Das Doktorhaus
Theodor Kramers Geburtshaus in Niederhollabrunn (NÖ) - für eine Gedenkstätte
Das Haus, in dem Theodor Kramer am 1.1.1897 geboren wurde, ist auf jener Anhöhe gelegen, auf der sich auch Kindergarten, Pfarrkirche und Friedhof bedinden. Von der Ortsmitte gesehen, liegt es genau hinter der Kirche. 1892 bis 1928 war es das Wohnhaus der Familie des Gemeindearztes Dr. Max Kramer, der nach seiner Pensionierung mit seiner Frau Babette nach Wien übersiedelte, wo er 1935 verstarb. Babette Kramer wurde 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert, wo sie im Jänner 1943 verstarb. Theodor Kramers älterem, ebenfalls dichterisch begabtem Bruder Richard gelang 1939 die Flucht nach England.
Kramer hat nicht nur seine Kindheit in dem Haus verbracht, sondern auch regelmäßig die Sommerferien und Feiertage. Der Blick, der sich von dem Haus auf die Landschaft bietet, und die Umgebung des Dorfes gehen direkt und indirekt in viele Gedichte Kramers ein.
1.) Ein relativ zeitaufwendiger organisatorischer Aspekt ist und bleibt weiterhin der Kontakt zu niederösterreichischen Stellen auf Gemeinde- und Landesebene. Hier wurden namentlich mit der Literaturreferentin des Landes, Mag.a Gabriele Ecker, und mit der Kulturvernetzung NIederösterreich wiederholte Besprechungen abgehalten, ebenso mit Vertretern der Markgemeinde Niederhollabrunn (Kulturverein Niederhollabrunn, Bürgermeister Leopold Wimmer, Bürgermeister Jürgen Duffek); die Gemeinde ist Eigentümerin des Geburtshauses von Theodor Kramer. Die Erwerbung des Gutsgebäudes durch die Gemeinde erfolgte vor 1892, dem Jahr, in dem Dr. Max Kramer, Vater Theodor Kramers, die neu ausgeschriebene Stelle als Gemeindearzt antrat und ihm seitens der Gemeinde ein Wohnhaus zur Verfügung gestellt werden musste.
Das Geburtshaus hat aufgrund einer Erweiterung aus dem Jahre 1996 jetzt eine Grundfläche von ca. 363 m2. Bis 2009 wurde es als Niederösterreichischer Landeskindergarten genutzt. Es bietet sich aufgrund der Größe der umbauten Fläche eine gemischte Nutzung an, und zwar als Kultur-, Seminar- und Begegnungszentrum. Denkbar wäre die Einrichtung eines kleinen Kaffeehaus-Betriebes im Bereich des Zubaus von 1996, der auch einen eigenen Eingang besitzt. Einer der beiden großen ehemaligen "Gruppenräume" könnte als Ort für eine ständige Theodor Kramer-Ausstellung genützt werden, der andere als Seminar- und Veranstaltungsraum, in dem auch Ausstellungen von Gegenwartkunst gezeigt werden könnten. (Die Theodor Kramer Gesellschaft hat sich für diesen Fall bereit erklärt, in ihrem Besitz befindliche Originale - so eines der typischen Gedicht-Hefte Kramers und Erstausgaben seiner Bücher - für die Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Sinnvoll wäre es, in einem der Nebenräume eine kleine Dokumentationsstelle für Theodor Kramer einzurichten, die Publikationen, Vertonungen, Hinweise auf Veranstaltungen und auf künstlerische Auseinandersetzungen mit Theodor Kramer-Bezug sammelt. Auch dafür könnte die Theodor Kramer Gesellschaft etliches Material zur Verfügung stellen. Im Vorgarten könnten Sträucher und Bäume angepflanzt werden, die in Kramer Gedichten vorkommen. (Eine Art Kramer-Garten).
Die Problematik Seitens der Gemeinde bestand früher darin, dass das jetzige Gemeindeamt dringend sanierungsbedürftig ist, u.a. hinsichtlich des barrierefreien Zugangs, und daher zunächst eine Übersiedlung des Gemeindeamts in das "Doktorhaus", das Geburtshaus Kramers, erwogen wurde, wobei ein Kramer-Gedenkraum zugleich als Sitzungssaal dienen sollte, was in unseren Augen keine befriedigende Lösung darstellt. Die finanzielle Situation der Gemeinde ist nicht günstig, sie ist bei jedem größeren Projekt auf Unterstützung Dritter oder der Landesregierung angewiesen. Bisher ließ sich nicht klären, in welcher Form und in welchem Ausmaß eine Beteiligung des Landes NÖ vorstellbar ist. In seiner Grußbotschaft zur Verleihung des Theodor Kramer-Preises 2014 umging der damalige Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll die anstehende Frage des Geburtshauses.
Das Gebäude im heutigen Zustand entspricht nur der Lage und den Außenmauern nach dem einstigen "Doktorhaus", wie es früher von der Bevölkerung genannt wurde. Eine Gedenktafel für Kramer aus dem Jahr 1985 ist auf ihm angebracht, doch finden sich im Inneren keine Gegenstände aus der Zeit vor 1928, als die Eltern Kramers nach der Pensionierung des Vaters nach Wien zogen. Viele Gedichte Kramers beziehen sich aber auf die Lage des Hauses über dem Dorf, nahe beim Friedhof und hinter der Kirche, und dem Anblick, das die Landschaft aus dieser Perspektive bietet.
2.) Um unser Anliegen einer entsprechenden Widmung des "Doktorhauses" als Gedenkstätte für Theodor Kramer zu unterstreichen, hat die Theodor Kramer Gesellschaft die Verleihung des Theodor Kramer Preises für Schreiben im Widerstand und im Exil von Krems nach Niederhollabrunn verlegt; heuer wird der Preis bereits zum fünftem Mal im einzigen zur Verfügung stehenden größeren Saal, im Pfarrsaal vergeben.
Seit 2013 ist außerdem die Ausstellung "Vom Nicht-Beigeben. Theodor Kramer (1897 - 1958) im Exil" ständig im "Doktorhaus" in geführten Besichtigungen zu sehen. Diese von Katharina Hofbauer in Zusammenarbeit mit Konstantin Kaiser gestaltete Ausstellung umfasst 40 kleinere und größere Schautafeln; vor Ort wird sie von einem Vorstandsmitglied der Theodor Kramer Gesellschaft, Harald Maria Höfinger, betreut, der ein profunder Kenner von Leben und Werk Kramers ist. Die Ausstellung müsste im Falle der definitiven Einrichtung eines Gedenkraumes noch ergänzt werden (digitaler Zugriff auf Archiv-Bestände; Vitrinen mit Original-Objekten wie Manuskripten, Gebrauchsgegenständen, Briefen Kramers). Die Materialien dazu sind im Archiv der Theodor Kramer Gesellschaft sowie in ungenutzten Beständen des Wien Museums vorhanden. Eine Dokumentation der vorhandenen Materialien wurde von Mag.a Daniela Vergud erstellt, eine erste Skizze eines Ausstellungskonzepts von Dr. Alexander Emanuely - Vgl. dazu die beigegebene Planskizze.
Angedacht ist, in Niederhollabrunn in Zukunft auch kleinere Tagungen und Workshops abzuhalten, möglichst in Zusammenarbeit mit dem Kulturverein Niederhollabrunn; hier fehlt es aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt an den geeigneten Räumlichkeiten. (Solche waren in den 1980er Jahren noch vorhanden, doch wurde das Gebäude in Haselbach privatisiert.)
3.) Parallel zu unseren Bemühungen um Gestaltung und Realisierung eines Gedenkraums für Theodor Kramer erstellen wir als Katalog zur Ausstellung ein "Theodor Kramer-Arbeitsbuch", das neben einer umfangreichen, reich bebilderten Lebenschronik Kramers eine Reihe von wichtigen Aufsätzen zu Kramer umfassen wird, und zwar u.a. von Karl-Markus Gauß, Erich Hackl, Ruth Klüger, Peter von Matt, Herta Müller (Nobelpreisträgerin), Daniela Strigl. Christoph Lind informiert in einem ausführlichen Beitrag über jüdisches Leben im Weinviertel und damit auch über die Situation der Familie Kramer in dieser Hinsicht. Ergänzt wird der Band durch Texte aus dem Nachlass Kramers und Informationen zu den Nachlassbeständen an verschiedenen Orten.
Die Nachforschungen zu Kramers Mutter Babette, geb. Doctor, die am 26. Jänner 1943 im KZ Theresienstadt ums Leben gebracht worden ist, haben bisher außer einigen von ihr verfassten Briefen noch sehr wenig ergeben. Kramer hat ihr den Gedichtzyklus "Die grünen Kader" gewidmet; sie hat Kramer in seinem Schreiben in jungen Jahren sehr ermutigt. Ihre Briefe an den Sohn dürften im Zusammenhang mit Kramers Flucht nach England 1939 verloren gegangen sein; die Briefe des Sohnes an sie aufgrund ihrer Deportation am 22. Juli 1942.
4.) Die nächsten Schritte werden sein, eine breitere Öffentlichkeit für die Einrichtung eines Gedenkraumes für Theodor Kramer in Niederhollabrunn zu schaffen, indem wir bekannte Mitglieder der Theodor Kramer Gesellschaft zur Unterzeichnung eines entsprechenden Aufrufs bitten und zugleich in Kontakt mit Gemeinde und Land bleiben.
Erstellt am 5. Oktober 2017 von K. Kaiser