Editorial
Wir haben im Dezemberheft 2009 ein Protestschreiben der LehrerInnen Arigona Zogajs veröffentlicht; wenn dieses Heft in Ihren Händen ist, werden Arigona Zogaj, ihre Mutter und jüngeren Geschwister bereits aus Österreich abgeschafft sein. Der Fall demonstriert nicht nur, wie die häufigen Neuregelungen und Verschärfungen des österreichischen Fremden- und Asylrechts Zuwanderer und Flüchtlinge zunehmender existentieller Unsicherheit aussetzen, sondern zeigt auch, daß die Entrechtung von ‚Ausländern‘ mit der Entrechtung der ‚Inländer‘ einhergeht. Die ÖsterreicherInnen haben zu dulden, was die Behörde anordnet; und Politiker, die um Intervention gebeten werden, berufen sich auf den Rechtsstaat, als fielen die Gesetze, nach denen gerichtet wird, nicht in ihre Verantwortung. Sie tun, als geschähe dies alles ganz unwillkürlich, wie durch das Wirken höherer Mächte.
Die Entrechtung der ‚Inländer‘ manifestiert sich einerseits in der Ohnmacht, mit der eine demokratische Öffentlichkeit ein vernunftlos scheinendes Walten der Staatsorgane hinnehmen muß. Andererseits trifft die Entrechtung gerade die Möglichkeit, Beziehungen der Solidarität, der Unterstützung mit ‚Ausländern‘ aufzunehmen, bis hin zur Adoption und Eheschließung. Strafbar kann man sich nun durch Hilfe für einen Flüchtling machen, statt etwa, sofern man über die Mittel verfügt, für dessen Aufenthalt in Österreich garantieren zu dürfen. Es ist dies ein von lautem Integrationsgekreisch begleitetes Programm der immer mehr Menschen treffenden Aussonderung.
Im Jahre 2000 wurde die Zeitschrift „Mit der Ziehharmonika“ in „Zwischenwelt“ umbenannt und auch graphisch neu gestaltet. Nach zehn Jahren war es nun an der Zeit, das äußere Erscheinungsbild wieder zu ändern. Wir konnten dafür Julian Palacz, einen Absolventen der Wiener Universität für Angewandte Kunst, gewinnen. Auch die Zusammensetzung der Redaktion hat sich ein wenig verändert; neu dazugekommen ist Alexander Emanuely. Wladmir Fried gehört der Redaktion nicht mehr an.
Weiterhin werden in den Heften auf die Aufsätze, Gedichte, Prosastücke die Berichte und Rezensionen folgen; Weiterhin werden Hefte mit Themenschwerpunkten neben ‚offenen‘ Heften erscheinen, in denen Kraut und Rüben zur Koexistenz gelangen.
Der Schwerpunkt „Exil in Jugoslawien“ schließt an Schwerpunkthefte über die Bukowina, das Exil in der Schweiz, in Italien, Ungarn, Shanghai, Mexiko und Österreich als Exilland an. Die Herausgeber, die Historikerin Gabriele Anderl und der Literaturwissenschaftler und literarische Übersetzer Erwin Köstler, haben namhafte slowenische, kroatische und österreichische Wissenschaftler
für das Projekt interessieren können. Die Ergebnisse dieser Pionierarbeit werden nun in zwei Schwerpunktheften vorgestellt. „Exil in Jugoslawien II“ ist für Oktober 2010 geplant.
Der Theodor Kramer Gesellschaft wurde ein Preis der Dr.-Karl-Renner-Stiftung der Stadt Wien in der Höhe von Euro 15.000 zugesprochen; weitere Preisträger sind das Zentrum für medizinische und psychotherapeutische Betreuung von Folter- und Kriegsüberlebenden „Hemayat“ und der Verein „Steine der Erinnerung“ (vgl. den Bericht von Eva Schmidt-Kreilisheim in diesem Heft). Eine große Freude waren jedenfalls die vielen Empfehlungen, die zur Unterstützung der Bewerbung aus aus aller Welt eintrafen. So schrieb Ruth Klüger über ZW:
Reading the journal also gave (and gives) me a personal sense of satisfaction that comes with the thought that those who were born in Austria but not allowed to live there, are not forgotten and that their words feed into the stream of ongoing memory in that country. I can say with a good deal of certainty that the bitterness that many exiles and survivors felt towards their former home, was and is diminished and eased when they read the publications of the Theodor‑Kramer‑Gesellschaft and realize that there is an earnest desire among thinking Austrians to come to terms with the past. „Zwischenwelt“ is in this regard a kind of flagship for this endeavor. It goes without saying that the journal has unimpeachably high scholarly standards, and is easily the equal of or better than any comparable organ in any other country.
Und Guy Stern, Professor an Wayne State University in Detroit, wies auf einen anderen wesentlichen Aspekt unserer Arbeit hin:
Die Arbeit der Theodor Kramer Gesellschaft war und ist zukunftsträchtig. Ich weiß aus eigener, langjähriger Erfahrung als Lehrtätiger in den USA und an fünf bundesdeutschen Universitäten als Gastprofessor, dass meine StudentInnen geradezu auf das von der Gesellschaft verbreitete Wissen angewiesen waren - und davon in jeder Weise profitiert haben.
Wir bitten Sie, diese Arbeit durch Ihre Mitgliedschaft bei der Theodor Kramer Gesellschaft zu unterstützen (sofern Sie nicht schon Mitglied sind).
Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser