecht, Walter Benjamins „Versuchen über Brecht“ zufolge, gesagt haben.)
Die europäische Nachkriegsordnung, die die Grundlage der Europäischen Union darstellt, ist aus der Niederwerfung von Nationalsozialismus und Faschismus und auch aus der Internationalität der Exile entstanden, und nicht aus dem Kampf fürs „Abendland“ und gegen den „Totalitarismus“, in dessen Namen heute im Baltikum sogar ehemalige SS-Angehörige rehabilitiert werden. Der Kalte Krieg, der damit fortgesetzt wird, hat immer schon dazu geführt, Nationalsozialistisches und Faschistisches umzufunktionieren, statt es zu überwinden.
Wir wollen aber in Zukunft auch stärker Texte von AutorInnen, denen es nicht in die Wiege gesungen war, einmal in deutscher Sprache zu schreiben, also von MigrantInnen und Flüchtlingen berücksichtigen. Wir verhehlen nicht, daß wir es für völlig falsch halten, diese nicht mit unserer eigenen Geschichte zu behelligen. Und wir erwarten von ihnen, namentlich wenn sie sich das Schreiben zum Berufe oder Behufe gemacht haben, mehr als ein bloß lasches Bedauern des einst Geschehenen. Kontrete Kenntnisund Parteinahme für die Vertriebenen und Unterdrückten sind gefordert, auch wenn manchmal ein kitzekleiner antisemitischer Affekt unter dem wortreich beteuerten Antirassismus verborgen sein mag.
Mit diesem Heft schließen wir den „Exil in Jugoslawien“-Zyklus mit „Exil aus Jugoslawien“ ab; das nächste Schwerpunktheft ist dem Exil in Argentinien gewidmet. Die große, facettenreiche, tragische und glanzvolle, jämmerliche und heroische Geschichte des ‚historischen‘ Exils wollen wir weiterhin entfalten, u.a. mit Indien- und Kanada-Schwerpunkten.

Durch viele Jahre begleitet Willi Pechtl ZW durch Anregung, Ermunterung, Hinweise und eigene Beiträge; nicht nur hat er viele graphische und keramische Arbeiten zu Gedichten Theodor Kramers geschaffen, er ist auch Photograph, Sammler, Schriftsteller, Ausstellungskurator, Plakatgestalter und ganz nebenbei Kunsterzieher in der Tiroler Bezirkshauptstadt Imst. Sein 60. Geburtstag bietet den Anlaß, dem Thema „Theodor Kramer im Bild“ nachzugehen. Daß ein zu den „Abstrakten“ gezählter Künstler wie Josef Mikl eine ganz eigene, in die 1950er Jahre zurückgehende Beziehung zu Kramer hatte, ist eine Entdeckung, durch die verschollene Linien der Rezeption wieder zum Vorschein kommen. So wenig Kramer der breiten Leserschaft der Nachkriegszeit bekannt war, so sehr fand sein Werk doch das Interesse Einzelner, so der späteren Nobelpreisträgerin Herta Müller oder des Dichters Michael Guttenbrunner, dessen Kramer-Auswahl „Vom schwarzen Wein“ für Mikl der Ausgangspunkt gewesen sein dürfte.
Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser