Theodor Kramer Gesellschaft

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OTTO HARPNER (1900-1959) – EIN WIENER ANWALT IM LONDONER EXIL UND SEIN POLITISCHES ENGAGEMENT

In einer so interdependenten Welt, wie jener des 20ten Jahrhunderts, gibt es kein „fernes Land“; und schon gar nicht sollte es Länder geben, von denen „wir so wenig wissen“, wie sich der damalige britische Premier im Bezug auf Österreichs tschechoslovakischen Nachbarn in der Zeit der Münchenzusammenkunft geäussert hat.

Otto Harpner: Österreichs Platz in Europa. Vortrag am United Nations University Centre, London, am 26. März 1945. (PB-St.H.)

>> OTTO HARPNER PAPERS (work in progress)

Vorgeschichte

In Zwischenwelt 4/2010 wurden Otto Harpners Tagebucheinträge, als in Großbritannien internierter „enemy alien“ veröffentlicht. Die Internierung hatte einige Monate bis in den Oktober 1940 gedauert und Otto Harpner hat den Großteil dieser Zeit auf der Isle of Man verbracht. Sein heute in Wien lebender Sohn Stefan Harpner, Ehemann von Susanne Harpner, hatte das Manuskript der Theodor Kramer Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Bei den Gesprächen stellt sich heraus, dass Stefan Harpner nicht nur viel über das Exil seines Vaters weiß, sondern noch viel mehr Dokumente von diesem bei sich Zuhause gelagert hat.  

Aus diesen Gespräch, denen bald die Einsichtnahme in Otto Harpners Nachlass folgte, entstand bald der Wunsch, Leben und Wirken Otto Harpners, des Anwalts, des Rechtsphilosophen, des Privatmannes und Vaters und des Flüchtlings zu erforschen. Hinzu kommt, dass die Auseinandersetzung mit Otto Harpners Lebensgeschichte und Arbeiten fundierte Reflexionen über das Schicksal, über die Möglichkeiten und Überlegungen eines Flüchtlings und seines Alltags, seine sozio-ökonomische Situation, aber auch seiner politischen Partizipation erlauben.

>>> Alexander Emanuely: Lese Hamlet, spiele Bridge! Der Wiener Anwalt Otto Harpner im britischen Exil – zwischen Internierung und politischem Engagement (ZW, 4/2010, 14f)

>>> Otto Harpner: Tagebuch der Internierung (ZW, 4/2010, 18f)

>>> Alexander Emanuely: Mensch auf der Suche. Zum 90. Geburtstag von Susanne Harpner (ZW, 1/2014)

Die interdependente Welt

Nachdem fast alle demokratischen Staaten Europas 1940 durch die Nazis erobert, in vielen Ländern der demokratisch legitimierte Rechtsstaat und die kulturelle Freiheit und die sozialen Rechte zerstört worden waren, kamen im freien London britische und aus ganz Europa exilierte Rechtsgelehrte, PolitikerInnen, Intellektuelle zum Schluss, dass der globale Bedrohung durch Faschismus und Nationalsozialismus nur mit international wirksamen Instrumenten des Rechts und mit global geltenden Menschenrechten Einhalt geboten werden kann. Auf eine universelle Bedrohung sind universelle Antworten zu geben. Diese Antworten sollten die Welt nach 1945 und bis heute prägen und sie heißen Vereinte Nationen und Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.

Durch ihre Petitionen, ihre Studien, ihre Expertisen und durch die Kolaboration mit politischen ProtagonistInnen der Alliierten haben Flüchtlinge aus ganz Europa erheblich zur Etablierung eines internationalen Rechts beigetragen. Und obwohl diese so wichtig ist, sind uns noch viele der Details dieses Prozesses kaum bekannt, so ist z.B. der Einfluss, den österreichische Flüchtlinge auf ihn genommen haben, eigentlich noch gar nicht erforscht.

Die schon 1932 in Großbritannien von den konservativen Politikern Baron Davies und Winston Churchill, sowie von Ernst Jäckh (deutscher Liberaler welcher vom Industriellen Robert Bosch unterstüzt wurde und bald Berlin verlassen musste) gegründete und bald in ca. 18 Ländern tätige New Commonwealth Society of Justice and Peace war eine Art zivilgesellschaftliche, eher durch den politischen Liberalismus geprägte Lobby-Organisation, die sich für die Gründung der späteren Vereinten Nationen eingesetzt hat. Der Überfall auf China und die Okkupation der chinesischen Mandschurei durch Japan 1931, dem bald ein blutiger Krieg zwischen Japan und China folgen sollte, der italienische Eroberungsfeldzug gegen Äthiopien und die hilflose Reaktion der internationalen Staatengemeinschaft waren nur ein Vorspiel für den 2. Weltkrieg und die mörderische Eroberungspolitik der Nazis. Dieser internationalen Willkür galt es etwas entgegen zu setzen, ein erster Vorschlag war eine Art Welt- bzw. Friedenspolizei, die einem internationalen Recht untersteht und dieses durchsetzt, zu gründen.

Im Juni 1943 wurde in London die österreichische Sektion (im Exil) der New Commonwealth Society of Justice and Peace gegründet, beteiligt waren der Schriftsteller Emil Müller-Sturmheim, der schon in Österreich für die österreichische Völkerbundliga aktiv gewesen war, der Unternehmer Julius Hermann Meinl und der Wiener Rechtsanwalt Otto Harpner.

Otto Harpner spielte eine zentrale Rolle nicht nur im Kontext der Parteinahme für ein vom Faschismus befreites und unabhängiges Österreich, sondern auch im Kontext der Bemühungen für ein neues internationales Recht, auch Strafrecht. Er war schon 1937 nach Großbritannien gezogen, ahnend, was bald in Österreich passieren würde. Von ihm ist ein umfangreicher Nachlass an Schriften, Dokumenten, Korrespondenzen, vorwiegend aus dem Exil, erhalten geblieben, welcher im Archiv der Theodor Kramer Gesellschaft aufbewahrt wird.