Theodor Kramer Gesellschaft

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Der 23. Theodor Kramer Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil wird 2023 an Tanja Maljartschuk verliehen

Die 1984 gegründete Theodor Kramer Gesellschaft vergibt seit 2001 alljährlich den mit heuer mit 8.000 Euro dotierten Theodor Kramer-Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil.
Die Verleihung findet am Freitag, den 01. September 2023 in Niederhollabrunn statt, in der Hoffnung, dass im Geburtshaus Kramers eine Gedenkstätte für den großen österreichisch-jüdischen Dichter entsteht.
Es werden sowohl die literarische Qualität, als auch die Haltung und das Schicksal der Preisträgerin oder des Preisträgers gewürdigt. Der Preis ist nicht alleine ÖsterreicherInnen und Menschen, die aus Österreich vertrieben wurden, vorbehalten. Auch das Schreiben in deutscher Sprache ist keine Bedingung.
Mit diesem Preis wird in Österreich Literatur gewürdigt, die im Widerstand und im Exil entstanden ist und entsteht. Die Theodor Kramer Gesellschaft will damit zugleich ein Zeichen setzen, dass in Österreich nicht alles in eine Richtung verläuft, dass dies ein Land mit seinem Widerspruch ist und im Widerspruch und Ringen mit sich selbst auch weiterschreitet. In all den Jahren der Zweiten Republik wurden aus Österreich vertriebene Autorinnen und Autoren höchst selten und nur dann mit Preisen bedacht, wenn sie entweder international schon vielfach preisgekrönt waren oder aber ihren Wohnsitz wieder in Österreich auf­geschlagen hatten.

1) Preisbegründung

2) Kurzbiographie der Preisträgerin Tanja Maljartschuk

3) Programm der Veranstaltungen

 

Preisbegründung

Der Theodor Kramer Preis 2023 geht an die in Wien lebende ukrainische Autorin Tanja Maljartschuk. Die Verleihung findet am 1.9. im Geburtsort Theodor Kramers im niederösterreichischen Niederhollabrunn statt. Für die Jury zeichnet sich Maljartschuk als eine Autorin aus, die fragt, in welcher Zeit wir leben, die mit literarischen und essayistischen Mitteln die Wahrheit darüber erkennen und darstellen will. Maljartschuk ist eine realistische Autorin, nicht, indem sie von der gegebenen Realität ausgeht, sondern indem sie zur Realität hin schreibt. Fiktionales und Fantastisches stellt sie in den Dienst dieses Strebens. Wie sehr dies, was wir als unsere Zeit angesehen haben, in Wirklichkeit nicht die Zeit war, in der wir leben, hat sich auf dramatische Weise mit dem terroristischen Vernichtungskrieg der russischen Föderation gegen die Ukraine herausgestellt. Viele Dinge, so die Fragen der Nation und der Nationsbildung, sind jetzt auch mit dieser Autorin neu zu durchdenken. Ein internationales Bündnis der Despoten gegen die Demokratie ist zur realen Gefahr geworden. Maljartschuk versteht es, in einer Promiskuität der Empathie menschliche Haltungen und Schicksale als Übergänge, im Prozess darzustellen, als zwischen den Zeiten stehend. Daraus ergibt sich für Tanja Maljartschuk wie bei Heinrich Heine die Fähigkeit und Notwendigkeit zur Ironie. Diese Ironie und die dargestellte Resilienz, Vielfalt und Differenziertheit des wirklichen Lebens in Maljartschuks Romanen und Essays sind zutiefst ermutigend.

 

Kurzbiographien der Preisträgerin

 

Tanja Maljartschuk. Foto: Sofia Rudeichuk

=> Pressefoto

Tanja Maljartschuk, 1983 in Iwano-Frankiwsk/Ukraine geboren. Studium der Philologie an der Universität Iwano-Frankiwsk, Arbeit als Kultur- und Investigativjournalistin in Kyjiv. 2011 zieht sie nach Wien um. Der Erzählband „Neunprozentiger Haushaltessig“ (Residenz Verlag, 2009) ist ihr erstes Buch in deutscher Sprache. 2013 folgt der Roman „Biografie eines zufälligen Wunders“. Ihr Roman „Vergessenheit“ (ukr.: Забуття) erhält 2016 von der BBC News Україна die Auszeichnung „Buch des Jahres“ und erscheint 2019 unter dem Titel „Blauwal der Erinnerung“ in deutscher Übersetzung. In dem Roman behandelt Maljartschuk Leben und Exil des nach Wien emigrierten ukrainischen Historikers Wjatscheslaw Lypynskyj, eines Pioniers der Erforschung der Geschichte der Ukraine und ihrer Nationsbildung.
Unmittelbar nach dem russischen Überfall von Osten, Süden und Norden am 24.2.2022 auf die Ukraine ergriff Tanja Maljartschuk das Wort für den Widerstand der Ukraine: "Wir hier in Westeuropa haben Angst vor dieser Aggression. Es ist so schwer, einem Aggressor zu widerstehen. Aber diese Kräfte und diesen Mut müssen wir finden" (25.2.2022). In einem Interview am 20.4.2022 beschrieb sie die enorme Resilienz der UkrainerInnen und forderte die entschiedene Unterstützung des Westens. Vor der russischen Invasion recherchierte sie zwei Jahre lang zu einem neuen Roman über den nationalsozialistischen Massenmord an Jüdinnen und Juden in der Ukraine. Was aus dem Roman wird, weiß sie nicht. „[A]bsurde Nazivorwürfe“ Russlands zur Vorbereitung des Vernichtungskrieges gegen die Ukraine haben historische Zusammenhänge völlig aus den Angeln gehoben.

Ende 2022 erschien „Gleich geht die Geschichte weiter, wir atmen nur aus“, Essays von Tanja Maljartschuk von 2014 bis 2022.
Maljartschuk ist  Mitglied des ukrainischen PEN. Ihre Werke wurden ins Deutsche, Polnische, Rumänische, Tschechische und Belarussische übertragen. Sie  verfasst regelmäßig Kolumnen für die ukrainischen und deutschen online-Publikationen Deutsche Welle und Die Zeit Online.  Preisträgerin des Ingeborg-Bachmann-Preises (2018) und des Usedomer Literaturpreises (2022), Stipendien von der Jungen Akademie der Künste Berlin und der Gaude Polonia. Tatjana Maljartschuk lebt als freie Autorin in Wien.

Buchpublikationen:
2009 –„Neunprozentiger Haushaltsessig“, Erzählungen, übersetzt von Claudia Dathe, Residenz Verlag, (Howoryty, Charkiw, 2007)
2013 –„Biografie eines zufälligen Wunders“, Roman, übersetzt von Anna Kauk, Residenz Verlag, (Biohrafia wypadkowoho tschuda, Charkiw, 2012)
2014 – „Von Hasen und anderen Europäern. Geschichten aus Kiew“, übersetzt von Claudia Dathe, edition.FotoTAPETA, Berlin, (Swiroslow, Charkiw, 2009)
2016 – „Überflutet/Повінь“, übersetzt von Harald Fleischmann, Edition Tannhäuser, Ottensheim/Donau
2019 – „Blauwal der Erinnerung“, Roman, übersetzt von Maria Weissenböck, Kiepenheuer&Witsch (Sabuttia, Lwiw, 2016)  
2022 — „Gleich geht die Geschichte weiter, wir atmen nur aus“, Essays 2014-2022,  Kiepenheuer&Witsch

Programm der Veranstaltungen

Feierliche Preisverleihung
Freitag, 1. September, 19 Uhr
Pfarrsaal Niederhollabrunn
Kirchenplatz 1, 2004 Niederhollabrunn
Laudationes: Annemarie Türk
Im Anschluss Rede der Preisträgerin
Konzert: Klezmer reloaded

Festveranstaltung
Donnerstag, 7. September, 19 Uhr
Veranstaltungszentrum Praterstern. Praterstern 1, 1020 Wien
Laudationes: Ganna Gnedkova
Im Anschluss Rede der Preisträgerin
Konzert: Klezmer reloaded

 

Lesung und Gespräche mit der Preisträgerin

Literaturhaus Salzburg

Mittwoch, 20. September um 19 Uhr

Strubergasse 23, 5020 Salzburg

Maria Weissenböck im Gespräch mit Tanja Maljartschuk

Lesung der Preisträgerin

 

 

     

          Verein zur Förderung und Erforschung der antifaschistischen Literatur