Theodor Kramer Gesellschaft

Menü

Alexander Emanuely
Argentinien Chronik: 1930 bis 1946

Erschienen in "Exil in Argentinien". In: Zwischenwelt. Zeitschrift für Kultur des Exils und Widerstands. 28. Jg. Nr.3 Oktober 2011, 33

1930 Sturz der linksliberalen Regierung Yrigoyen durch einen Militärputsch konservativer Generäle. Viele demokratische Reformen der letzten Jahrzehnte werden rückgängig gemacht, Korruption, Wahlbetrug und Militärputsche prägen die nächsten Jahre.
1934 die ersten und zwar politischen Flüchtlinge aus Österreich kommen nach Argentinien, darunter vereinzelt Journalisten und Funktionäre der SDAP.
1937 der ehemals linksliberale Politiker Roberto Ortiz wird Präsident Argentiniens, er versucht eine Wahlreform durchzuführen. Seine pro-Alliierte Politik scheitert schließlich am Widerstand der eigenen Regierung und der Armee, wo es viele Nazisympathisanten gibt.
1938 15.000 bis 20.000 Menschen demonstrieren anlässlich des "Anschlusses" in Buenos Aires gegen Rassismus und Antisemitismus. Gleichzeitig gibt es in Argentinien auch große pro-Nazi Kundgebungen. Im Juli, nach Konferenz von Evian, unterzeichnet der argentinische Außenminister José María Cantilo das Zirkular 11, darin steht folgende geheime Anordnung für die argentinischen Diplomaten: „allen Personen ist ein Visum – auch ein Touristen- oder Transitvisum – zu verweigern, von denen anzunehmen ist, dass sie ihr Herkunftsland verlassen haben oder verlassen wollen, weil sie als unerwünschte Personen angesehen werden...“. Je nach Quellenangabe kommen ab 1938 zwischen 1.690 und 2.804 österreichische Juden und Jüdinnen nach Argentinien.
1939 Selbstversenkung eines deutschen Schlachtschiffes im Rio Plata, die Besatzung von ca. 1.100 Marineangehörigen wird mit allen Ehren und mit einer Parade in Buenos Aires willkommen geheißen, viele von ihnen bleiben in Argentinien und füllen die Reihen der Nazis im Land. Die Zahl der „legalen“ jüdischen EinwandererInnen wird halbiert (von 4919 auf 1873). In den nächsten Jahren können Juden und Jüdinnen nur noch illegal nach Argentinien.
1940 Präsident Ortiz erkrankt schwer und überlässt die Regierungsgeschäfte dem Vizepräsidenten Ramón Castillo, der eindeutig mit Nazideutschland sympathisiert.
1941 Trotz Kriegseintritts der USA bleibt Argentinien weiterhin neutral und hält als einziges Land Lateinamerikas die diplomatischen Beziehung zu den Achsenmächten aufrecht. Gründung der österreichischen Exilorganisationen „Comité Austríaco – Austria Libre“ (hat im März 1945 1.400 Mitglieder und ist Teil des Free Austrian World Movements) und des „Club Austro-Vienés“
1943 Am 4. Juni Militärputsch, pro-nazistische Generäle übernehmen die Macht, General Pedro Ramirez wird Präsident. Oberst Perón ist Regierungsmitglied. Die Offiziere gehören dem Grupo de Oficiales Unidos an und arbeiten direkt mit dem SS-Geheimdienst, dem SD zusammen. Perón, ein deklarierter Bewunderer Mussolinis, setzt sich verstärkt für eine „Politik der verschlossenen Tür“ gegenüber den Flüchtlingen aus Nazideutschland, bzw. aus Europa ein. Das Parlament wird ausgeschalten, eine antisemitische Politik verfolgt. Gründung der österreichischen Exilorganisation „Zentralkommitee der freien Österreicher in Lateinamerika“. Argentinische Juden und Jüdinnen im Nazibesetzten Europa werden in Stich gelassen, teilweise wird von der argentinischen Botschaft in Berlin behauptet, dass ihre Pässe gefälscht seien.
1944 Auf Druck der USA schließlich doch Abbruch aller Beziehungen zu Deutschland und Japan, Ramirez tritt zurück. Perón wird Vizepräsident und Staatssekretär für Arbeit und Soziales. Es folgen einige Sozialreformen, welche Perón bei vielen ArbeiterInnen populär macht, auch werden wieder fast alle Parteien zugelassen. Viele argentinische Juden und Jüdinnen im Machtbereich der Nazis werden nach Bergen-Belsen deportiert und im „Neutralenlager“ festgehalten.
1945 am 27. März erklärt Argentinien Deutschland den Krieg. AntifaschistInnen und FaschistInnen liefern sich in Buenos Aires Straßenschlachten, Perón wird Kriegsminister und greift auf Seiten der FaschistInnen ein. Am 19. September 1945 demonstrieren 250.000 Menschen in Buenos Aires für Demokratie und gegen Perón. Perón wird aus seinen Ämtern entlassen, muss untertauchen (mit Hilfe des deutsch-argentischen Nazis und Millionärs Ludwig Freude) und wird schließlich verhaftet. 300.000 Argentinier demonstrieren in Folge erfolgreich für die Freilassung Peróns. Die Opposition gegen Perón gründet im November die „Union Democratica“, bestehend aus SozialistInnen, KommunistInnen und Liberalen.
1946 Perón gewinnt knapp die Präsidentschaftswahlen gegen den von der „Union Democratica“ aufgestellten Arzt und Politiker José Pascual Tamborini. Mit Perón als Präsidenten (und der Hilfe des Vatikans und von Ludwig Freude) können Naziverbrecher wie Adolf Eichmann, Walther Rauff, Josef Mengele und Ante Pavelić über die rat lines kommend zeitweise oder ganz in Argentinien untertauchen. Gleichzeitig wird der Antisemit Santiago Peralta Direktor der Einwanderungsbehörde, für ihn sind Juden und Jüdinnen „Zysten im Körper des Volkes“. Wegen des Wirtschaftsbooms erfolgt in den nächsten Jahren eine Masseneinwanderung nach Argentinien, gewünscht sind nur romanische Einwanderer katholischen Glaubens, denn nur der „homo mediteranus“ würde dem Institut Etnico Nacional zufolge zur „raza argentina“ passen.
 

Grundlagen der österreichischen Exilliteratur. Begleitende Studien zu einem „Handbuch der Österreichischen Exilliteratur in zwei Bänden“

Ein Projekt des Vereins zur Förderung und Erforschung der antifaschistischen Literatur und der Theodor Kramer Gesellschaft

Gefördert durch